Das Presseamt der Regierung verbreitete am Montag die gute Nachricht gleich in vier Sprachen: „Der Buchstabe N des Lëtzebuerger Online Dictionnaire (http://www.lod.lu/) ist online. So kann nun mehr als die Hälfte des Wörterbuchs benutzt werden.“
In Wirklichkeit sollte das Wörterbuch nächstes Jahr schon fertig sein. Doch daraus wird nun nichts. Denn die Regierung hat im Zuge ihrer Sparmaßnahmen 2011 die Haushaltsmittel für „Mesures en faveur de la langue luxembourgeoise : indemnités pour services de tiers“ um 130 000 Euro oder 20 Prozent gekürzt.
Immerhin hatte der Kredit zur Pflege der Nationalsprache dieses Jahr den Rekordstand von 650 000 Euro erreicht. Der Haushaltsposten war 1999 zugunsten des damals gerade gegründeten Conseil permanent de la langue luxembourgeoise geschaffen worden, der mit dem Verfassen des neuen Wörterbuchs beauftragt wurde. Seit Mitte des Jahrzehnts waren die Finanzmittel rapide angestiegen.
Kulturministerin Octavie Modert (CSV) war vor zwei Monaten in den parlamentarischen Kulturausschuss eingeladen worden, um Aufschluss über das Projekt zu geben. Dabei rechnete sie vor, dass der Lëtzebuerger Online Dictionnaire die Steuerzahler zwischen 2002 und 2010 bereits 1,65 Millionen Euro gekostet hat. Und das Werk ist noch nicht fertig.
Bisher wurden die Buchstaben A bis N ins Internet gestellt. An den Buchstaben O bis S wird derzeit gearbeitet. Allerdings sind auch die Buchstaben A bis N noch nicht abgeschlossen. Denn die englischen Übersetzungen zu den bisher veröffentlichten Eintragungen reichen lediglich bis zu den Stichwörtern, die mit F beginnen, und die portugiesischen Übersetzungen brechen nach J ab.
Nun finden manche Politiker und Beamte, dass das Wörterbuch genug gekostet hat und dass es Zeit wird, das Unternehmen abzuschließen. Auch auf die Gefahr hin, dass durch die Sparmaßnahmen die Arbeiten in die Länge gezogen werden und Mitarbeiter abspringen. Das Wörterbuch wird zum Teil nebenberuflich gegen Sitzungsgeld in einem kleinen Arbeitskreis mit beschränkter lexikographischer Kompetenz erstellt. Die ursprünglich für nächstes Jahr vorgesehene Druckversion muss ebenfalls aufgeschoben werden, wenn sie nicht ganz den Sparzwängen zum Opfer fallen wird.
Die Erfahrung lehrt zwar, dass die Zusammenstellung eines Wörterbuchs meist Jahrzehnte, wenn nicht gar Jahrhunderte dauern kann. Aber nicht erst seit E-go und dem Festungsmuseum geht in den Ministerien die Angst vor den politischen Folgen von Projekten um, deren Kosten außer Kontrolle geraten.
So erscheint das Wörterbuch auch ein wenig wie ein Überbleibsel aus jener Zeit, als der Staat die Mittel hatte, um massiv in kulturelle Einrichtungen zu investieren, ohne sich um die Folgekosten zu scheren. Vor diesem Hintergrund hatte die sehr um die nationale Identität und eine luxemburgische Leitkultur bemühte CSV/DP-Regierung 1999 sogar die Veröffentlichung gleich mehrerer Wörterbücher in ihr Koalitionsabkommen geschrieben. Geplant waren ein Handwörterbuch des Luxemburgischen für den Alltag, ähnlich dem Larousse und Duden, sowie zweisprachige Wörterbücher für Einwanderer, wie der Langenscheidt und der Pons. Außerdem sollte ein wissenschaftliches Wörterbuch des Luxemburgischen das große fünfbändige Luxemburger Wörterbuch ersetzen, das aus dem Verkehr gezogen werden sollte, weil es unter einem entsprechenden Vorbehalt auch antisemitische Redewendungen zitiert. Unausgesprochen sollten diese staatlichen Wörterbuchprojekte zur Normierung der einst als Dialekt geringgeschätzten Nationalsprache beitragen.
Doch obwohl mit der Reform der Staatsbürgerschaft das politische Gewicht des Luxemburgischen noch vergrößert wurde, erscheint von den drei geplanten Wörterbüchern jetzt eins, und dies nicht ohne Mühe. Das alte Luxemburger Wörterbuch wurde nicht, wie von CSV-Kulturministerin Erna Hennicot-Schoepges anfangs angekündigt, aus dem Verkehr gezogen, sondern vom Labor für Luxemburger Linguistik und Literatur an der Universität Luxemburg in Zusammenarbeit mit einem Kompetenzzentrum der Universität Trier digitalisiert und mit einer Warnung vor „problematischem Wortgut“ ebenfalls ins Internet gestellt. Denn auch an der Uni Luxemburg und der Uni Trier befassen sich, teilweise mit Unterstützung des Nationalen Forschungsfonds – und neben mehreren privaten Wörterbuchautoren –, Lexikographen mit dem Luxemburgischen, alle meist lieber neben- als miteinander.
Der nun beim Buschtaben N angelangte Lëtzebuerger Online Dictionnaire ist zwar sorgfältig aufgebaut, aber er liest sich trotzdem nicht wie das Referenzwerk für die luxemburgische Sprache des 21. Jahrhunderts. Denn trotz des Rückgriffs auf den Textcorpus der Parlamentsdebatten und der zeitgenössischen Literatur ist die Zahl der Stichwörter und vor allem der Erklärungen und Beispiele dürftig im Vergleich zu seinem großen Vorgänger. Je weniger sich das neue Werk aber für den Durchschnittsbenutzer von den zahlreichen inzwischen im Handel erhältlichen Wörterbüchern und Wortlisten unterscheidet, um so mehr fragt er sich, ob sich der Millionen-Aufwand am Ende gelohnt haben wird.