Erstaunliches hatte die Demokratische Partei in den vergangenen zehn Jahren in der drittgrößten Stadt des Landes geleistet. Nachdem es den Sozialisten in der ehemaligen LSAP-Hochburg am Ende eines halben Jahrhunderts Alleinherrschaft nicht gelungen war, sich zu verjüngen und zu erneuern, und ihr Einfluss bei den Wahlen zurückgegangen war, brach ihr altbackenes System von Partei, Gewerkschaft und Lokalvereinen – auch ein wichtiger Bestandteil des guten alten Luxemburger Modells – zusammen; Basis und Sektionsvorstand schoben sich gegenseitig die Verantwortung zu. Die DP kündigte flink die kurzlebige Koalition auf und durfte zur Belohnung am Ende den Bürgermeister stellen.
Der gerade 30-jährige Claude Meisch konnte bei seinem Amtsantritt 2002 eine Aufbruchsstimmung vermitteln, die weit über die Wählerschaft der DP hinausging. Spielt die DP mit ihren Geschäftsleuten, Anwälten, Ärzten und Ingenieuren in den Industriestädten des Südens meist kaum eine Rolle, konnte sie bei den Differdinger Gemeindewahlen 2005 ihren Stimmenanteil von 21 auf 43 Prozent verdoppeln – auch auf Kosten der CSV. Dieser Triumpf wurde vielleicht möglich, weil der junge Bankangestellte und seine Partei gerade nicht, wie die müden Männer der LSAP, die einst stolze Cité du fer verkörperten, sondern die Perspektive, dass es ein Leben nach der Stahlindustrie, das heißt vor allem nach der schier endlosen Stahlkrise geben könnte.
Doch seit dem Aufstieg von Bürgermeister Claude Meisch zum Erziehungsminister vor einem Monat ergeht es der Differdinger DP nun ähnlich wie seinerzeit der LSAP. Der Versuch einer dynastischen Regelung, bei der ausgerechnet der letztgewählte DP-Rat das Amt des Bürgermeisters bekleiden sollte, um die kommunale Macht in den Händen des für die Parteisektion zuständigen Vaters und des für den Unterhaltungsteil zuständigen Bruders des ehemaligen Bürgermeisters zu belassen, scheiterte trotz der Unterstützung durch den neuen LSAP-Innenminister. Nach ersten Stimmeneinbußen bei den vergangenen Gemeindewahlen brach nun binnen Wochen, wenn nicht Tagen, das von dem dynamisch-autoritären Bürgermeister zusammengehaltene System zusammen. Wie immer, wenn ein wenig demokratisches Regime erste Schwächen zeigt, packte zu kurz Gekommene in den eigenen Reihen plötzlich der Mut zur Meuterei, ein Überläufer aus dem einstigen Lager der alten Verlierer kehrte flink den neuen Verlierern den Rücken, und der grüne Koalitionspartner, der einst die LSAP auszumanövrieren half, half nun der LSAP, die DP auszumanövrieren.
So zeigte sich in den letzten Tagen dem ganzen Land, dass der Erfolg der DP in der liberalen Vorzeigegemeinde Differdingen noch einmal der Erfolg der alten Notabelnpartei war. Sie hatte im Sinn des modischen New public management versprochen, aus den Stadtbürgern Kunden zu machen und die Stadt ein wenig wie einen privaten Dienstleistungsbetrieb zu leiten. Aber sie machte auch aus den Politikern Kunden und wollte den kommunalen Dienstleistungsbetrieb wie ein Familienunternehmen vererben. In der Hauptstadt pflegt die Partei eine Variante dieser Notabelnpolitik, dort halten sich die liberalen Spitzenleute gegenseitig den Bürgermeistersessel warm, wenn einer von ihnen einmal kurz in die Regierung wechseln muss.
In Differdingen kamen die Grünen als drittstärkste Partei zur Belohnung für den fliegenden Koalitionswechsel etwas unverhofft und selbstverständlich nur unter größtem Bedauern zu ihrem ersten Bürgermeistermandat in einer großen Proporzgemeinde. Das Klima in der Regierungskoalition verbessert das nicht unbedingt. Denn die Differdinger DP ist ziemlich nachtragend gegenüber dem ehemaligen Koalitionspartner und sie sitzt nun einmal Seite an Seite mit den Grünen und der LSAP am Koalitionstisch.