„Und dabei ist das hier der Koalitionsvertrag und kein grünes Wahlprogramm!“, rief Felix Braz am Dienstag unter lautem Applaus in die grüne Parteitagsrunde. Da war der Koalitionsverhandlungsführer von Déi Gréng bei seinem Resümee des Regierungsprogramms im Energiekapitel angelangt. Tatsächlich: Nirgendwo ist die „grüne Handschrift“ so deutlich zu erkennen wie dort.
Dabei sind auch im Programmkapitel für das nun von François Bausch, Carole Dieschbourg und Camille Gira geführte Superministerium für Nachhaltigkeit und Infrastrukturen (MDDI) grüne Richtungswechsel abzulesen. Dass verschiedene Umgehungsstraßen nicht gebaut werden und vom Ausbau der Autobahn A3/A6 auf drei Spuren abgesehen werden soll, dagegen am beschleunigten Weiterbau der Tram Richtung Findel und Howald/Cloche d’or sogar schon geplant wird, geht ebenso auf grünen Einfluss zurück wie die geplante Reform der Straßenbauverwaltung, die in Zukunft nicht mehr die heimliche Verkehrsplanungsinstanz des Landes sein soll. Das Vorhaben, die Landesplanung stärker zu regionalisieren und bei einer Gemeindefinanzreform Gelder in die Regionen zu lenken, ist dagegen eine Idee, die neben Déi Gréng auch die DP in ihrem Wahlprogramm vertreten hat.
Eine große politische Frage, die über die Erkennbarkeit der Grünen im MDDI entscheiden wird, ist die, wie es ihnen gelingen wird, an Planungen für Infrastrukturprojekte Umweltbelange nicht untergehen zu lassen. Immerhin werden im Regierungsabkommen Verwaltungsvereinfachung und Prozedurenbeschleunigung angekündigt, um die „wirtschaftliche Dynamik des Landes“ nicht zu behindern (S. 88). Sollte ein Mouvement écologique auf der Oekofoire über das grün geführte Ministerium dasselbe erzählen wie über die CSV-Vorgängerminister, wäre das für die ökologische Reputation von Déi Gréng fatal. Dem Credo, Luxemburg brauche hohes – und nicht nur „qualitatives“ – Wachstum, mussten sie immerhin schon zustimmen. Und weil die DP im Grunde gar keine Steuerreform will, gibt es auch nicht die ökologische Steuerreform, die den Grünen seit ihrer Gründung so wichtig ist.
Aber dafür ließ Etienne Schneider es zu, dass der grüne Europaabgeordnete und Energiepolitiker Claude Turmes den Energie-Teil im Regierungsprogramm komplett neu schrieb. Wäre es nach Schneider gegangen, hätten an erster Stelle „billige Energiepreise“ gestanden. Nun nimmt Blau-Rot-Grün sich vor, Luxemburg zu einem „Pionier“ beim Energiesparen zu machen, und das Ziel, bis 2020 elf Prozent des Energieverbrauchs aus erneuerbaren Quellen zu decken, zu überprüfen und eventuell zu erweitern. Effizienter Hausbau würde zu einer Priorität und die „Écoconstruction“ zum Leitthema bei der Diversifizierung der Wirtschaft in Richtung Ökotechnologien. Nach und nach sollen sämtliche Altbauten energetisch saniert werden (S. 61). Um finanziell schlechter gestellten Haushalten entgegenzukommen, soll eine „Klimabank“, wie die DP sie seit Jahren verlangt, solche Projekte vorfinanzieren (S. 58). Die Nutzung der umstrittenen Agrofuels der ersten Generation werde „gekappt“, und sogar die von Schneider in der vorigen Legislaturperiode als „Preistreiber“ im Strompreiskompensationsfonds gebrandmarkte Solarstromproduktion, für die ein höherer Einspeisepreis nur bis zu einer gewissen Anlagengröße garantiert ist, kommt zu neuen Ehren – sofern große Anlagen von Genossenschaften betrieben werden. Der stromintensiven Industrie könnten Abschläge auf den Strompreis gewährt werden – aber nur, falls sie Stromsparanstrengungen macht. Details soll ein Abkommen mit der Fedil regeln
Man wird sehen, was daraus wird. Bei genauem Lesen ist nicht zu übersehen, dass die „zentrale Bedeutung“ für Klimaschutz und grüne Energien erst „mittelfristig“ gelten soll. Zwar soll die „Energiewende“ dorthin schon jetzt beginnen (S. 58). Aber es muss vor allem das Wirtschaftsministerium sein, das dieses Programm umsetzt – mit denselben Beamten, die bisher immer fanden, zu viel Effizienz und grüner Strom kosteten nur unnötig Geld. Aber andererseits soll ab 2019 hierzulande jeder Wohnungsneubau dem Null- oder Plusenergiestandard genügen und damit bestenfalls sogar Energie produzieren. Luxemburg will damit zwei Jahre früher beginnen als der Rest der EU und seinem Handwerk zu einem Kompetenzvorsprung verhelfen. Etienne Schneider war es, der dazu vor ein paar Monaten den Entwurf für eine Verordnung auf den Instanzenweg gebracht hatte.
Druck zum Energiesparen kommt ebenfalls aus einer neuen EU-Richtlinie. Ab kommenden 1. Januar müssen Jahr für Jahr drei Prozent der Bauten, die im Besitz des Zentralstaats sind, energetisch saniert werden, und für neu gebaute öffentliche „Funktionsgebäude“ gilt der Passivstandard. Da wird sich nicht zuletzt die Frage stellen, wie man diese Energiewende finanziert. Eine Idee ist, „Mehreinnahmen“ aus dem Tanktourismus eine Zweckbindung für Energievorhaben zu geben (S. 62). Aber gleich anschließend heißt es, das gelte erst, „wenn der Staatshaushalt es erlaubt“. Schon möglich, dass die Energiewende in den Wahlprogrammen 2018 erneut versprochen wird.