Mammerent

3 059 Frang fir d'Mamm

d'Lëtzebuerger Land du 20.12.2001

Seit Monaten schwelte der Streit in der CSV zwischen konservativen Familienpolitikern und LCGB-Mitgliedern, zwischen AFP-Ideologen und der parteieigenen Frauensektion, zwischen  Famill 2000-Lobbyistinnen und der noch immer heroischen Europaabgeordneten Astrid Lulling. Seit dem Rententisch hatte auch der Druck von außen zugenommen. Und als der LSAP-Abgeordnete Lucien Lux einen Gesetzesvorschlag deponierte, damit nicht nur CSV wählende Hausfrauen, sondern alle Mütter oder Väter pro Kind 3 000 Franken Erziehungspauschale bekommen sollten, setzten die Christlichsozialen mit quietschen Reifen zur Kehrtwende an.
Am 7. Dezember nach der Sitzung des Regierungsrats hatte Premier Jean-Claude Juncker noch berichtet, dass der Gesetzentwurf des Rententisches auf den Instanzenweg gebracht worden sei und die ihm so teure Erziehungspauschale gedacht sei „für jene Frauen, die keiner entlöhnten Arbeit nachgingen, sondern sich zu Hause der Kindererziehung widmeten“, wie das Luxemburger Wort anderntags berichtete. Doch am folgenden Donnerstag musste die CSV nachbessern, und auch der Premier sollte Unrecht behalten. Den eigenen Abgeordneten war das zu schnell gegangen. Frauen- und Familienministerin Marie-Josée Jacobs und Fraktionsvorsitzender Lucien Weiler machten mit ihren Erklärungsversuchen eine ähnlich schlechte Figur wie die Mehrheitspolitiker, die letztes Jahr von den vorgezogenen Steuersenkungen kalt erwischt worden waren.
Doch schon dem Rententisch im Frühjahr war der Vorschlag der CSV, allen Hausfrauen monatlich 3 000 pro Kind zu zahlen, als Überraschung gekommen. Die Verhandlungspartner erkannten darin eine Panikreaktion der Christlichsozialen, die hastig eine alte Stammwählerschaft wiederentdeckten, als DP und Gewerkschaften ihnen die Schau am Rententisch stahlen. Deshalb werde nun „endlich auch etwas für die Hausfrauen unternommen, die bisher immer leer ausgegangen sind“, wie die CSV sich als Bilanz von einem halben Jahrhundert CSV-Familienministerium brüstete. Obwohl selbst das so nicht stimmt, weil Hausfrauen dank abgeleiteter Rechte die Leistungen der Kranken-, Alters- und Sozialversicherungen genießen, ohne Beiträge zu zahlen.
Und mit den Stimmen der Christlichsozialen Frauen protestierte der Conseil national des femmes du Luxembourg noch letzten Monat: „Se situant dans le domaine se la politique familiale, l’idée d’accorder une prime (dont le montant et les modalités de paiement restent à fixer par cadre légal) aux femmes ayant eu des enfants doit être matérialisée dans l’esprit de la politique d’égalité. Le CNFL se prononce pour l’octroi du bénéfice d’une telle prime à toute mère (ou tout père), indépendamment du fait d’avoir également travaillé à l’extérieur du ménage.“
Denn das Problem des christlichsozialen Müttergenesungswerks von 3 000 Franken ist, dass es vor allem neue Ungerechtigkeiten zu schaffen droht. Die erste Ungerechtigkeit war, dass Eltern, die zu Hause Kinder aufzogen, in den Genuss der Prämien kommen sollten, Eltern, die aber erwerbstätig sind und Kinder aufziehen, also doppelt belastet sind – und Sozialversicherungsbeiträge zahlen –, nicht. Die CSV tat diesen Einwand bisher mit dem Hinweis ab, dass die erwerbstätigen Eltern zur Kindererziehung aussetzen können und dann Babyjahre bei der Rentenversicherung angerechnet bekommen. Die Bezieherinnen der niedrigsten Einkommen, die es sich gar nicht leisten können, ihre Arbeit als Arbeiterinnen, Verkäuferinnen oder Kassiererinnen für einige Jahre zu unterbrechen, und dafür auch noch Kinderkrippe zahlen müssen, sollten also die einzigen sein, die gar nichts bekommen. Oder wie der LSAP-Abgeordnete Lucien Lux plastisch beschrieb: „Die Bankiersgattin, die Hausfrau ist, soll 3 000 Franken pro Kind bekommen, ihre Putzfrau aber nicht!“
Aus diesem Grund änderte die Regierung am Donnerstag letzter Woche noch schnell ihren Gesetzentwurf und beschloss, dass die 3 000 Franken nicht mehr an Eltern gehen sollen, die keine eigenen Rentenansprüche haben, wie am Rententisch abgemacht und noch freitags zuvor vom Premier verkündet, sondern an alle Eltern, die keine Babyjahre angerechnet bekommen.
Hausfrauen sollen, so der nun ein halbes Jahr nach dem Rententisch vorliegende Gesetzentwurf, die 3 000 Franken, die dank Euro-Umrechnung und Index  in Wirklichkeit 3 059 Franken werden, ab dem 65. Lebensjahr bekommen. Erwerbstätige ohne Babyjahre haben Anspruch bei beginnendem Bezug der eigenen Rente. Etwa zur Zeit, als CSV und DP diese einschneidende Änderung beschlossen, warf der CSV-Fraktionssprecher noch allen Anhängern einer solchen Ausweitung vor, einzelne Frauengruppen gegeneinander auszuspielen.
Eine weitere Ungerechtigkeit war, dass selbst ein Teil der erwerbstätigen Eltern, die für eine Berufsunterbrechung Babyjahre angerechnet bekommen, schlechter bedient würden als Hausfrauen. Denn die Babyjahre werden auf der Grundlage des Einkommens berechnet, und für Bezieherinnen niedriger Einkommen spränge weniger heraus als 3 000 Franken monatlich. Eine Mutter die für den Mindestlohn arbeitete, sollte etwa 1 800 Franken erhalten, eine solche die zu Hause blieb, 3 000 Franken.
Aus diesem Grund hatte die Regierung schon abgemacht, das Minimum, auf dem Babyjahre berechnet werden, vom Mindestlohn auf 82 662 Franken, etwa den eineinhalbfachen Mindestlohn, zu erhöhen. Dadurch machen die Babyjahre mindestens 3 000 Franken in der Rente aus.
Gleichzeitig entschied die Regierung, dass die 3 000 Franken versteuert werden müssen – natürlich wenn das Gesamteinkommen der Bezieherin oder des gemeinsam veranlagten Ehepaars den steuerfreien Mindestbetrag übersteigt. Die Frage, ob 3 000 brutto oder netto, war bisher wohlweislich offen gelassen worden, um nicht gleich wieder Enttäuschungen zu verursachen. Außerdem unterliegt die Erziehungspauschale, die an den Index angepasst wird, auch den Beiträgen zur Sozialversicherung. Die 3 059 Franken werden bei der Berechnung des gesetzlichen Mindesteinkommens (RMG) als Ersatzeinkommen betrachtet und können auch gepfändet werden.
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Bezugsberechtigte die Erziehungspauschale beantragen müssen, also nicht automatisch ausgezahlt bekommen – was für ältere Rentnerinnen nicht so einfach sein dürfte.
Zuständig für die Auszahlung der Erziehungspauschale wird nicht die  Kindergeldkasse, sondern der nationale Solidaritätsfonds. Die genauen Umstände der Auszahlung sollen noch durch ein großherzogliches Reglement geklärt werden – und bis dahin ist nicht sicher, ob der Fonds angesichts des hohen Verwaltungsaufwands bereit ist, die neue Leistung ab 1. Juli 2002 zu erbringen.
Anspruch hat laut Gesetzentwurf jeder, der in Luxemburg wohnt und auch zum Zeitpunkt der Geburt oder Adoption der Kinder hier wohnte, um die sie oder er sich sorgte. Diese Residenzklausel benachteiligt allerdings Grenzpendler und in ihre Heimat zurückgekehrte Immigranten, die keine Babyjahre angerechnet bekommen. Ausgenommen sind auch Rentner und Rentnerinnen, die bei internationalen Institutionen arbeiteten. Die Pauschale soll auch um gleichwertige ausländische Zuschüsse gekürzt werden.
Offen lässt der Gesetzentwurf auch, wie geklärt wird, wer der, „Elternteil, der sich der Erziehung widmete“, ist, wenn Mutter und Vater sich nicht einigen können und beide die Pauschale beanspruchen. Dies ist um so wichtiger, als die Pauschale nun auch Eltern zusteht, die ihre Erwerbstätigkeit nicht unterbrechen, was für die Mehrheit der Väter gilt. Ausgeschlossen wird dagegen, dass beispielsweise der Vater die Erziehungspauschale beantragen kann, wenn die Mutter Babyjahre angerechnet bekommt.
Durch die Ausweitung des Kreises der Bezugsberechtigten steigen natürlich auch die Kosten. Nach Angaben von Staatsminister Jean-Claude Juncker betragen die Kosten der Erziehungspauschale jährlich 1,6 Milliarden Franken. Laut Gesetzentwurf kosten Erziehungspauschale, Babyjahre für Kinder, die vor 1988 geboren wurden und die Erhöhung des Mindesteinkommens zur Berechnung der Babyjahre insgesamt 30 Millionen Euro, über 1,2 Milliarden Franken. Am Rententisch waren die Kosten auf 1,8 Milliarden Franken geschätzt worden, doch zu diesem Zeitpunkt waren der Export der Leistung und die nun beschlossene Ausweitung auf berufstätige Eltern ohne Babyjahre noch nicht berücksichtigt. Beim Depot des Staatsbudgets für 2002 hatte Minister Luc Frieden von 22,5 Millionen Euro für das Halbjahr 2002, demnach über 1,8 Milliarden Franken pro Jahr geredet.
Politisch stellt die Erziehungspauschale, die zuerst eine von der Kinderzahl abhängige Hausfrauenrente ist, einen vielleicht durch ihre Panikreaktion am Rentendësch erklärbaren Rückfall der CSV dar, die in den letzten Jahren ihre konservative Familienpolitik in Richtung Frauenpolitik weiterentwickelte, um nicht die berufstätigen Wählerinnen zu verlieren. Deshalb ist bis heute nicht richtig klar, ob die aus der Staatskasse finanzierten  „3000 Frang“ eine Rentenleistung sein sollen oder eine familienpolitsche Maßnahme. Wenn es nämlich eine Rentenleistung für Frauen ohne eigene Versicherungskarriere ist, wie die „feministische“ Auslegung bei der CSV lautet, muss man fragen, weshalb die Höhe der Leistung ausgerechnet an die Kinderzahl gebunden ist und weshalb Hausfrauen, die keine Kinder bekommen wollen oder können, dem Staat keine solche Rentenleistung wert sein sollen.
Wenn es aber eine familienpolitische Leistung sein soll, haben alle Eltern ein Recht darauf, unabhängig von ihrer Erwerbstätigkeit. Andernfalls fördert die Pauschale nur die Erwerbslosigkeit von Frauen und das überholte Kinder-Küchen-Kirche-Frauenideal der CSV. Das aber steht im Widerspruch zu allen Empfehlung von EU, OECD, IWF und allen Versprechen der Regierung, die unterdurchschnittliche Frauenerwerbsquote zu erhöhen. Aber auch in der nun überarbeiteten Form dürfte die Erziehungspauschale noch einige Änderungen erfahren, bis sie innerhalb der nächsten drei Monate vom Parlament gestimmt sein wird.

Romain Hilgert
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