Es hat wieder zugeschlagen, das internationale Journalisten-Konsortium ICIJ. Beim neuesten Leak steht allerdings nicht Luxemburg im Fokus, sondern die Schweiz. „Ha!“, dürfte sich da wohl manch einer im Großherzogtum mit einer gewissen Genugtuung gesagt haben. Dabei sitzt die Regierung erneut in der Zwickmühle.
Das Datenpaket der Schweizer HSBC-Filiale enthält Angaben über Kunden aus Luxemburg. Insgesamt 562 Konten will das ICIJ ausgemacht haben, auf denen 2006 und 2007 2,9 Milliarden Dollar angelegt waren. Wie Le Jeudi am Donnerstag berichtete, gehen 1,4 Milliarden Dollar auf eine Gesellschaft der Finanzgruppe Brown Brothers Harriman zurück. Auch stadtbekannte Geschäftsanwälte finden sich anscheinend auf der Liste wieder. Nicht nur deshalb hat Swissleaks einen gewissen Unterhaltungswert. Weil weder das ICIJ, noch Le Jeudi, die vollständigen Datensätze veröffentlichten, steht die Regierung vor folgendem Problem: Sie kennt die Namen nicht.
Die wollte bisher auch überhaupt niemand kennen. Die Daten sind alt. Der französische Fiskus erhielt die Liste 2008. Die Namen prominenter Steuerhinterzieher waren seither schon in internationalen Medien bekannt worden. Eine ganze Reihe von Ländern beantragte daraufhin bei den Franzosen „ihren“ Teil der Liste – ein Antrag war Bedingung der Franzosen zur Übergabe. In der Folge kam es nicht nur zu Selbstanzeigen, sondern in Griechenland, nach Zeitungsberichten, auch zu Selbstmorden. Wenn Finanzminister Pierre Gramegna (DP) diese Woche sagte, „Wir konnten ja nicht raten, dass die Franzosen sie hatten. Es ist also auf Initiative der Franzosen, wo wir sie hätten kriegen müssen“, stimmt das nicht ganz. Dass die Liste nicht vorliegt, liegt wohl eher daran, dass niemand sie haben wollte.
Dafür gab es gute Gründe. Die Daten sind geklaut, und selbst die französische Presse zieht die Motive des Diebs, Hervé Falciani, in Zweifel. Die offizielle Luxemburger Linie lautete bisher: Wer geklaute Daten nutzt, macht sich der Hehlerei schuldig. Wenn deutsche Steuerbehörden geklaute Daten aus Liechtenstein auswerten, die sie gekauft haben, seien sie mindestens so kriminell wie die Steuerhinterzieher, so die Logik, und der Rechtsstaat am Ende.
Was also soll Luxemburg tun, jetzt da es „evident“ ist, wie Pierre Gramegna sagte, dass der Datensatz „Luxemburger“ Informationen enthält? „Es ist wichtig, die Daten zu bekommen“, fand Alex Bodry, LSAP-Fraktionsvorsitzender, Anfang der Woche. „Ich habe es bis jetzt noch immer so verstanden, dass die Bekämpfung von Steuerbetrug eine Priorität aller Luxemburger Regierungen war und ist.“ Eine Aussage, die bei den „Hehlern“ in den deutschen Steuerbehörden für Heiterkeit sorgen dürfte.
Der Finanzminister war nicht ganz so enthusiastisch. „Die Steuerverwaltung macht nun ihre Arbeit, wenn wir die Daten von Frankreich erhalten“, versuchte Pierre Gramegna Anfang der Woche aus einem politischen Problem ein technisch-administratives zu machen, ohne sich festzulegen, ob sein Ministerium oder die Steuerverwaltung die Hehlerware beantragen werde. Das wäre natürlich konsequent mit der nach Luxleaks ausgerufenen Ära der Transparenz. Doch was, wenn die nächste Daten-CD, der nächste USB-Stick wieder aus Luxemburg kommt? Die Rechtsstaats-Argumentation könnte man dann nicht mehr vorschieben. Und könnte man Antoine Deltour, dem Luxleaks-Datendieb den Prozess machen, wenn der Staat selbst anderswo geklaute Daten nutzt? „Es werden jetzt alle Optionen geprüft, auch auf juristischer Ebene“, hieß es deshalb am Donnerstag aus dem Finanzministerium. Nach ein wenig Bedenkzeit und der Veröffentlichung erster „Luxemburger“ Namen.