Die vergangene Woche vom Unternehmerdachverband UEL vorgebrachte Idee, aus der Finanzierung und der Verwaltung der Gesundheitsleistungen auszusteigen, schlug erwartungsgemäß Wellen. Premier Xavier Bettel (DP) erklärte, „was zu dritt funktioniert“, in gemeinsamer Zuständigkeit von Unternehmern, Gewerkschaften und Staat, „sollte man nicht einseitig kündigen“. Sozialminister Romain Schneider (LSAP) sagte, so einen „Bruch mit unserem Sozialsystem“ könne er „nicht teilen“. Bis zu den nächsten Wahlen dürfte der Ausstieg demnach nicht zu haben sein.
Dass die nächste Regierung sich die Idee zu eigen macht, ist aber ebenfalls fraglich. Denn würden allein die Versicherten, beziehungsweise die Gewerkschaften sowie der Staat zuständig für die Gesundheitsleistungen, wäre das nicht nur eine Riesenänderung auf administrativer Ebene. Die Gesundheitsversorgung würde dann auch politisierter. Es könnte sogar die Frage aufkommen, ob man sie besser ganz aus der Staatskasse finanziert. Der britische Ökonom William Beveridge meinte schon 1942, es diene „der Wettbewerbsfähigkeit der britischen Industrie“, wenn die Unternehmen nichts mehr mit den Kosten der Gesundheitsversorgung zu tun hätten. Prinzipiell zielt der UEL-Vorstoß in diese Richtung.
Man kann nicht einfach behaupten, eine paritätisch finanzierte Gesundheitsversorgung sei besser oder sozial gerechter als eine staatlich finanzierte oder umgekehrt. Der springende Punkt ist: Wird das Geld knapp, erleichtert „mehr Staat“ die Schaffung einer Grundversorgung, die nicht alles enthält. In Großbritannien entstand so nach Kriegsende der National Health Service mit steuerfinanzierter Grundversorgung für alle ohne weitere Zuzahlung. Schon gegen die Aussicht darauf dürften die Gewerkschaften sich wehren. Damit ist die Idee der UEL in der LSAP sicher nicht konsensfähig und in der CSV vermutlich auch nicht. Zumal sich fragt: Warum sollte die Luxemburger Politik sich so einer Diskussion jetzt aussetzen, da es der CNS finanziell gut geht wie lange nicht? Für dieses Jahr rechnet sie mit einem kumulierten Überschuss von 212 Millionen Euro, für 2018 mit 430 Millionen. Da wäre eine Krankenkassen-Grundsatzreform politisch sehr schwer vermittelbar.
In erster Linie ist der UEL-Vorstoß ein taktischer. Weil die CNS-Finanzen gut aussehen, wird um die Verteilung der Überschüsse gerungen. Die Gewerkschaften treten für Leistungsverbesserungen ein, für Brillen und Zahnersatz etwa, und für die Senkung der seit der Gesundheitsreform erhöhten Patienten-Selbstbeteiligungen. Gesundheitsdienstleister, denen die Reform Sanierungsopfer abverlangt hatte, verlangen deren Rückzahlung, allen voran der Ärzteverband. Die CNS-Verwaltung wiederum möchte die Kassenreserven aufstocken, weil sie neue Ausgaben kommen sieht: etwa, falls der Kollektivvertrag im Spitalsektor, über den derzeit verhandelt wird, die Karrieren des Pflegepersonals so aufwertet, wie sich das aus der Reform des Staatsbeamtenstatuts ergibt. Für die UEL muss aus der guten Finanzlage eines folgen: Runter mit den Beiträgen.
„Große, wirklich systemische Leistungsverbesserungen“ werde die UEL ablehnen, sagt ihr Generalsekretär Nicolas Henckes. Stattdessen werde man auf einer Beitragssenkung bestehen. Und Nein zu mehr Geld für Brillen oder Zahnkronen lässt sich offenbar leichter sagen, wenn man hinzufügen kann: „Oder ihr bezahlt das ohne uns, wir wollten sowieso gehen.“pf