Nach der etwas verfrühten Rücktrittsankündigung von Wirtschaftsminister Jeannot Krecké vergangene Woche ist seine Partei dabei, einen Nachfolger zu bestimmen. In der Regel ist die Suche nach geeigneten Ministern einfacher, als vielfach angenommen. Meist handelt es sich um die Erstgewählten der Regierungsparteien in den einzelnen Wahlbezirken. Nach diesem Prinzip wäre es nun an dem ehemaligen Fraktionsvorsitzenden Ben Fayot, für den die Aussicht auf Ministerehren aber etwas zu spät zu kommen dürfte. Das weckt wiederum das Interesse bei dem einen oder anderen schlechter gewählten Kandidaten im Zentrum und in anderen Bezirken.
Die Parteispitze scheint bemüht, solchen Ehrgeiz zu zügeln. Auch wenn – von Jean Asselborn abwärts – manche ihrer Mitglieder am eigenen Leib erfahren mussten, dass sich die Wahl eines Ministers nicht immer pannenfrei steuern lässt. Doch die LSAP, die im Parlament nur halb so stark ist wie der Koalitionspartner, bemüht sich, die mangelnde Quantität an Soldaten durch die Qualität der Offiziere auszugleichen. Was ihr gar nicht so schlecht gelingt, da ihre Minister in den vergangenen Jahren oft eine bessere Figur abgaben als der eine oder andere CSV-Kollege.
Aus diesem Grund gilt der Erste Regierungsrat im Wirtschaftsministerium und ehemalige Kayler Schöffe Étienne Schneider derzeit als Favorit. Schneider ist der Krecké-Mann: Er war Fraktionssekretär der LSAP, als Krecké Fraktionspräsident war, und als Krecké 2004 Minister wurde, nahm er seinen Vertrauten mit in sein Ministerium, wo er ihn mit der Generaldirektion beauftragte und so zu seinem inoffiziellen Stellvertreter machte. Damit wäre gewährleistet, dass der neue Wirtschaftsminister seine Akten mindestens so gut kännte wie der alte, die Übergangszeit zum Einarbeiten also entfiele. Was nicht unwichtig in einer Zeit ist, da die wirtschaftlichen Aussichten mehr als ungewiss sind.
Verschiedentlich wird außerhalb und ein wenig auch innerhalb der LSAP Herrn Schneider vorgeworfen, es an demokratischer Legitimation für das hohe Amt fehlen zu lassen, da er nicht gewählt ist und nicht einmal bei den Kammerwahlen kandidiert hatte. Doch in Wirklichkeit wäre das selbstverständlich ein weiterer seiner Vorzüge. Denn vergleichbar mit der Ministerin der Mittelständler, dem Minister der Landwirte und dem Finanzminister der Bankiers ist der Wirtschaftsminister der Minister der Industrieunternehmer. In dieser Rolle fühlen sich Mitglieder der Sozialistischen Arbeiterpartei verständlicherweise in einer unbequemen Lage. Weil sie in der ständigen Furcht leben, von den Angehörigen ihres Zuständigkeitsbereichs von oben schief angesehen zu werden, wollen sie stets ein Übersoll erfüllen und vielleicht sogar etwas am sozialem Aufstieg ihres neuen Milieus teilhaben. Doch wie [-]Jacques F. Poos, Robert Goebbels und Jeannot Krecké bezeugen können, machen sie sich damit selbstverständlich bei ihren Parteigenossen, den befreundeten Gewerkschaften und – schlimmer noch – bei ihren Wählern verdächtig.
Wenn ein sozialistischer Wirtschaftsminister aber sowieso dazu verurteilt ist, Politik für eine Bevölkerungsgruppe zu machen, von der er sicher weiß, dass sie ihn nie wählen wird, ist es genau so gut, ja, vielleicht sogar besser, wenn er überhaupt nicht gewählt und rechenschaftspflichtig ist. Das schafft ihm den nötige Spielraum, um sich ganz in den Dienst seines Ressorts zu stellen und für seine Partei heterodoxe Ansichten, etwa zur automatischen Indexanpassung, zu vertreten. Die aktuellen Beispiele Griechenlands und Italiens zeigen, dass Politiker sich in Krisenzeiten gerne Technokraten nennen.