Wie ein Untersuchungsrichter trat der CSV-Abgeordnete Michel Wolter gestern in der Abgeordnetenkammer auf, als Umweltministerin Carole Dieschbourg (Grüne) sich zum Gartenhaus von Roberto Traversini äußerte. Fast eine Stunde lang sprach Wolter, resümierte nicht nur, was die CSV-Fraktion bisher an Fragen und Zweifeln, ob Traversini bevorzugt worden sei, geäußert hatte. Er führte auch neue Argumente an, berief sich auf Zeugen und präsentierte zwei Datenträger mit Fotos. Die sollen unter anderem zeigen, dass der frühere Differdinger Bürgermeister an seiner Laube am Rande des Naturschutzgebiets Prënzebierg weiterarbeiten ließ, während im Umweltministerium und dessen Verwaltungen das Genehmigungsverfahren lief. „Das gebe ich dem Staatsanwalt!“, rief Wolter in den Plenarsaal.
Inwieweit all das, was die CSV-Fraktion mit Ermittler Wolter an der Spitze recherchiert hat, die Umweltministerin belastet, ist schwer nachzuvollziehen. Zu detailreich ist das Dossier, und es nimmt viele Bezüge auf Naturschutz-, Kommunalplanungs- und Gemeindegesetz sowie auf Ausführungsbestimmungen. Aber darum ging es gestern nicht in erster Linie. Die schiere Masse an Informationen, dargebracht von einem früheren Innenminister, der sich in Genehmigungsfragen natürlich auskennt, reichte aus, um den Eindruck aufkommen zu lassen, dass an den Anschuldigungen zumindest etwas dran sein könnte. Und nachdem vergangenen Freitag CSV- Fraktionspräsidentin Martine Hansen und der Abgeordnete Claude Wiseler ziemlich albern wirkten, als sie die Traversini erteilte Genehmigung zur Renovierung seiner Laube „illegal“ nannten, aber noch nicht sagen wollten, was das für Konsequenzen haben sollte, legte gestern Wolter der Umweltministerin den Rücktritt nahe.
Politisch betrachtet, sind Timing und Dramaturgie der CSV-Aktion auffällig. Die größte Oppositionsfraktion präsentierte sich zunächst als gründliche Ermittlerin, ehe sie den Kopf der Umweltministerin unmittelbar im Anschluss an die Debatten über die Erklärung des Premiers zur Lage der Nation verlangte. Einer Erklärung, in der Xavier Bettel auffällig Politikthemen herausgriff, die der grüne Koalitionspartner bearbeitet; das schien ein implizites Bekenntnis zur Koalition mit den Grünen zu sein. Eindeutig hinter die Umweltministerin aber stellte der Premier sich gestern nicht; anders als etwa Jean-Claude Juncker seinerzeit LSAP-Arbeitsminister Nicolas Schmit in Schutz nahm, nachdem der auf einem Polizeirevier das Regierungsmitglied herausgekehrt hatte. Und während die LSAP-Fraktion gestern von einer „Hetzjagd“ auf die Ministerin und ihre Beamten sprach, war seitens der DP die Rede von derzeit mangelnden Beweisen. Damit sind die Grünen, die Wahlgewinner von 2018, angeschlagen. Ausgerechnet zu einer Zeit, da die Regierung den Energie- und Klimaplan ausarbeitet und noch überhaupt nicht klar ist, wie Luxemburg seine Ziele erreichen soll. Und nicht einmal eine Woche vor dem Depot des Staatshaushaltsentwurfs 2020, wo der Finanzminister Ideen zu ökologischen und Klimaschutzsteuern präsentieren werde – wie François Bausch, Claude Turmes und Carole Dieschbourg das bisher jedenfalls sagten. Ob das so sein wird? Sehr wahrscheinlich ist, dass die Grünen für den Verbleib in der Regierung einen politischen Preis werden zahlen müssen und ihnen die erste Rechnung schon dieser Tage vorgelegt werden könnte.
Dabei war, wie sich am Ende der Debatte gestern zeigen sollte, das Ganze auch vonseiten der CSV nicht ernster gemeint als ein politisches Spiel. Michel Wolter demontierte sich und seinen Auftritt, als er einen Entschließungsantrag einreichte, der die Regierung aufforderte, alle illegal in Grünzonen errichteten Bauten nachträglich zu genehmigen. Ein Untersuchungsrichter ruft natürlich nicht zum Rechtsbruch auf. Ein Abgeordneter, der einen kleinen politischen Sieg auskosten möchte, kann das schon mal tun.