Was ist demokratischer: Wenn jedes Mitglied nach Lust und Laune zum Parteikongress kommen kann und ein Stimmrecht hat oder wenn gewählte Delegierte dieses für ihn tun? Das war, außer den Neuwahlen von Parteisprecher und Parteirat, die Kernfrage, mit der sich Déi Gréng am vergangenen Samstag auf ihrem statutarischen Kongress im Münsbacher Kulturzentrum auseinandersetzten. Neu ist sie nicht: Schon im Dezember 2005 steckten einige Grüne die Köpfe zusammen, um über eine Reform der 1995 verfassten und mehrfach geänderten Statuten zu beratschlagen: die umständlichen Wahlprozeduren für die Parteigremien, die unklare Rolle der Parteisprecher, die mangelhafte interne Kommunikation waren nur einige von vielen Diskussionspunkten, welche die Arbeitsgruppe im Laufe ihrer Beratungen zusammengestellt hatte und zu denen sie nun ein Feedback der Basis wünschte.
Hintergrund für die Suche nach neuen Wege ist nicht zuletzt der Erfolg der Grünen: Weil Déi Gréng bei den vergangenen Gemeindewahlen noch einmal zugelegt hatten, fehlt es auf nationaler Ebene an Nachwuchs – dies trotz steigender Mitgliederzahl. Parteiangaben zufolge liegt sie derzeit bei rund 530 Mitglieder, allerdings lässt die Kongressbeteiligung mit durchschnittlich 60 bis 100 Personen stark zu wünschen übrig.
Angeregt von Wortführer Felix Braz und vorgestellt von Evandro Cimetta, wollte die Statuten-Arbeitsgruppe daher über die Einführung eines Delegiertenprinzips nachdenken. Man wolle so „Entscheidungswege transparenter und effizienter machen“, sagte Cimetta dem Land. Ähnlich wie in anderen Parteien würde jede Sektion, abhängig von ihrer Größe, eine bestimmte Anzahl von Vertreter wählen, die ihrerseits dann quasi „verpflichtend“ an den Kongressen teilnehmen und dort stimmberechtigt wären. Die Kongresse stünden auch weiterhin der gesamten Parteibasis offen – allerdings ohne Stimmrecht.
„Das würde die Abschaffung des basisdemokratischen Prinzips bedeuten“, warnte Manuel Huss, Sohn des Abgeordneten Jean Huss, in seiner Rede und wurde in seiner Ablehnung unter anderem von Nuria Garcia unterstützt, Tochter der grünen Düdelinger Gemeinderätin Colette Kutten und von Déi Gréng-Begründer Robert Garcia. Dass gerade der grüne Nachwuchs als Hüterin der traditionellen Werte auftrat, ist bemerkenswert; die Befürworter des Delegiertenprinzips dagegen sind entweder Quereinsteiger wie der angehende Jurist und Zentrums-Grüne Evandro Cimetta, aber auch prominente Abgeordnete wie Felix Braz und Fraktionschef François Bausch, die die Professionalisierung innerhalb der Partei vorantreiben wollen.
Dass sich die Jugendsektion, die in großer Zahl und mit einigen unbekannten Gesichtern gekommen war, geschlossen für den Status quo einsetzte, kommt nicht von ungefähr: Sie hat als eine der dynamischeren Sektionen der Grünen in den letzten Jahren kräftig zulegen können und hätte bei einem Delegiertenprinzip am meisten zu verlieren. Der wachsende Einfluss der jungen Generation zeigt sich auch in der Wahl der neuen Sprecher: Mit der Rechtsanwältin Sam Tanson (32) und dem Informatiker und Klima-Interessierten Christian Goebel (29) lösen zwei junge Ex-Jonk-Gréng Tilly Metz und Carlo De Toffoli als Spitzenduo ab.
Zu einem neuen Beteiligungsmodus wird es jedoch bis auf Weiteres nicht kommen: Nach einer ungewöhnlich kontroversen Debatte schlossen sich prominente Politprofis wie Claude Turmes oder Tilly Metz dem kategorischen Nein der Jugend an: „Die Partei ist noch nicht groß genug, ich sehe keinen Sinn darin“, begründete Metz ihr Votum. Carlo De Toffoli warnte vor der Gefahr einer „Bürokratisierung“. Zurückbehalten wurde lediglich, die internen Kommunikationswege zu verbessern und über eine neue Job description der Parteisprecher nachzudenken; diesbezügliche Vorschläge sollen auf dem für den 20. März 2010 geplanten Sonderparteitag vorgestellt und entschieden werden.
Ob die Position allerdings, wie das Luxemburger Wort schreibt, der großen Mehrheit der Parteibasis entspricht, muss offen bleiben: Von den 530 Mitgliedern war der allergrößte Teil gar nicht erst erschienen.