Gleich zweimal erhielten die im Parlament vertretenen Parteien vergangene Woche Post von ihren sozialistischen Kollegen. Parteipräsident Alex Bodry wandte sich an die Präsidenten von CSV, DP, ADR und Grünen, LSAP-Generalsekretär Romain Schneider an die Generalsekretäre der vier Parteien. Beide wollten wissen, wie es mit Wahlkampfabkommen für die Kammer- und Europawahlen nächstes Jahr stünde.
Wobei Bodry dazu aufrief, sich doch noch auf eine gemeinsame Regelung für die nunmehr nur noch sechs Kandidaten pro Europawahlliste zu einigen. Auf seine Initiative hin sollen sich die Parteien womöglich Anfang der Woche vom 6. Oktober noch einmal treffen – nachdem neben der DP bisher gerade die LSAP Schwierigkeiten mit einem Verzicht auf Doppelkandidaturen hatte.Auch Romain Schneider hat nicht immer eine glückliche Hand mit seinen Bemühungen um Wahlkampfabkommen. Die letzten Verhandlungen über eine Selbstbeschränkung, zu denen er eingeladen hatte, waren Anfang April 2005 gescheitert. Dabei hatte der Entwurf eines Abkommens für den Gemeindewahlkampf bereits auf dem Tisch gelegen.
Doch die Oppositionsparteien DP und Grüne waren unter anderem gegen ein von den Regierungsparteien CSV und LSAP vorgeschlagenes Verbot von großformatigen Plakatwänden, Fernseh-, Radio- und Kinowerbung. Sie verdächtigten Christlichsoziale und Sozialisten, sich auf diese Weise einen Vorteil verschaffen zu wollen, indem sie den Wahlkampf in die beiden größten Tageszeitungen, die ihnen nahe stehenden Luxemburger Wort und Tageblatt, verlagern wollten.
Die Werbung durch die Presse amie ist seit Jahren bei dem Wahlkampfabkommen einer der größten Streitpunkte. Insbesondere die CSV muss sich immer wieder vorwerfen lassen, die Konkurrenz dadurch zu verfälschen, dass die größte Tageszeitung fast umsonst für sie in ihrem redaktionellen und im Anzeigenteil wirbt. Während Parteien mit kleinen oder ohne befreundete Blätter jede Werbung, die über die staatlich geregelten Tribünen und Podiumsdiskussionen hinausgeht, zum vollen Preis bezahlen müssen.
Einen bemerkenswerten Vorstoß, der die von Luxemburger Wort und Tageblatt unterstützten Parteien bevorzugt hätte, hatte CSV-Spitzenkandidat Jean-Claude Juncker im März 2004 gemacht. Damals kündigte er nn, dass den Parteien während des Wahlkampfs ganz einfach verboten werden sollte, Radio- und Fernsehwerbung zu betreiben. Doch zu diesem Zeitpunkt hatten fast alle Parteien schon Sendezeiten gekauft und Werbespots in Auftrag gegeben, so dass das Verbot nach den Wahlen und 2009 erstmals für Landeswahlen in Kraft treten sollte. Aber daraus ist bis heute nichts geworden.
CSV-Präsident François Biltgen zeigte sich jedenfalls vergangene Woche nicht sonderlich vom Vorstoß des Koalitionskollegen beeindruckt. Auch wenn er dem Vorgang schon eine hohe symbolische Bedeutung zumesse, dass sich die Präsidenten sämtlicher Parteien erneut zusammensetzen und feierlich unterschreiben sollten, auf unfaire Praktiken im Wahlkampf zu verzichten. In ihren Wahlkampfabkommen sehen die Parteien seit über 20 Jahren vor, dass sie sich nicht persönlich beleidigen und verunglimpfen, nicht gegenseitig die Wahlversammlungen stören oder gegenseitig die Wahlplakate herunterreißen.
Doch das war gar nicht die erste Sorge von Generalsekretär Romain Schneider, der geschrieben hatte: „Il nous importerait notamment de connaître la position de votre parti quant au renouvellement de l’accord entre partis visant une certaine limitation des dépenses publicitaires“. Und er zählte auf, was er damit meinte: die Ausgaben für Radio- und Fernsehspots, Plakatwände und Wahlgimmicks. Die kostenpflichtige, kostenlose und bezuschusste Werbung in der Tagespresse nannte auch die LSAP nicht – zumindest darin scheint sie mit der CSV einig zu sein. Neben der zunehmenden Bedeutung des Internet sind als neue Werbeträger im beginnenden Wahlkampf die Werbetafeln der Firma Decaux in der Hauptstadt hinzugekommen, auch wenn ihre Miete manchen Parteien zu kostspielig sein dürfte.
Dabei gibt es in der Frage der Wahlkampfkosten ein neues Moment. Bisher mussten die Parteien lediglich ihre Wahlkampfkosten offen legen, um in den Genuss der gesetzlichen Wahlkampfkostenerstattung zu kommen. Das waren bei den vergangenen Kammerwahlen für die CSV 552 000 Euro, für die LSAP 402 500 Euro, für die DP 287 500 Euro, für die Grünen 220 000 Euro und für die ADR 162 500 Euro. Seit diesem Jahr ist nun das Gesetz über die Parteienfinanzierung in Kraft. Dieses beschränkt auf der Einnahmenseite die Wahlspenden auf natürliche Personen und verlangt die Offenlegung von Spenden über 250 Euro.
Auf der Ausgabenseite verlangt es eine strengere Buchführung der Parteien und ihre Veröffentlichung. Dadurch ist es wesentlich schwieriger geworden, Wahlkampfkosten zwischen Parteien, Fraktionen und Parteiunterorganisationen hin und her zu schieben.Auf der hauptstädtischen Braderie Anfang dieses Monats verteilten fast sämtliche Parteien erst einmal ihre Restbestände alter Kugelschreiber.