Ein eher politischer als biologischer Generationswechsel verursacht derzeit einen bemerkenswerten Wandel in der Alternativ demokratischen Reformpartei, einer der fünf im Parlament vertretenen Parteien, die immerhin im Namen von zehn Prozent der Wähler sprechen kann. Die Gründerväter, Robert Mehlen und Gast Gibéryen, sind müde geworden. Durch den Parteiaustritt Aly Jaerlings und die Erkrankung Jean-Pierre Koepps ist die Fraktion faktisch auf drei Abgeordnete geschrumpft. Dafür geben nun neue Männer ohne politische Mandate den Ton um so lautstarker in der ADR an, wie der neue Generalsekretär, Roy Reding, und der Präsident der Association des hommes du Luxembourg (AHL), Fernand Kartheiser.
Die Alternativ demokratische Reformpartei, zuvor Aktionskomitee für Demokratie und Rentengerechtigkeit, zuvor Aktionskomitee 5/6-Pension für jeden, unterscheidet sich von anderen Wahlvereinen, Splitter- und Protestparteien der Nachkriegszeit vor allem durch ihre Langlebigkeit. Dieser Erfolgt, der nur mit demjenigen der Grünen vergleichbar ist, hat sicher mehrere Ursachen.
Eine wesentliche Ursache für die Langlebigkeit der ADR, die sie von den kurzlebigen Wahlvereinen Unzufriedener unterscheidet, war das Bestehen, bereits bei der Gründung, einer kleinen, aber realen sozialen Wählerbasis. Sie war im Fräie Lëtzebuerger Bauereverband von Robert Mehlen und in der Neutral Gewerkschaft Lëtzebuerg von Gast Gibéryen organisiert. Durch sie gelang es der ADR, von CSV und DP enttäuschte Bauern und sogar kleine Geschäftsleute sowie von LSAP und KPL enttäuschte Arbeiter und kleine Angestellten für sich zu gewinnen, Leute, die sich im Kampf um die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Produktionsstandorts vom sozialen Abstieg bedroht fühlten – und dafür ihren Neid auf Staatsbeamte und ab und zu auch auf Ausländer geschürt bekamen.
Die Wahlergebnisse gaben der ADR vorübergehend Recht. Es gelang der Rentenpartei sogar, diverse Rentenreformen zu überleben, indem sie sich als kleine rechtspopulistische Partei an der Rechten jener CSV ansiedelte, die in ihrem Modernisierungsbestreben den reaktionären Teil ihrer Wählerschaft opfern musste. Der ADR gelang das durch den Rückgriff auf jenen schamlosen Opportunismus, der für populistische Parteien typisch ist. Aber für die Wähler einer Protestpartei ist Lautstärke wichtiger als Kohärenz und Linientreue.
Doch trotz manchmal gegenteiliger Behauptungen identifizieren sich die neuen starken Männer in der ADR kaum noch mit der zeitweiligen Wählerbasis. Von Beruf Selbstständiger, pflegt der Generalsekretär radikal liberale Positionen zu vertreten, die sich kaum mit den Interessen der von Kaufkraftverlust, Arbeitslosigkeit und Wohnungsnot bedrohten Modernisierungsverlierer vereinen lassen. Als Angehöriger der gehobenen Beamtenlaufbahn hat auch der AHL-Präsident andere Sorgen. Sein Steckenpferd ist der Kreuzzug gegen das, was er als ein weltweites feministisches Komplott zu erkennen glaubt, in das selbst biedere CSV-Ministerinnen verwickelt sein sollen.
Das im Frühjahr unterzeichnete Kooperationsabkommen der ADR mit der AHL multiplizierte den Folklorefaktor der vorübergehend auf Seriosität bedachten Partei wieder erheblich. Denn es bescherte der ADR inzwischen manche abstruse Positionen und lässt sie für den Preis einiger Stimmen als willfähiges Instrument einer leicht exotischen Lobby erscheinen.
Aber das passt in die Tradition einer ADR, die eine Valissenaffär erfand und sich für die Geschäftsinteressen eines am Museum für moderne Kunst interessierten Bauunternehmers zur Verfügung stellte. Und den Stammtischen, die aus allem Tun und Lassen einen Beweis für die umfassende Korrumpierbarkeit derer da oben herauslesen, ist das sowieso nicht wichtig.
Zudem ist es nicht die Funktion einer kleinen rechtspopulistischen Partei, an die Macht zu kommen und ihre kurz zuvor zusammengewürfelten Positionen in die Tat umzusetzen. Ihre Funktion ist es vielmehr, die anderen Parteien vor sich her zu treiben. Diese übernehmen dann völlig verängstigt Positionen ihres kleinen Verfolgers und setzen sie ihrerseits in die Tat um. Ein aktuelles Beispiel ist die Reform der Staatsbürgerschaft.