Die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinden Bürmeringen, Schengen und Wellenstein haben sich am 10. Oktober 2010 mit einem teilweise zaghaften Ja mehrheitlich dafür entschieden, die Zukunft des südöstlichsten Zipfels des Landes gemeinsam zu gestalten.
Unter dem Motto „Natiirlech Zesummen Wuessen“ hatten die Gemeinderäte in den letzten Monaten in Zusammenarbeit mit einem Team der RWTH Aachen einen Katalog ausgearbeitet, um den Bürgerinnen und Bürgern der neun Moselortschaften die Vorzüge und die Vision einer großen Gemeinde näher zu bringen. Dies war dann aber auch zugleich einer der Kritikpunkte in den vier Informationsversammlungen, welche im September 2010 stattfanden, bemängelten doch nicht wenige Einwohner, dass die eventuellen Nachteile einer Fusion nicht genügend Beachtung in der Diskussion gefunden hätten.
Unter Vorbehalt der offiziellen Resultate wurde am 10. Oktober 2010 in den nationalen Medien berichtet, dass die Bürger der Gemeinde Bürmeringen mit 77 Prozent, der Gemeinde Wellenstein mit 69 Prozent und die Gemeinde Schengen mit 56 Prozent für die Fusion stimmten. Dies bedeutet jedoch auch, dass 23 Prozent, 31 Prozent respektiv 44 Prozent der gültigen Stimmen gegen den Integrationsprozess gerichtet waren. Dem Hörensagen nach seien es vor allem „zugezogene Bürger“ gewesen welche das Resultat positiv gestaltet hätten, währendem die „alteingesessenen Familien“ möglicherweise mehrheitlich gegen das Projekt gestimmt hätten. These, die es zu beweisen gilt. Denn wenn dem so wäre, dann hätten die „neuen Bewohner“ dieser Region zumindest numerisch das Zepter in die Hand genommen.
Mit 4 200 Einwohnern, 31,42 Quadratkilometer Gesamtfläche, dem größten Weinbauareal in Luxemburg, einer Anbindung an die Saarautobahn und als direkter Nachbar von Deutschland und Frankreich wird die neue Gemeinde Schengen fortan eine andere Rolle im Kanton Remich, im Osten des Landes, im Land und in der Großregion spielen.
„Von der geografischen Lage her betrachtet gibt es keine andere geplante oder angedachte Gemeindefusion, die so auf der Hand liegt wie diese“ so Minister Jean-Marie Halsdorf in ähnlichen Worten kürzlich anlässlich einer Informationsveranstaltung in Remerschen. Roger Weber, Bürgermeister von Schengen, rief dort in Erinnerung, dass es schon mehrmals Ansätze zur Fusion der Gemeinden dieser Region gab, indes die Voraussetzungen nie so günstig waren wie jetzt.
Das Konzept der Fusion beruht größtenteils auf der zehnjährigen Erfahrung, welche die drei Gemeinden im Aufbau von gemeinsam Strukturen errungen haben: Kindertagesstätte, Jugendhaus, Jugendherberge, Maison Relais, Zusammenarbeit in verschiedenen regionalen Zweckverbänden (Wassersyndikat, Abwassersyndikat, und Gewerbezone Triangle Vert). Daneben wurde auch im Bereich des Tourismus im Rahmen der Schengen a.s.b.l. zusammen gewirkt. Die Fusion entspricht aus dieser Sicht einem natürlichen Prozess und einer logischen Konsequenz.
Die Region ist sehr attraktiv und hat in den letzten zehn Jahren sowohl neue Einwohner als auch neue Betriebe angezogen. „Steigende Einwohnerzahlen und dementsprechend wachsende Anforderungen“ (quantitativ und qualitativ) an die Gemeinden bei stagnierenden oder gar „rückgängigen finanziellen Ressourcen“ – so heißt die Funktion, welche es nun gemeinsam zu lösen gilt. Mit dem Zusammenschluss erhoffen die drei Gemeinden sich diesen Herausforderungen besser gewachsen zu sein.
Der politische Impakt der Fusion wird nicht unerheblich sein. In einer Übergangsphase von zwei Legislaturperioden wird man sich vom Majorz- in Richtung Proporzsystem bewegen. Für die Gemeindewahlen am 9. Oktober 2011 werden 14 Gemeinderatsmitglieder gewählt (jetzt 25) und der Schöffenrat wird sich aus vier Mitgliedern zusammensetzen mit einem Bürgermeister (jetzt drei) und drei Schöffen (jetzt sechs). Gewählt wird nach Sektionen, so dass eine Gewichtung im Gemeinderat nach den Einwohnerzahlen zustande kommt: fünf Sitze jeweils für Schengen und Wellenstein, vier Sitze für Bürmeringen. Die Fusion bedeutet also zwangsläufig für mindestens elf der jetzigen Gemeindevertreter, dass sie im neuen Gremium kein Mandat mehr tragen werden. Auch wird es nur noch ein Bürgermeistermandat geben und nur noch die Hälfte an Schöffen – es sei denn, es würde auf das umstrittene „Splitting“ der Mandate zurückgegriffen.
In einer zweiten Phase werden die Sektionen abgeschafft, und ab 2023 soll dann gemäß dem Wahlgesetz dem Proporzsystem entsprechend gewählt werden. Dies ist übrigens eine Sorge von vielen Bürgern, die eigentlich ein Wahlsystem ohne Parteien, bei dem es um die Sache geht, deutlich bevorzugen und diese Form der Mitbestimmung und -gestaltung ungern aufgeben.
Durch den Zusammenschluss muss der Zweckverband „Am Haff“ aufgelöst werden und die Stimmengewichtung in anderen regionalen Gremien wird sich, nicht unbedingt zum Nachteil der neuen Gemeinde, verändern. Gespannt sein darf man auf die Entwicklung im Vereinsleben – welches letztendlich den Kohäsionsgrad der Bevölkerung der Gemeinde zurückspiegelt. Es steht jetzt schon fest, dass mit der neuen Gemeinde ein einziges Feuerwehrkorps entstehen wird. Laut Gesetz vom 2. März 1953 müssten sich auch die jetzigen drei Tourismussyndikate, in welcher Form auch immer, zusammenschließen. Es bleibt abzuwarten, in welche Richtung die Vereine sich in der Großgemeinde entwickeln, stellt man doch schon seit Jahren fest, dass es immer schwieriger wird, genügend Ehrenamtliche zu finden, um die Vereine auf lokaler Ebene erfolgreich und zukunftsorientiert zu führen. Im Bereich Kulturtourismusentwicklung ist vielleicht jetzt der Moment gekommen, die einzelnen Strukturen und Projekten unter ein Dach zu fassen und zukunftsträchtige Konzepte zu erarbeiten.
Das Entwicklungspotenzial der neuen Gemeinde gilt als enorm, könnte man sich doch vorstellen, in einem Zeitraum von 20 Jahren bis auf 5 000 oder 6 000 Einwohner zu wachsen. Man erhofft sich aber auch von der Fusion, dass neue kleine und mittlere Geschäftsbetriebe den Weg in die Gemeinde finden und die wirtschaftlichen Standortvorteile im Raum Schengen zu nutzen wissen. Es gilt also, passende Kulturtourismus- und Gemeindeentwicklungskonzepte, basierend auf der Marke „Schengen“, zu initiieren. Die jetzigen Gemeindeverantwortlichen wollen aber auch alles daran setzen, dem „Haus der Großregion“ in der Gemeinde Schengen seine Heimat zu geben. Der Minister zur Großregion Jean-Marie Halsdorf fand dies übrigens eine hervorragende Idee ,welche es zum gegebenen Moment zu unterstützen gelte.
Aber vor allem soll die neue Gemeinde Schengen die Lebensqualität der Menschen in einer der schönsten Gegenden Luxemburgs verbessern oder zumindest gewährleisten, ohne dabei die Identität ihrer neun Ortschaften und deren Bürger aufzugeben. Dementsprechend haben sich die jetzigen Gemeinderäte auf die Fahne geschrieben, nicht auf kurzfristige glanzvolle Bauvorhaben zu setzen und den 10-Millionen-Fusisonszuschuss der Regierung zu verprassen, sondern eine langfristige und nachhaltige Entwicklung im Einklang mit der Natur und im Interesse aller Bürger anzustreben – eben nach dem Motto „Natürlich Zusammen Wachsen“.
Bis zum 9. Oktober 2011, dem Datum der nächsten regulären Kommunalwahlen, liegt also nun ein arbeitsreiches Jahr vor den Gemeinderäten und -verwaltungen. Zur Umsetzung des Fusionsprojektes bedarf es in den nächsten Wochen eines ausgeklügelten Masterplans, um ab dem 1. Januar 2012 den Bürgerinnen und Bürgern der neuen Gemeinde Schengen qualitativ hochwertige Dienstleistungen anzubieten.