Gibt es einen „digitalen Graben“, der die Generationen trennt – vor allem die Jugendlichen und die Berufstätigen einerseits sowie die Rentner andererseits? Schon möglich, aber das muss nicht so bleiben. Das hat ein Feldversuch ergeben, den Forscher der Uni Luxemburg und des Centre de recherche public Gabriel Lippmann gemeinsam in einem Altenheim durchführten. Sie installierten dort ein elektronisches Bestellsystem. Über einen Touchscreen konnten die Heiminsassen Dinge ihres täglichen Bedarfs via Computer ordern, ihre Mahlzeiten zum Beispiel. Ergebnis: Sämtliche Heimbewohner kamen mit dem elektronischen System nicht nur zurecht, sondern lernten es überdies zu schätzen. Dabei lag das Durchschnittsalter der Bewohner immerhin bei 84 Jahren, der Älteste unter ihnen war 92 Jahre alt.
„Auch Menschen im so genannten vierten Alter haben hohe Lernkapazitäten. Stimmt die Motivation, setzen sie diese Kapazitäten ohne weiteres frei“, sagt Dieter Ferring, Psychologieprofessor an der Uni Luxemburg und Chef der Forschungseinheit Inside. In dem konkreten Fall hätten die Heimbewohner sich beweisen können, dass sie moderne Technik zu meistern im Stande sind.
Der Versuch schlägt eine Brücke zu einem größeren Projekt, an dem Inside – die Integrative Research Unit: Social and Individual Development – im Rahmen eines europäischen Vorhabens beteiligt ist: Ambient Assisted Living heißt ein EU-Programm, das mithilfe moderner Technologien das Leben älterer Menschen vereinfachen will.
Teil davon ist V2me, an dem Inside mit mehreren europäischen Partnern, darunter die Freie Universität Amsterdam und das deutsche Fraunhofer Institut, arbeitet. V2me steht für „Virtual coach reaches out to me“. Entwickelt werden soll eine Software, die es Älteren ermöglicht, durch E-Mail, aber auch Internettelefonie oder einschlägige soziale Netzwerke Kontakte zu pflegen. „Immer mehr ältere Menschen leben allein“, sagt Ferring. „Sie haben ihren Ehepartner, Freunde oder Familienmitglieder verloren oder leben weit entfernt von ihren Kindern.“ Weil Jüngere telefonisch oft nicht gut erreichbar sind, könnten E-Mails als Ersatz dienen – oder über soziale Netzwerke im Web 2.0 sogar eine ganz neue Kontakt-sphäre aufgebaut werden.
Allerdings benötigten Ältere dafür in der Regel Anleitung. „Wurden sie in die neuen Techniken eingewiesen und haben sie sie ausprobieren können, will fast jeder sie weiter nutzen“, berichtet Ferring. Das hätten erste Tests im Rahmen von V2me in den Niederlanden ergeben. Deshalb soll die V2me-Software, die später auf Tablet-Computern laufen soll, nicht nur verschiedene Anwendungen umfassen, die ins Internet führen, damit dort Mails verschickt, soziale Netzwerke genutzt oder Fotos und Videos für andere publiziert werden können. Der vielleicht wichtigste Bestandteil soll der virtuelle Coach sein, der die Nutzer durch die Software führt und bei Bedarf thematische „Übungen“ anbietet, etwa zur Frage: „Wie finde ich Facebook-Freunde“. Nutzerfreundlichkeit habe bei dieser Software einen außer-ordentlich hohen Stellenwert, betont Ferring.
Dass an V2me auch Softwarefirmen beteiligt sind, verwundert nicht. Einerseits, weil sich das Konzept dadurch rascher praktisch umsetzen lässt. Andererseits haben IT-Unternehmen die Älteren als einen noch vielfach unerschlossenen Markt entdeckt. Und da die Lebenserwartung europaweit noch immer steigt, wächst dieser Markt sogar.