Vergangene Woche kündigte Wirtschaftsminister Etienne Schneider (LSAP) während einer internationalen Pressekonferenz ein gesetzliches „Rahmenwerk zur Förderung der künftigen Nutzung von Weltraumressourcen“ an: „Luxemburg ist das erste europäische Land, das seine Absicht anmeldet, einen gesetzlichen Rahmen zu schaffen, mit dem private Unternehmen, die im Weltraum arbeiten, ihrer Rechte auf die Ressourcen sicher sein können, die sie schürfen, beispielsweise seltene Mineralien von Asteroiden“. Deshalb werde „in naher Zukunft ein attraktives Rahmenwerk geschaffen, um Investoren Sicherheit zu bieten, die aus der Ausbeutung natürlicher Ressourcen, die im Weltraum verfügbar sind, ein Geschäft machen wollen“.
Wie diese Neuerfindung und Umkehrung des historischen Minengesetzes von 1870 aussehen soll, wollte der Minister nicht sagen. Derzeit würden noch Regierungsberater die Sachlage prüfen. In drei oder vier Monaten würden sie dann Vorschläge für ein entsprechendes Gesetz unterbreiten, dessen Entwurf vor Ende des Jahres im Parlament hinterlegt werden soll.
Der wagemutige Wirtschaftsminister hat erkannt, dass die technische Entwicklung dabei ist, eine ursprüngliche Akkumulation außerhalb der Erde zu erlauben. So wie vor Jahrhunderten Afrika oder Nordamerika zum herrenlosen Besitz erklärt und später mittels Kriegen und internationalen Konferenzen unter den Kolonialstaaten aufgeteilt wurden. Deshalb soll Luxemburg als eines der ersten Länder die Grauzonen des bestehenden Völkerrechts im Interesse privater Anleger nutzen oder die Überwindung des kurzerhand für überholt erklärten Rechts forcieren, um dadurch Anleger nach Luxemburg zu locken.
Am 30. April vergangenen Jahres gründete der erste dieser Anleger, die Deep Space Industries, mit einem Mindestkapital von 12 500 Euro die Gesellschaft Deep Space Industries Europes.à r.l. mit Sitz auf 19, rue de Bitbourg in der Hauptstadt. Die im Steuerparadies Delaware niedergelassene Deep Space Industries ist, neben Planetary Resources, eine der beiden US-Firmen, die ankündigten, Asteroiden anzufliegen, um dort auf der Erde seltene Rohstoffe und Wasser zu gewinnen.
Technisch scheint es keine unüberwindbaren Hindernisse zu geben, Mineralien aus dem All einzuführen. Großherzog Jean bekam schon 1970 und 1973 von den USA Steinchen aus den fast drei Zentnern Mondgeröll geschenkt, das bei den Landungen von Apollo 11 und 17 gesammelt wurde. Sie gehören heute als Dauerleihgaben zur Sammlung des Naturhistorischen Museums. Ob angesichts des enormen technischen Aufwands der außerirdische Bergbau aber in absehbarer Zeit wirtschaftlich rentabel sein wird, ist noch nicht abzusehen.
Doch die seltensten Rohstoffe bleiben im Weltall wertlos, so lange sie oder ihr Gegenwert nicht in die irdische Kapitalzirkulation eingebracht und zu Geld gemacht werden können. Zu diesem Zweck muss eine juristische Fiktion geschaffen werden, mittels der die Himmelskörper in einem ersten Schritt liberalisiert und, wie die Geschichte lehrt, in einem zweiten wohl privatisiert werden. Diese juristische Fiktion widerspricht jedoch teilweise dem Völkerrecht, das bisher die Weltraumfahrt regelt.
Die Weltraumfahrt bewegt sich vielleicht in einem schwerelosen, aber keinesfalls in einem rechtlosen Raum. Seit die Sowjetunion 1957 den ersten künstlichen Satelliten und 1961 den ersten Menschen ins Weltall beförderte, ist es den Vereinten Nationen gelungen, fünf Abkommen und fünf Erklärungen über die Weltraumfahrt zu verabschieden. Die grundlegenden Abkommen sind der Weltraumvertrag, das Treaty on Principles Governing the Activities of States in the Exploration and Use of Outer Space, including the Moon and Other Celestial Bodies von 1967, und der Mondvertrag, das Agreement Governing the Activities of States on the Moon and Other Celestial Bodies von 1979. Die anderen Abkommen regeln unter anderem die Zusammenarbeit bei der Bergung verunglückter Astronauten und die Haftung bei Unfällen im All.
Diese Abkommen sind vom Kaltem Krieg und der Entkolonisierung geprägt, das heißt von dem Bemühen, ein Wettrüsten im Weltall zu verhindern und kleine und arme Nationen völkerrechtlich gleichzubehandeln. Deshalb rufen sie zur Zusammenarbeit bei der Erforschung des Weltraums im Interesse der gesamten Menschheit auf und stellen alle menschlichen Aktivitäten im Weltall unter die Verantwortung von Staaten. Außerdem verbieten sie die Militarisierung des Weltraums sowie Gebietsansprüche auf den Mond und andere Himmelskörper: Die Mare Tranquillitatis auf dem Mond kann weder eingezäunt, noch vermietet oder verkauft werden, sie ist Erbe der gesamten Menschheit.
Das Luxemburger Parlament hatte den Weltraumvertrag der Vereinten Nationen von 1967 erst nach 38 Jahren binnen weniger Minuten ratifiziert, um die staatliche Verantwortung bei Unfällen von Satelliten der inzwischen gegründeten SES zu klären. Die Convention on International Liability for Damage Caused by Space Objects von 1972 ist dann auch die einzige andere von Luxemburg ratifizierte UN-Konvention zum Thema. Das Agreement on the Rescue of Astronauts, the Return of Astronauts and the Return of Objects Launched into Outer Space hat Luxemburg 1968 unterzeichnet, aber nie ratifiziert. Den entscheidenden Mondvertrag von 1979 hat Luxemburg bis heute weder unterzeichnet noch ratifiziert, was vielleicht die Skrupel verringert, sich über seine Bestimmungen hinwegzusetzen.
Denn die UN-Abkommen sehen eine privatwirtschaftliche Ausbeutung von Naturschätzen außerhalb der Erde nicht vor und schränken eine staatliche stark ein. Der nun von Luxemburg geförderte Asteroidenbergbau durch gewerbliche Privatunternehmen steht möglicherweise im Widerspruch zu Artikel 1 des Weltraumvertrags, der den Weltraum zur „province of all mankind“ erklärt und in Artikel 2 besagt: „Outer space, including the moon and other celestial bodies, is not subject to national appropriation by claim of sovereignty, by means of use or occupation, or by any other means.“
Artikel 6 des ausdrücklich auch für andere Himmelskörper geltenden Mondvertrags sieht nur die Entnahme von Gesteinsproben zu Forschungszwecken vor: „In carrying out scientific investigations and in furtherance of the provisions of this Agreement, the States Parties shall have the right to collect on and remove from the Moon samples of its mineral and other substances. Such samples shall remain at the disposal of those States Parties which caused them to be collected and may be used by them for scientific purposes.“ Vor der Ausbeutung von Naturschätzen auf dem Mond und anderen Himmelskörpern verpflichten sich die Staaten in Artikel 11, „to establish an international regime, including appropriate procedures, to govern the exploitation of the natural resources“. Außerdem schreibt der Artikel „an equitable sharing by all States Parties in the benefits derived from those resources“ vor. Eine privatwirtschaftliche Ausbeutung wird durch diese Bestimmungen erschwert oder unmöglich gemacht.
Um die privatwirtschaftliche Ausbeutung von Naturschätzen außerhalb der Erde zu fördern, setzten die USA im November ein Gesetz in Kraft, das sich zumindest den Geist der UN-Konventionen hinwegsetzt, den Space Act, „to facilitate a pro-growth environment for the developing commercial space industry by encouraging private sector investment and creating more stable and predictable regulatory conditions, and for other purposes“. Das Gesetz besagt in Paragraf 402: „A United States citizen engaged in commercial recovery of an asteroid resource or a space resource under this chapter shall be entitled to any asteroid resource or space resource obtained, including to possess, own, transport, use, and sell the asteroid resource or space resource obtained in accordance with applicable law, including the international obligations of the United States.“
Die Liberalisierung der Sterne führt zwangsläufig dazu, dass der Geist der Kooperation und der Nutzung im Interesse aller, der die UN-Konventionen bestimmt, dem Konkurrenzgedanken weicht. Deshalb macht die Luxemburger Regierung sich weder bei den Vereinten Nationen, noch in der Europäischen Union für eine gemeinsame Regelung des Asteroidenbergbaus stark. Deshalb wartet sie auch nicht die bis Ende nächsten Jahres laufenden Arbeiten der Hague Space Resources Governance Working Group ab. An dieser Arbeitsgruppe von Weltraumjuristen ist kein Luxemburger beteiligt – auch nicht die Forschungsstelle für Weltraum-, Kommunikations- und Medienrecht der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität, an der der ehemalige CSV-Kommunikations- und Armeeminister Jean-Louis Schiltz lehrt. Luxemburg versucht erneut, einen Wettbewerbsvorteil durch einen gesetzgeberischen Alleingang vor all den anderen europäischen Ländern herauszuschlagen.
Die geplante Luxemburger Gesetzgebung soll nicht allzu weit vom US-amerikanischen Space Act entfernt sein und damit im selben Widerspruch zu den UN-Konventionen stehen. Abzuwarten bleibt, welche Vorteile das geplante Luxemburger Gesetz gegenüber dem US-amerikanischen aufweisen wird. Bietet es den Firmen weniger staatliche Auflagen und Kontrollen? Regelt es die Verzollung von Importen aus dem All günstiger? Der US-Senat hatte mit einem Änderungsantrage die unter das amerikanische Gesetz fallenden außerirdischen Naturschätze auf „abiotische“ beschränkt – vielleicht erlaubt Luxemburg auch den Handel mit außerirdischen Lebewesen...
Allerdings sind aus dem Weltraum abgeleitete Besitzansprüche eine juristische Fiktion. Und Artikel 2 des Weltraumvertrags, in dem sich Luxemburg verpflichtet hat, auf jede nationale Aneignung von Himmelskörpern zu verzichten, verbietet damit implizit auch die Verleihung von Rechtsansprüchen auf Teile dieser Himmelskörper durch nationale Gesetze: Man kann schwerlich Rechtsansprüche auf Äpfel an einem Baum verleihen, der einem nicht gehört. Doch während die USA solche Fiktionen mit ihren diplomatischen und militärischen Mitteln aufrechtzuerhalten verstehen, fehlen Luxemburg diese Mittel.
Bei der Vorstellung des Projekts vergangene Woche meinte der als Regierungsberater verpflichtete ehemalige Generaldirektor der European Space Agency, Jean-Jacques Dordain, schon Jules Verne habe in seinem Roman La chasse au météore die Nutzung von Mineralien aus dem All vorausgesagt. Was Jean-Jacques Dordain nicht sagte: Jules Vernes Roman ist eine beißende Satire auf Raffgier und Spekulation, radikaler als Auguste Blanquis L’Éternité par les astres. Sie wurde erst posthum gedruckt und fast ein Jahrhundert nach seinem Tod zum ersten Mal unzensiert veröffentlicht. Um sich einen Goldmeteroriten streitig zu machen, eilen am Ende des Romans „seize bâtiments de guerre“ nach Grönland, „une escadre internationale comme n’en avaient jamais vu ces parages hyperboréens“. Zuvor hatte sich eine „Conférence internationale“ nicht auf die „répartition des milliards météoriques entre tous les États“ einigen können, weil „ce système, avec des allures socialistes, constituerait une prime à la paresse“.