„Gitt mol an d’Spënnchen. Do rullt de Beki“, rät die Verkäuferin in der Metzgerei in der Redinger Hauptstraße. Sie selbst kann kein Wechselgeld in Beki, der Lokalwährung des Kantons Redingen, geben. Die meisten Kunden zahlten beim Metzger mit Bankkarte, sagt sie. Aber den vor drei Jahren erstmals in Umlauf gebrachten Beki gibt es nur als physische Währung. Deshalb scheiden Banktransaktionen aus.
In ihrem Gemischtwarenladen, der Réidener Spënnchen, serviert die energische Lotty Welfring am Mittwochmorgen Espresso und Cappuchino, verkauft Brot und Gebäck. Die Vorsitzende des Geschäftsverbands kennt wohl die meisten Kunden, die hier einkaufen, persönlich. Ihr Jack Russell bettelt auch die anderen mit großen Augen um Streicheleinheiten an. Dass der Beki hier rollt, bestätigt Welfring. Sie ist Gründungsmitglied des gemeinnützigen Vereins de Kär, der den Beki herausgibt, und Überzeugungstäterin. „Regelmäßig“, sagt sie, zahlten Kunden in der Spënnchen mit Beki. In den vergangenen zwei Wochen etwas seltener, gibt sie zu bedenken. Anfang 2016 laufen die 2013 in Umlauf gebrachten Beki ab – jeweils drei Jahre ist eine Edition gültig. Deshalb mussten nun alle Beki umgetauscht werden und es gibt eine gewisse Unterbrechung im Kreislauf. Welfring ist aber zuversichtlich, dass sich nach der Übergangszeit wieder alles einpendelt.
Dass sie bald wieder neue Beki in der Kasse hat, dafür sorgt unter anderem die Gemeinde Beckerich, Heimat des nach ihr benannten Beki. Die Gemeinde zahlt die Auszeichnungen der besonders guten Schüler zum Jahresende in Beki aus – da werden jeweils mehrere zehntausende Beki in Umlauf gebracht. Um die zwei bis drei Prozent ihres Umsatzes macht sie in Beki, sagt Welfring. Während sie das erklärt, kommt Romain Scheuren herein, Versicherungsagent und einer der Kunden, der regelmäßig in Beki bezahlt. Lotty Welfring zahlt ihre Versicherungen in Beki. „Wann d’Lotty eis der bréngt, kritt et se och zréck“, sagt er. Scheuren gibt seine Beki in den Restaurants in Redingen aus, tankt damit in Niederpallen. Welfring kleidet sich auch mit Beki ein, im Damenbekleidungsgeschäft gegenüber ihres Gemischtwarenladens. Sie bezahlt den Bäcker, der ihren Laden beliefert, in Beki. Dennoch muss sie ab und zu Beki zur Bank bringen und in Euro umtauschen, weil sie nicht alle Beki wieder unter die Leute bringen kann. Dennoch sind sie und Scheuren überzeugt, dass der Beki gut für die Region ist. Nie wurde so viel von der Region um Redingen und Beckerich gesprochen als wegen des Beki, sagt Welfring. Auch Scheuren sieht in der Lokalwährung ein hervorragendes Werbemittel.
Die Beki-Scheine sind etwa so groß wie Spielgeld, auf Sicherheitspaper in der ehemaligen Imprimerie Faber gedruckt, das sich anfühlt, wie Hochglanz-Magazinpapier. Bekis gibt es in einer Stückelung von ein, zwei, fünf, zehn, 20 und 50 Beki-Scheinen, deren Rückseite mit der Werbung der Firmen bedruckt sind, die den Beki als Zahlungsmittel akzeptieren. Mussten Privatpersonen, die Bekis umtauschen wollten, zu Beginn Mitglied im Verein sein, ist diese Bedingung in der Zwischenzeit abgeschafft, um diese Hemmschwelle abzubauen. Nun kann jeder, der Namen und Anschrift mitteilt, in den Banken und Postfilialen des Kantons Beki eintauschen. Mittlerweile gibt es sogar eine Art Zinsen. Wer hundert Euro auf einen Schlag umtauscht – ein Beki entspricht einem Euro – erhält 103 Beki.
Rechtlich gesehen ist der Beki so etwas wie eine Kundenkarte. Nur nicht bei einem Geschäft, sondern bei allen Geschäften und Unternehmen, die sich beteiligen. Um das Geldmonopol der Europäischen Zentralbank im gemeinsamen Währungsraum der Eurozone nicht anzukratzen, ist seine Gültigkeit deshalb zeitlich begrenzt. Die Asbl de Kär hat sich für drei Jahre entschieden – deshalb, bemerkt Versicherungsagent Scheuren, zirkuliert aber auch die darauf gedruckte Werbung drei Jahre lang. Nun aber müssen alle Bekis der ersten Auflage in Euro umgetauscht werden. Dann kommen wieder neue Bekis in Umlauf. Ende 2015 allerdings waren noch 50 000 alte Beki in der Region unterwegs, räumt Max Hilbert, Beki-Projektleiter bei de Kär ein. Die riskieren nach Fristablauf Ende Januar wertlos zu werden.
Hilbert ist mit der Entwicklung zufrieden. Im ersten Jahr, sagt er, wurden monatlich rund 10 000 Beki emittiert. 2014 stieg die Summe auf 15 000 Beki und im zweiten Jahr seien rund 66 000 Beki ständig im Umlauf gewesen. 2015, nachdem die Zugangshürden abgeschafft wurden, waren es mit 120 000 fast doppelt so viele. „Die Unternehmen brauchen eine gewisse Zeit zum Umstellen“, sagt er. Die Firmen, die sich beteiligen, engagieren sich, Rechnungsbeträge von bis zu 200 Euro in Beki anzunehmen. Alles, was darüber hinausgeht, akzeptieren sie auf freiwilliger Basis. „Wir haben ein bisschen von allem“, sagt Hilbert mit Blick auf die Liste der teilnehmenden Geschäftspunkte. Einen Supermarkt, einen Buchhalter, einen Versicherungsagenten; auch die Apotheke in Redingen und der Arzt lassen sich in Beki bezahlen.
Für das Jahr 2015 sind die Statistiken noch nicht abgeschlossen. Aber für 2014 hat Hilbert ermittelt, dass ein Beki im Schnitt 5,5 Mal die Hand wechselte, bevor er wieder in Euro umgetauscht wurde, ein Beki also das 5,5 Fache an Umsatz ausgelöst habe. „Das ist viel“, erklärt Hilbert. Der Chiemgauer, süddeutsche Regionalwährung, habe einen ähnlichen Wert nach zehn Jahren erreicht. Weil es keine Beki-Bankkonten gibt, drehe die Regionalwährung 6,13 Mal schneller als ein Euro zwischen den lokalen Geschäftsleuten und Betrieben. „Das ist flott“, sagt Hilbert. „Das hatten wir gar nicht erwartet. Wir hatten gemeint, die Leute würden sie direkt wieder umtauschen. Aber das Vertrauen war relativ schnell da.“ Für Hilbert erreicht der Beki deshalb seine Ziele: Die Kaufkraft der Verbraucher in der Region zu binden, den Austausch zwischen lokalen Produzenten und Firmen zu fördern.
Dass es so gekommen ist, hat sicher auch damit zu tun dass, die Verbraucher aus der Gegend im lokalen Shopping-Zentrum Pallcenter in Beki zahlen können. Sowohl im Supermarkt, als auch in den anderen Geschäften der Einkaufsgalerie und an der Tankstelle. Der Unternehmerin Christiane Wickler gefällt der „Pioniergeist“ des Beki-Projekts. Im „Wilden Westen“ an der belgischen Grenze, hinter der wie bei den „sieben Zwergen, die sieben Berge“ beginnen würden, habe man immer erfinderisch sein müssen. Der Umsatz in Beki, beobachtet sie, verlaufe parallel zum Umsatz in Euro, zeige zum Monatsanfang, wenn die Gehälter gezahlt sind, die gleichen Spitzen wie in der europäischen Gemeinschaftswährung. Das ist für sie ein gutes Zeichen, das zeige, dass der Beki akzeptiert sei und nicht nur ein paar „Intellektuelle“ den Beki nutzten, weil es „schick“ sei, sondern er in sämtlichen sozialen Schichten unterwegs sei. Ungefähr ein Prozent ihres Umsatzes, abzüglich vom „Grenzgeschäft“ in Treibstoff und Tabakwaren, mache sie in Beki. „Das zeigt, dass es noch viel Potenzial gibt“.
Dennoch stauen sich im Pallcenter beträchtliche Summen an Beki. Denn obwohl Wickler Produkte lokaler Hersteller, beispielsweise Honig, einkauft und lokale Sportvereine in der Regionalwährung sponsert, verstärkt mit lokalen Handwerkern zusammenarbeitet, die den Beki als Zahlungsmittel für Arbeiten akzeptieren, kann sie nicht alle Beki wieder in Umlauf bringen, die Kunden in die Kassen des Pallcenters bringen. Ungefähr die Hälfte der eingegangenen Bekis muss sie deshalb wieder in Euro umtauschen. Und dabei einen Wertabschlag von fünf Prozent hinnehmen, wie es die Regeln des Beki für Unternehmen vorsehen. Von diesem Geld geht ein Teil an die Asbl de Kär und ein Teil an gemeinnützige Organisationen in der Gegend. Für die Geschäftsfrau und kurzzeitige Grünen-Abgeordnete Christiane Wickler stellt dieser Wertabschlag kein Problem dar. Für sie ist der Beki auch ein „Marketing-Instrument“, das ihr erlaubt, sich zur Region zu positionieren, „zu einem anderen Modell“. Und Marketing, sagt sie, „kostet eben“.
So sieht das auch Lotty Welfring, wenn sie Bekis zum Umtauschen zur Bank bringen muss. Der Beki trage dazu bei, die Geschäftswelt in der Kleinstadt Redingen zu erhalten, ist sie überzeugt. Das sehen freilich nicht alle so. „Für diejenigen, die mit kleineren Beträgen zu tun haben, ist der Beki sicherlich eine gute Sache“, sagt eine Geschäftsfrau, die namentlich nicht genannt werden will und beim Beki nicht mitmacht. In ihrem Geschäft zahlen die meisten Kunden mit Karte – da ergebe der Beki wenig Sinn. In den drei Jahren, seit denen es den Beki gibt, hätten vielleicht zwei versucht, in Beki zu zahlen. Kunden habe sie also noch keine verloren, weil sie nicht mitmache. Deshalb bezweifelt sie, dass der Beki zum Erhalt der lokalen Geschäftswelt beträgt. Im Postbüro berichtet die Schalterangestellte, „sechs bis sieben Personen“ würden monatlich Beki umtauschen. „Immer die gleichen.“ Wegen des fünfprozentigen Abschlags beim Umtausch sagt auch der Beki-begeisterte Versicherungsagent Scheuren: „Es ist ein bisschen wie ein Spiel. Wer hat den Beki als letzter in der Kasse?“
Die Sammelstelle Pallcenter hat ihrerseits eine weitere Möglichkeit gefunden, Beki abzugeben: Den Öko-Stromanbieter Eida. Ein Drittel der Stromrechnung, darauf haben sich Eida und Pallcneter geeinigt, kann Christiane Wickler in Beki begleichen. Ein bisschen wie bei den „Cowboys“ sei das, wenn sie mit dicken Beki-Bündeln zu Eida fahre, um zu zahlen, lacht Wickler nicht ohne Selbstironie. Die Bündel lagern dann in der Kasse von Eida. Da endet der lokale Kreislauf meist. Denn Eida hat kaum Möglichkeiten, die Bekis wieder lokal in Umlauf zu bringen. Den Strom, den sie liefert, kauft sie an der Börse in Leipzig, die Netzkosten entrichtet sie an Creos – wo die Firma jeweils in Euro bezahlen muss. Zwar betanke man die Firmenwagen an der Tankstelle im Pallcenter, um ein paar hundert Beki im Monat abzusetzen, aber der Wiederbenutzungsgrad sei „nicht ernorm“ erklärt Sebastien Otten, bei Eida für den Stromkauf zuständig. Nur 0,05 Prozent der erhaltenen Bekis, könnten wieder ausgegeben werden. Das viele Bargeld in der Kasse sei zudem ein nicht ganz unerhebliches Problem, fügt er hinzu. Weil die Bekis nun abliefen, musste Eida 40 000 davon umtauschen und die fünf Prozent Wertverlust hinnehmen. Zum Teil, erläutert Otten, könne man das auf den Strompreis der Beki-Kunden abwälzen, aber eben auch nur zum Teil. So dass die Marge schmilzt. „Es ist nicht so, als ob der Beki eine heiße Kartoffel ist, die sich alle gegenseitig hinschieben“, nuanciert der Manager. Dass Eida die lokale Währung akzeptiere, habe auch Vorteile. Nehme die Firma den Beki nicht als Zahlungsmittel an, riskiere sie vielleicht Kunden wie das Pallcenter zu verlieren. Dennoch, sagt Otten, „dreht der Beki in großen Blöcken zwischen wenigen Akteuren“, weil zu wenige Geschäftsleute mitmachten.