Um die millionenschwere staatliche Pressehilfe gerecht und zeitgemäß zu machen, bedürfte es wenig mehr als guten Willens

Das Einfache, das schwer zu machen ist

d'Lëtzebuerger Land vom 16.02.2018

Beim Neujahrsempfang für die heimische Presse in der steinzeitlichen Abteilung des Museums für Geschichte und Kunst vor einem Monat hatte der auch für Medien und Kommunikation zuständige Premierminister Xavier Bettel (DP) angekündigt, dass er noch vor Ende der Legislaturperiode einen Entwurf zur Reform der staatlichen Pressehilfe vorlegen wolle. Dass die Reform der Promotion de la presse écrite bis zum Sommer auch Gesetz werden kann, sehen LSAP, Grüne und Staatsrat aber möglicherweise anders. Obwohl sich viele Beteiligte schon ausgerechnet haben, ob ihre Interessen besser vor den Wahlen von einem liberalen Xavier Bettel oder nach den Wahlen von einem christich-sozialen Claude Wiseler bedient werden.

Die staatliche Pressehilfe war nach dem Vorbild vieler anderer Länder 1976 von einer DP/LSAP-Regierung eingeführt worden, als erstmals seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs die CSV Oppositionspartei und das ihr nahe Luxemburger Wort Oppositionszeitung waren. Ziel des Gesetzes war es, die Pressevielfalt und die kleineren, LSAP, DP und KPL nahen Tageszeitungen zu erhalten, zu verhindern, dass in Zeiten der kostspieligen Umstellung auf Fotosatz und Offsetdruck das Luxemburger Wort zum Monopolblatt werden könnte. Gemessen an dieser Vorgabe erwies sich das Gesetz als Erfolg.

Auf Druck des Verlags Maison moderne, dessen Magazin Paperjam nicht die Krite­rien erfüllt, um Anspruch auf Pressehilfe erheben zu können, der sich aber 2013 nachdrücklich für den politischen Wechsel eingesetzt hatte, schuf die Regierung vor einem Jahr eine zusätzliche Pressehilfe für Internet-Nachrichten. Sie kommt bisher bloß Zeitungsverlagen zugute.

Die direkte Pressehilfe besteht aus einer für alle gleichen Pauschale, der „part fondamentale“, und einem Zuschuss pro redaktioneller Seite. Ausgehend von den Zeitungszuschüssen im Jahr 2016 und den im Dezember 2017 bewilligten Internet-Zuschüssen beträgt die direkte Pressehilfe derzeit schätzungsweise:

Tageblatt 1,5 Millionen Euro

Quotidien 1,2 Millionen Euro

Jeudi 0,3 Millionen Euro

Revue 0,3 Millionen Euro

lequotidien.lu 0,1 Millionen Euro

lessentiel.lu/de 0,1 Millionen Euro

lessentiel.lu/fr 0,1 Millionen Euro

Editpress gesamt 3,8 Millionen Euro

Wort 1,4 Millionen Euro

Télécran 0,4 Millionen Euro

contacto.lu 0,1 Millionen Euro

wort.lu/en 0,1 Millionen Euro

Sankt Paulus gesamt 2,0 Millionen Euro

paperjam.lu 0,1 Millionen Euro

delano.lu 0,1 Millionen Euro

Maison moderne gesamt 0,2 Millionen Euro

Journal 1,0 Millionen Euro

Zeitung 0,4 Millionen Euro

Lëtzebuerger Land 0,3 Millionen Euro

Woxx 0,3 Millionen Euro

Insgesamt macht die direkte Pressehilfe acht Millionen Euro aus, zu denen noch ungleich verteilte indirekte Vergünstigungen bei der Austragung, beim Versand, bei der Mehrwertsteuer, durch öffentliche Inserate und die Beilage des Kammerberichts kommen. Das luxemburgische Fernsehprogramm von RTL soll ab übernächstem Jahr mit zehn Millionen Euro bezuschusst werden.

Die aus einem politischen Kompromiss heraus geborene Pressehilfe hat neben manchen Vorteilen einige Konstruktionsfehler, die im Laufe der Jahre zu wachsenden Marktverzerrungen führten: Die Zuteilungskriterien sind so definiert, dass die größten Zeitungen mit den höchsten Werbeeinnahmen die meiste Pressehilfe bekommen. Die größten Verlage bekommen mit Abstand am meisten Geld, so dass die Pressekonzentration gefördert wird. Die Bemessung erfolgt teilweise auf der Grundlage der Zahl der redaktionellen Seiten, was zur künstlichen Aufblähung der Seitenzahl ermutigt, wie die Konkurrenz insbesondere dem Editpress-Verlag vorwirft. So wird die Pressehilfe zur Druckereihilfe. Die neue Online-Pressehilfe verlangt eine unsinnige Trennung zwischen Zeitungs- und Internet-­Redaktionen, statt Synergien zu ermöglichen.

Diese Konstruktionsfehler treten nun in der Pressekrise offen zu Tage, wenn die Zahl der Leser und Anzeigen rapide sinkt und auch im Internet kein tragfähiges Geschäftsmodell abzusehen ist als Alternative zur bisherigen, für die Leser günstigen Mischfinanzierung aus Verkauf, Werbung und Pressehilfe. 2011 musste erstmals eine staatlich bezuschusste Zeitung, La Voix du Luxembourg, eingestellt werden, als die verzweifelten Verlage begonnen hatten, ihre eigenen Zeitungen mit Gratisblättern zu kannibalisieren.

Wie die Regierung dieses Dilemma lösen will, ist noch nicht abzusehen. Sie möchte gleichzeitig die staatlichen Ausgaben unter Kontrolle halten, die Erwartungen ihr freundlich gesinnter Verleger erfüllen und sich nicht dem politisch verheerenden Vorwurf aussetzen, zum Totengräber kleiner Zeitungen zu werden. Während seines Neujahrsempfangs hatte Premier Xavier Bettel vage in Aussicht gestellt, statt der Quantität des bedruckten Papiers die journalistische Qualität zu fördern, indem die Pressehilfe an die Größe der Redaktionen gebunden würde. Diese vielleicht sympathische Arbeitsplatzsicherung ist jedoch keine Antwort auf die drohende Trennung zwischen werbefinanziertem Infotainment für die Massen und ernsthafter Berichterstattung für eine kaufkräftige und gebildete Minderheit. Dabei bedürfte es keineswegs einer großen Reform oder eines neuen Gesetzes, sondern bloß drei oder vier Änderungen am bestehenden Gesetz vom 3. August 1998, um die staatliche Pressehilfe ihrem ursprünglichen Zweck zuzuführen und an die neueren Techniken anzupassen.

1 So ist es durchaus möglich, die überholte Trennung zwischen Papier, Radio, Fernsehen und Internet sowie die Beschränkung auf die drei offiziel­len Sprachen aufzuheben und unterschiedslos allen Medien die gleiche Pressehilfe zukommen zu lassen. Voraussetzung ist lediglich, dass die in Artikel 2 festgelegte und mit der Online-Pressehilfe erstmals verletzte Bedingung „f) financée essentiellement par le produit de la vente“ beibehalten bleibt. Denn die Urheber der Pressehilfe waren 1976 von der durchaus vernünftigen Überlegung ausgegangen, dass es nicht an den Steuerzahlern sei, für Zeitungen zu zahlen, die ihren Lesern keine Bezahlung wert seien. So können kostenpflichtige Zeitungen, Sender und Internet-Angebote bezuschusst werden, ganz oder überwiegend werbefinanzierte Blätter, Sender und Web-Seiten aber nicht.

2 Unter diesen Bedingungen wird es möglich, die gegenstandslos werdende Bezuschussung pro Seite durch eine Erhöhung der bestehenden, für alle gleichen Pauschale, der „part fondamentale“, auszugleichen. Denn die Rolle des Staates kann es nur sein, die unterschiedlichen gesellschaftlichen Stimmen zu stärken und nicht den unterschiedlichen Aufwand zu deren Verbreitung zu bezuschussen.

3 Damit die staatliche Pressehilfe in Zeiten der Pressekrise ihr ursprüngliches Ziel, den Schutz der Pressevielfalt, erreicht, drängt sich eine zusätzliche Bezuschussung von Medien mit geringen Werbeeinahmen auf, deren Stärkung durch ihre oft kritischere Einstellung für die Demokratie besonders wichtig ist. Vorbild kann dabei das französische Décret n°86-616 du 12 mars 1986 instituant une aide aux publications nationales d’information politique et générale à faibles ressources publicitaires sein.

4 Dem Schutz der Pressevielfalt kann zudem eine ähnliche Bremse der Pressekonzentration dienen, wie sie mit Artikel 18 des Gesetzes vom 27. Juli 1991 über die elektronischen Medien geschaffen worden war. Darin heißt es: „Aucune personne physique ou morale ne peut détenir des parts dans plus d’une société bénéficiaire pour un programme à réseau d’émission, ni ne peut détenir plus de 25% des parts et des droits de vote dans une telle ­société, y compris les participations indirectes.“ Solche Kartellverbote für Presseverlage gibt es zum Schutz der Demokratie in zahlreichen Ländern.

Um die Pressehilfe zweckgemäß zu reformieren und zu modernisieren, sind also nur wenige Änderungen nötig. Aber vielleicht ist es gerade deshalb, wie Bert Brecht gesagt hätte, „das Einfache, das schwer zu machen ist“.

Romain Hilgert
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