„Unsere Vision: Unangefochtener Weltmarktführer in Bereich Luftfracht werden.“ Das war das Ziel, das sich das Cargolux-Management im Frühling 2011 im Rahmen ihrer damaligen Strategic Revue setzten. Zur Seite standen der Firma damals die Unternehmensberater von McKinsey. Zwischen Anfang März 2011 und Ende April 2011 suchte das Cargolux-Management in diversen Workshops nach einer neuen Firmenstrategie und einem neuen strategischen Partner – deswegen verlangten im Rahmen der Anhörung von Finanzminister Luc Frieden Parlamentarier am Mittwoch die Vorlage besagter Revue. Darin machen sich die Manager erst einmal die Firmenlage bewusst: Zwischen 2005 und 2010 war der Marktanteil von Cargolux am internationalen Frachtflugaufkommen von 3,8 auf 3,3 Prozent gefallen. Seit 2005 haben Fluggesellschaften aus Nah- und Fernost den europäischen Konkurrenten Anteile abgenommen. Anfang 2011 befand sich Cargolux in folgender Situation: Die Auslieferung der neuen 747-8-Maschinen verzögerte sich, für die bestehende Flotte bestanden aber bereits Verkaufsvereinbarungen. Cargolux konnte 2010 trotz hoher Auslastungsraten nicht mit dem sich erholenden internationalen Frachtgeschäft mitwachsen. So setzte sich das Management, damals unter CEO Frank Reimen, zum Ziel, mindestens die verlorenen Marktanteile zurückzuerobern. Einerseits durch organisches Wachstum, das auf Basis von sechs Elementen angekurbelt werden sollte: Das globale Streckennetz, die guten Kundenbeziehungen, ein hochwertiges und preislich attraktives Angebot, eine Verkaufspolitik, die mittelgroße Kunden besser ansprechen und Nischenprodukte gezielter vermarkten solle, der modernen, effizienten Flotte und einem aktiven Bilanzmanagement.
Darüber hinaus sollte Wachstum durch die Allianz mit einem strategischen Partner entstehen. Die Manager stimmten über die verschiedenen strategischen Möglichkeiten ab. Statt des Anschlusses an ein globales Frachtnetz bevorzugten sie die Zusammenarbeit mit jeweils lokalen Partnern. Die Partnerschaft mit einer chinesischen Frachtgesellschaft fanden sie geschäftlich etwas interessanter, aber dafür auch ein wenig risikoreicher als die mit einer Gesellschaft aus dem Nahen Osten oder einer reinen Frachtgesellschaft, wie sie Cargolux selbst ist. In der zweiten Abstimmungsrunde stimmte das Management über seine Präferenzen und schnelle Umsetzungsmöglichkeiten ab. Als favorisierte Option schälte sich deutlich die Allianz mit einem Partner aus demNnahen Osten heraus. Als mögliche Partnerairlines wurden untersucht: IAG, Holding von British Airways und Iberia, Qatar Aiways, Yangtze River Express, Singapore Airlines, Airbridgecargo und Japans NCA. Am besten schnitten im Ranking Qatar Airways und Singapore Airlines ab, sie erhielten 2,25 von drei möglichen Punkten. Beide wurden als finanziell stark bewertet, gegen Qatar sprach der Mangel an Transparenz und Informationen über die Finanzen und die Compliance-Politik, dafür: die Möglichkeit, Luftfracht nach Luxemburg zu verlagern. Für Singapore Airlines sprach die Transparenz, gegen sie ihre starke Niederlassung in Brüssel, die eine Frachtverlagerung nach Luxemburg unwahrscheinlich mache. Yangtze schnitt am schlechtesten ab, weil die Firma selbst Verluste schrieb, die Rolle der chinesischen Regierung als unklar betrachtet wurde, es an Transparenz mangele und sie Luxemburg ohnehin schon anfliege. Ob allerdings Qatar Airways so gut abschnitt, weil zum Zeitpunkt der Analyse die Absichtserklärung zum Kauf der Cargolux-Anteile schon unterzeichnet war, geht aus den Unterlagen nicht hervor. Das Memorandum of Understanding mit Qatar, das Mitte März unterzeichnet worden war, wurde den Mitarbeitern im Mai noch als „nicht-bindend“ dargelegt.
Véronique Poujol
Kategorien: Luftfahrt, Wirtschaftspolitik
Ausgabe: 16.11.2012