Piet van Luijk aus Consdorf ist einer der drei Luxemburger Tierfutterhändler. Und er kennt sich aus im Agrarbusiness. Das muss er auch, denn seit zwei Jahren handelt er nur noch mit Ware, die frei ist von genetisch veränderten Organismen (GVO). „Das wollte ich eigentlich schon immer“, erzählt er. „GVO-freie Lebensmittel muss man sozusagen füttern, sonst klappt das nicht.“ Wie die Dinge liegen, ist van Luijk einer der wichtigsten Akteure bei den Bemühungen, der heimischen Lebensmittelproduktion zu einem Label „sans OGM“ zu verhelfen.
Landwirtschaftsminister Romain Schneider (LSAP) ist ebenfalls ein wichtiger Akteur. Vor knapp vier Jahren schob er die Diskussion um ein solches Label an, um eine „Qualitätsnische“ zu schaffen oder „zumindest einen starken Punkt zu setzen“, wie er heute sagt. Immerhin: Umfragen von TNS Ilres und Eurobarometer zufolge, herrscht in der Luxemburger Bevölkerung gegenüber keiner Errungenschaft der Biotechnologie so viel Antipathie wie gegenüber „Genfood“. 80 Prozent der Leute wollen davon nichts auf ihrem Teller sehen. Am 11. Oktober kam Luxemburg diesem Wunsch ein Stück näher. Da gab das CSV-LSAP-Kabinett in seiner vorletzten Sitzung vor den Wahlen dem Entwurf für eine Verordnung grünes Licht, durch die das Label eingeführt werden soll, das Nourri sans OGM heißt.
Was für ein beachtlicher Schritt das ist, erkennt man am besten mit einem Blick auf das große Agrargeschäft. In der EU müssen bisher, neben Tierfutter, nur Lebensmittel pflanzlichen Ursprungs als GVO-haltig gekennzeichnet werden, wenn darin der GVO-Anteil 0,9 Prozent überschreitet. Deshalb ist immer mal wieder die Rede von Produkten wie „Gen-Popcorn“.
Tierische Produkte, also Fleisch, Milchwaren und Eier ebenfalls zu kennzeichnen, ist dagegen den Mitgliedstaaten überlassen. Nur Österreich, Deutschland und Frankreich haben das bisher getan. Eine einheitliche EU-Regelung scheiterte vor zehn Jahren am Lobbying großer Agrar- und Biotech-Konzerne in Brüssel und an Deals in der Welthandelsorganisation WTO. Denn Kraftfutter für Milchkühe, Maststiere oder Legehennen besteht vor allem aus Soja, von dem die EU so viel importiert, dass dafür 30 Prozent der Anbaufläche in Brasilien und Argentinien aufgewandt werden. Der allergrößte Teil des Importsojas ist, was viele Verbraucher gar nicht wissen, genmanipuliert. Wer keine Bioware kauft, die von vornherein GVO-frei sein muss, kann deshalb damit rechnen, dass in einem Steak, einem Glas Milch oder einem Ei aus konventioneller Agrarproduktion GVO stecken. Weil Luxemburg Jahr für Jahr an die 70 000 Tonnen Soja vom amerikanischen Kontinent importiert, ist es keine Insel. Mag die Bevölkerung auch GVO-kritisch eingestellt sein, und mögen acht von zehn Gemeinden im Lande sich mittlerweile zu „GVO-freien Zonen“ erklärt haben.
Dabei gibt es GVO-freie Soja sehr wohl. Sie ist nur teurer. „Der Mehrpreis pro Tonne lag lange bei 40 Euro, heute sind es 130 bis 180 Euro“, weiß Piet van Luijk. „Da sind unsere geschäftlichen Kontakte gefragt, um an möglichst günstige Lieferverträge zu kommen.“ Das ist es, was ihn zu so einem wichtigen Akteur um das GVO-frei-Label macht: Er steht am Anfang der Lieferkette, soll preiswert einkaufen, und wenn die GVO-Freiheit des Tierfutters kontrolliert wird, wird viel davon abhängen, ob er dafür Sorge zu tragen verstand, dass es nicht etwa Verunreinigungen mit GVO-Futter gab.
Eine besonders brisante Frage bei den Diskussionen um das Label mit Minister und Bauernverbänden war lange Zeit die nach den Mehrkosten, die ein Bauer hätte, der auf GVO-freies Füttern umstiege. Würden sie sich auf die Verbraucherpreise umlegen lassen?
Ganz einfach ist das anscheinend nicht. In den letzten 24 Monaten haben neben dem Futtermittelhändler aus Consdorf noch zwei andere konventionelle Betriebe den Schwenk auf GVO-frei vollzogen. Es waren Pilotbetriebe, mit denen der Minister testen ließ, wie sich die Fütterung ohne GVO kontrollieren lassen würde. Einer der Pilotbetriebe ist der des Eierproduzenten Tom Mathay aus Michelau. Er war der Pionier gewesen, stellte schon vor zwei Jahren um und ließ für sich das Label entwerfen, das nun der Staat übernehmen und verwalten wird. Hühnerfutter-Mehrkosten von 1,80 Euro pro Kilo entstünden durch den Wechsel auf GVO-frei, so Mathay. „Das klingt nach viel, aber ich brauche mehr als 30 Tonnen die Woche.“
Leider jedoch mache der Umstieg sich nur langsam bezahlt. „Meine Kundschaft ist treu.“ Aber dem Handel sei nicht leicht zu vermitteln, dass der Bauer durch Nourri sans OGM Zusatzkosten hat: „Da herrscht oft Sorge um die Margen.“ Die Supermarktkette Delhaize habe sogar erklärt, für 2014 akzeptiere sie von ihren Lieferanten keinerlei Preiserhöhungen. „Da steht man dann da und kann nichts machen.“
Dass die Vermarktung der neuen Produkte nicht ganz ohne ist, kann auch Claude Thiry berichten, Milchproduzent in Schouweiler. „Was das GVO-freie Füttern auf den Liter Milch im Gestehungspreis ausmacht, kann ich noch nicht sagen, das müssen wir noch sehen.“ Thiry hat erst im April dieses Jahres umgestellt, daneben aber auch eine eigene Molkerei auf seinem Hof eingerichtet. Bislang gewinnt er dort Frischmilch, die vor Ort eingetütet wird und die er zum Teil auf dem Hof verkauft, den Rest an den Einzelhandel liefert. Für die Geschäftsidee GVO-frei plus Hofmolkerei hat er sich ein bis zwei Jahre Startphase gegeben.
Wie der Handel die Milch annimmt? – „Das ist unterschiedlich.“ Es hänge von den Geschäftsführern der Läden ab, „was sie aus der Milch Nourri sans OGM machen, wie sie sie platzieren“. Von den Haupteinkäufern hänge ab, ob sie die Milch überhaupt nehmen. „In den Cactus zum Beispiel komme ich nicht rein“, sagt Thiry, „das haben die so entschieden.“ Die belgische Colruyt-Discounterkette dagegen habe von sich aus nach der GVO-freien Milch gefragt. „Damit hatte ich gar nicht gerechnet.“ Insgesamt verkaufe die Milch sich gut.
„Keiner der drei Betriebe, die umgestellt haben, kennen Absatzverluste, sie verkaufen sogar mehr“, erklärt Maurice Losch, der Sekretär der Fédératioun Liewensmëttel ouni Gentechnik (Flog). Aber: Ihre Nische bekommen die neuen Produkte nicht geschenkt. „Die Cactus-Gruppe begrüßt natürlich das neue Label, aber unser Milchangebot ist mit zwei Sorten Biomilch und der Luxlait-Frischmilch schon groß genug“, sagt Pressesprecherin Karin Pütz.
Damit wird der Erfolg des Labels und der Nourri sans OGM-Bewegung sich stark daran entscheiden, ob sich die heimische konventionelle Tierhaltung im großen Stil zu GVO-freier Fütterung bewegen lässt. Der Landwirtschaftsminister hatte das anfangs gehofft, aber das war nicht konsensfähig mit den Bauernverbänden. Vor allem der größte Verband, die Bauernzentrale, hielt darauf, dass der Landwirt „die Wahl“ haben müsse. So dass sich nun alles bottom-up ergeben soll – sobald mit der neuen Verordnung der rechtliche Rahmen dafür besteht.
Piet van Luijk schätzt, dass das Potenzial „ziemlich groß“ ist. „Schon jetzt beliefere ich auch Betriebe, die GVO-frei füttern, aber das noch nicht ins Fenster stellen.“ Dass die Verbraucher die neuen Produkte wollen, steht für van Luijk ebenfalls fest.
Bleibt abzuwarten, ob die teilnehmenden Betriebe eine kritische Masse erreichen. Eine, die etwa dazu führt, dass auch Verarbeitungsbetriebe Nourri sans OGM aktiv vermarkten. Flog-Sekretär Losch hofft, dass eines Tages ein Unternehmen wie Luxlait ganz auf GVO-frei setzt. „Mal sehen: In unserem kleinen Land ergibt sich so etwas manchmal ganz schnell.“