Ach, wie schön ist doch das herbstlichbunte Müllerthal. Wildromantische Wasserfälle. Tiefer Tann. Phantasievolle Felsformationen. Es war längst überfällig, dass diese Landschaft die Szene für einen Spielfilm hergeben sollte. Die deutsch-luxemburgische Produktion Die dunkle Seite des Mondes holt dieses nun endlich nach, um Kinogänger zu verwirren, die alsbald glauben werden, dass das Müllerthal irgendwo im Taunus unweit und mit Blick auf die Bankenmetropole Frankfurt zu finden ist. Auch ist zu befürchten, dass nach Ende der Dreharbeiten die natürliche Fauna des luxemburgischen Landstrichs ausgerottet war. Aber das sind nur Randnotizen, die im Grunde genommen zu vernachlässigen sind. Im tiefen Grund des Müllerthals. Auf der dunklen Seite des Mondes.
Der Plot des Films ist schnell erzählt: Das klischeehafte Abbild eines geldgeilen, machthungrigen, skrupellosen Bankers Urs Blank (Moritz Bleibtreu) treibt einen älteren, jovialen Nebenrollen-Firmenpatriarchen durch Vertragstricksereien in den Suizid. Auf dessen Beerdigung verläuft sich der Banker im naheliegenden Müllerthal-Wald und trifft auf eine Öko-Hippie-Mittelaltermarktstand-Tusse (Nora von Waldstätten) mit mondäner, perfekt eingerichteter Vintage-Wohnung in einem besseren Viertel der naheliegenden Stadt. Zu dieser erhält der Banker nach dem ersten Beischlafevent die Schlüssel. Die Ich-liebe-einen-Banker-und-benutze-Feuchtigkeitslotion-Grünen-Wählerin lädt den immer bösen Banker an einem verregneten Samstagnachmittag ein zu einem bewusstseinserweiternden Besuch bei einer befreundeten Trommel-Batik-Truppe. Übermäßiger, unverantwortungsvoller, unkontrollierter Drogenkonsum bringt das Tier im per-se-bösen Banker zum wahllosen Morden, was ein dubioser Geschäftspartner (Jürgen Prochnow) für sich zu nutzen weiß, der die meiste Zeit des Films damit beschäftigt ist, die Fensterscheibe seines Millionenautos hoch und runter zu fahren. Teure Autos rasen durch die Nacht, über Feldwege, durch Straßenschluchten. Partys werden gefeiert. Eine Katze stirbt. Die Polizei kommt dem Geldmenschen auf die Schliche. Der Therapeut (Luc Feit) des Bankers oder seiner Ehefrau leistet schließlich Fluchthilfe, damit es zum Showdown im pittoresk-postkarten-schönen Müllterthal kommen kann, in dem eindeutig zu viele hoch dosierte Nebelmaschinen, dressierte Wölfe und rheinland-pfälzische Polizeiautos zugelassen sind.
Das Drehbuch entstand nach der literarischen Vorlage des gleichnamigen Romans von Martin Suter. Während in dessen Werk die Persönlichkeitsveränderung der Hauptfigur Blank großen Raum einnimmt, ist diese in der Verfilmung schnell, kurz und knapp dargestellt: Pilz kauen, ins Müllerthal laufen, zurückkommen, Frau schlagen, fertig. Konflikte um Skrupel zwischen der mordenden, gewalttätigen Persönlichkeit des Bankers, der sich doch noch eine Spur an Menschlichkeit und Gewissen erhalten hat, kommen unglaubwürdig des Wegs. Überhaupt ist die Zeichnung der Charaktere viel zu schablonenhaft, klischeebeladen und nervend naiv, was auch am beschränkten Spiel von Hauptdarsteller Moritz Bleibtreu liegt. Er bringt das Dr.-Jekyll-Mister-Hyde-Motiv nicht nachvollziehbar auf die Leinwand. Es bleibt alles gleich ausdruckslos und unterscheidet sich lediglich im Mundoffenstehmaß des Hauptdarstellers. Das gesamte Ensemble taumelt durch den Film, um zu zeigen, dass Drogen auch eine sedierende, entspannende Wirkung haben können. Auch der Widerspruch zwischen Natur und Stadt, der bei Suter eine große Rolle spielt, wird im Film nur in schönen Bildern gezeigt, nicht aber ausgearbeitet: Bei Suter wird Blank zum Waldmensch, im Film hingegen kehrt er jeden Abend zu einer verschrobenen Pensionswirtin zurück, um sein Glas Weißwein aus wohl geschliffenen Gläsern zu trinken. Sicherlich müssen sich Drehbuch und Regie beschränken, konzentrieren, Akzente setzen. Die dunkle Seite des Mondes hätte gut daran getan, sich lediglich der Motive Suters zu bedienen, als sich stets und ständig auf den Roman zu beziehen und von dessen Autor zu profitieren.
Der Film feierte im September letzten Jahres beim Zurich Film Festival seine Premiere und war später beim Filmfest Hamburg für den Art Cinema Award sowie den Hamburger Produzentenpreis für Europäische Kino-Koproduktionen nominiert. Von der Deutschen Film- und Medienbewertung bekam er das Prädikat „besonders wertvoll“. Die Produktion wurde vom Film Fund Luxemburg kofinanziert und der luxemburgischen Filmproduktion Iris korealisiert. Es entstand ein Film, der bestenfalls für den Filmmittwoch im Ersten Deutschen Fernsehen taugt, was beim Koproduzenten Südwestrundfunk auch nahe liegt, auf der Kinoleinwand jedoch verblasst und keinen tieferen Eindruck hinterlässt. Dabei haben die Verantwortlichen in Luxemburg darauf Wert gelegt, dass wenigstens die Unterscheidung zwischen bösem Bankenhort Frankfurt und putzigem Abgrundforst Müllerthal gewahrt blieb. Im Abspann ist es nett zu lesen, wer die Filmcrew bekocht hat, aber die große Frage am Premierenabend in Berlin, wie viele Tiere für den Dreh denn getötet wurden, bleibt unbeantwortet. Der Film eignet sich nicht für Betroffenheitspublikum, weshalb er in Deutschland mit der Altersbeschränkung 12 Jahre freigegeben wurde.