Für Filmemacher/innen sind ihre ersten Spielfilme Segen und Fluch zugleich. Niemand stellt irgendwelche Ansprüche, aber gleichzeitig gilt es, Eindruck zu hinterlassen. Es geht nicht darum, einen perfekten filmischen Wurf abzuliefern. Was zählt, ist die vom Film ausgehende Kraft, die sich nur als eine Notwendigkeit definieren lässt, die die Künstler/innen angetrieben hat, diese oder jene Geschichte filmisch erzählen zu müssen. Manchmal kommt ein Debütfilm daher, der einem dieses Einmaleins des Kinos spürbar vor Augen führt. Ein solcher Filme ist Ar condicionado ‒ auf Englisch Air Conditioner ‒ des angolanischen Regisseurs Fradique.
Etwas ist faul in der Hitze des Staates Angola, vor allem der seiner Millionenhauptstadt Luanda. Aus unbekannten Gründen geben sämtliche Klimaanlagen der Stadt den Geist auf. Menschen sterben an Hitzeschlägen. Zu allem Überfluss lösen sich die Anlagen von den Mauern, krachen metertief zu Boden und erschlagen ahnungslose Passant/innen. In diesem an kühlender Brise mangelnden Umfeld wandelt der schmächtige Hausmeister Matecedo. Er wird von dem Dienstmädchen Zezinha damit beauftragt, eine der defekten Anlagen schnellstens wieder fit zu machen. Der Besitzer der Wohnung ist nämlich sehr schlecht gelaunt und hätte die Reparatur am liebsten schon am Tag davor erledigt gewusst. Matecedo aber ist ratlos und verliert sich auf dem Weg zur Reparaturwerkstatt seines Vertrauens in seinen Gedanken und in dem urbanen Dschungel Luandas.
Hinter dem Künstlernamen Fradique versteckt sich der gebürtige Angolaner Mario Bastos. Nach seinem Filmstudium in den USA und einer dokumentarischen Arbeit über Angolas Geschichte als portugiesische Kolonie und den darauffolgenden jahrzehntelangen Bürgerkrieg ist Air Conditioner sein Spielfilmdebüt. Weltpremiere hatte es auf dem Rotterdamer Filmfestival, das ein besonderes Augenmerk auf experimentelle Vorgehensweisen in Dramaturgie und Form legt.
Der Regisseur weiß seinen knapp 70 Minuten kurzen Film derart mit Ideen zu überladen, dass sie die Zuschauer/innen zu erschlagen drohen wie die Klimaanlagen die Figuren im Film. Manche dieser Ideen fliegen über einen hinweg, andere schafft man, auf gesellschaftlicher und politischer Ebene zu fassen, wieder andere auf einer rein filmischen. Bastos gelingt es durch die Ideenflut, jeglicher einfachen Kategorisierung oder Positionierung zu entfliehen ‒ und dabei fängt der Film mit didaktisch-studentischen Definitionsvorschlägen à la Duden der Wörter air und condition an. Ery Clavers Kamera, ständig in Bewegung, ähnelt fast dem unsichtbaren Luftstrom, der trotz kaputter Klimaanlagen langsam seine Bahnen zieht. Durch seine Bilder und den Blick von José Kiteculos Hausmeister Matecedo, der die ahnungslosen und trotzdem gebannten Blicke von uns Zuschauer/innen wiederspiegelt, bekommt der Film den Anschein eines mäandernden Tagtraums. Zeit und Raum verschmelzen in der magisch-realistischen Hitze der porträtierten Stadt und ihrer Menschen, denen der Regisseur bei allem künstlerischen Gestus eine enorme Empathie entgegenbringt.
Dass Angola seine Vergangenheit nicht hinter sich gebracht hat, ist dabei zu spüren. Mit dem Verstehen ist das eine andere Sache. Aber das scheint Fradique weniger am Herzen zu liegen, als eine eigenartige Energie zwischen den hohen Gemäuern in Luanda und den Menschen aufzubauen. Eine Energie, die zusammengesetzt zu sein scheint aus nicht verarbeiteter Vergangenheit und der Luft der Markwirtschaft; einer Luft, die die soziale Schere zwischen Arm und Reich größer macht und sich so bald nicht abkühlen wird. Wie es zu dieser Abkühlung kommen wird, scheint auch für den Regisseur unklar. Aber dass die Fassade bröckelt und Klimaanlagen hinabstürzen, ist für seine künstlerische Bestandsaufnahme klar.