Ein Fahrradladen, ein Frisiersalon, eine Änderungsschneiderei. Oder ein Gemüsegärtner, der seinen Kunden die Ware nachhause liefert – das sind einige der Kleinstunternehmer, die für ihren Betrieb einen Mikrokredit der Fuse erhalten haben. Fuse steht für die Fondation des universitaires en sciences économiques. In der Stiftung setzen liberale Ökonomen sich seit 15 Jahren für die Förderung des Unternehmergeistes ein. Liberal, weil sie finden, durch die Luxemburger Gesellschaft müsse jener „Trau dech!“-Ruck gehen, den die Handelskammer und die damalige Regierung schon vor zehn Jahren propagierten. Seit 2011 vergibt die Fuse an Betriebsgründer auch Mikrokredite von bis zu 5 000 Euro – sei es zur Anschaffung von Betriebsmitteln oder Material, sei es für eine Bankengarantie, die der Unternehmer in spe hinterlegen muss. Coup de pouce heißt die Initiative.
„5 000 Euro klingt nach nicht viel, sie können aber den entscheidenden Beitrag liefern“, sagt Fuse-Präsident Marc Hostert. Hostert arbeitet im Hauptberuf am Europäischen Rechnungshof und war vorher Beamter im Mittelstandsministerium unter CSV-Minister Fernand Boden. Dort erlebte er, wie regierungsintern diskutiert wurde, ob Luxemburg ein Mikrokreditsystem brauche. Tenor sei gewesen, dass dies nicht nötig sei, weil Banken und die staatliche Investitionsgesellschaft SNCI ja Betriebsgründerkredite vergäben, erinnert Hostert sich. Das sei ein Irrtum gewesen: „Kredite unter 15 000 Euro sind – abgesehen von Verbraucherdarlehen – für Banken kaum rentabel.“
Hinzu komme, dass angehende Mini-Unternehmer zwangsläufig noch keine Kreditnehmer-Biografie vorweisen können, die Bankiers die Skepsis nimmt. Und drittens schließlich würden die Leute, denen die Fuse heute hilft, nicht unbedingt den kaufmännischen Jargon beherrschen. „Fragt man sie, mit welchem Umsatz sie rechnen, wissen sie womöglich nicht, was damit gemeint ist. Fragt man sie dagegen, wie viel Geld sie abends in ihrer Kasse vorfinden wollen, wissen sie eine Antwort.“
Daraus folgt: Die Mikrokredite der Fuse sind zum Beispiel für Arbeitslose gedacht, die sich in eine Art „Ich-AG“ verwandeln wollen. Oder etwa für geschiedene Hausfrauen, die mit der Trennung vom Ehemann auch die ökonomische Absicherung verloren haben und sich in der Selbstständigkeit versuchen möchten. Hostert sieht im Coup de pouce deshalb auch eine soziale Dienstleistung: „Wir helfen zu verhindern, dass unsere Kunden in die Prekarität fallen. Wir sagen ihnen: ,Sie erhalten eine Mikrofinanzierung ohne eine Ausfallgarantie haben zu müssen, denn die Garantie sind Sie und Ihre Geschäftsidee!’“ Das liefere einen nicht zu unterschätzenden psychologischen Schub. Damit die Geschäftsidee möglichst nicht in eine prekäre Selbstständigenexistenz führt, feilen die Fuse-Ökonomen mit ihren Kunden an deren Businessplan. „Ziel ist, dass der Betrieb mit der Zeit für den Unternehmer mindestens den qualifizierten Mindestlohn an verfügbarem Einkommen abwirft.“ Die Beratung durch die Stiftung sei gut und gern weitere 5 000 Euro wert, sagt Hostert.
Eine Anlagemöglichkeit für Investoren, die Gutes tun wollen, aber auch einen geldwerten Erlös wünschen, ist dieses Mikrokreditsystem allerdings nicht. Im Unterschied zu den Niederlanden und Belgien, wo Mikrokredite schon länger als Teil des Bankengeschäfts etabliert und in Belgien dafür Zinssätze von bis zu 18 Prozent üblich sind, nimmt die Fuse null Prozent. Denn die Darlehen werden aus Spenden und Sponsorengeldern vergeben, und weil die Fuse-Ökonomen allesamt ehrenamtlich arbeiten, gibt es keinen Verwaltungsapparat, der aus den Zinsen finanziert werden müsste. So sollte das auch bleiben, meint Hostert: „Auch wenn ein Partner in die Coups de pouce einstiege, würden wir sie im Ehrenamt weiterführen.“ Die Genugtuung für Spender ist damit ideeller Natur. Abgesehen davon, dass die Großbank BGL BNP Paribas die Coups de pouce mit dem Hintergedanken sponsert, dass die Unternehmer, einmal im Geschäft, vielleicht bei ihr Kunden würden. Und später womöglich einen größeren Betriebskredit nehmen.
Bislang habe die Mikrofinanzierung ziemlich gut funktioniert, bilanziert Hostert: Jahr für Jahr ruft die Stiftung öffentlich auf, Projekte bei ihr einzureichen. Seit 2011 seien 30 Dossiers eingegangen, 15 in die engere Wahl vor dem Fuse-Verwaltungsrat gezogen worden, und acht habe dieser am Ende zu fördern beschlossen. Nach zwei, spätestens drei Jahren muss der Mikrokredit zurückgezahlt sein. Gerät das junge Mini-Unternehmen unverschuldet in wirtschaftliche Not, schreibt die Fuse ihr Geld in den Wind. Dazu aber sei es noch nicht gekommen, sagt Hostert, und nur ein Kreditnehmer habe sich mit dem Mikrodarlehen aus dem Staub gemacht. „Gegen ihn leiten wir nun ein Verfahren ein.“
Klar sei, meint Hostert, „dass wir keine Anschubfinanzierung für einen Handwerksbetrieb liefern können; das überstiege unsere Möglichkeiten“. Für kleine Läden und für bürgernahe Dienstleistungen im Wohnviertel erkennt er aber noch unerschlossene Märkte. Wegen der stetigen Alterung der Bevölkerung würden die auch immer größer. Und um dort tätig werden zu können, könnten selbst 5 000 Euro ein wertvoller Beitrag sein.