Als sie erfuhren, dass Mein Kampf ab dem 1. Januar urheberrechtsfrei wird, richteten die beiden DP-Abgeordneten André Bauler und Gusty Graas eine parlamentarische Anfrage an Premierminister Xavier Bettel (DP) und erkundigten sich, wie es sich denn mit der Verbreitung der Schrift hierzulande verhalte. Daraufhin antwortete Xavier Bettel am 23. November 2015, dass Mein Kampf unter Artikel 457-1 des Strafgesetzbuchs falle, der die Anstiftung zum Hass oder zur Gewalt ahndet. Deshalb drohte der Regierungschef: „Toute maison d’édition luxembourgeoise qui publierait cet ouvrage ainsi que tout commerce qui l’exposerait et le mettrait en vente s’exposerait aux sanctions de l’article 457-1 du Code pénal qui prévoit une peine d’emprisonnement de 8 jours à 2 ans et/ou une amende de 251 à 25 000 euros. En cas de condamnation, la confiscation des ouvrages est automatiquement prononcée.“
Der Premierminister ging sogar noch weiter. Auf die für den 1. Januar angekündigte kritisch kommentierte Ausgabe des Münchner Instituts für Zeitgeschichte angesprochen, meint er: „À l’image du livre originaire, une édition dite « critique » contiendra le contenu pénalement répressible de l’original, ce qui l’expose à l’application de l’article 457-1 du Code pénal. Une telle réédition risque ainsi d’être frappée de sanctions pénales par les tribunaux au même titre que l’ouvrage originaire.“ Anders als in Deutschland, wo eine kritische Ausgabe erscheint, oder in Frankreich, wo die Éditions Fayard eine mit einem kritischen Apparat versehene französische Übersetzung auf den Buchmarkt bringen wollen, oder in Belgien, wo insbesondere eine flämische Übersetzung im Handel ist, soll in Luxemburg auch eine wissenschaftliche Edition von Hitlers Buch verboten sein. „La question de savoir si une telle publication pourrait constituer un antidote au contenu raciste et discriminatoire de l'ouvrage ne se pose dès lors pas“, meint Xavier Bettel. Buchhandlungen, die in den kommenden Tagen die Edition des Münchner Instituts für Zeitgeschichte anbieten wollen, machen sich seiner Ansicht nach also strafbar.
Die resolute Haltung des Premierministers ist ehrbar. Sie wäre noch ehrbarer, wenn sie auch praktische Konsequenzen hätte. Denn Exemplare von Mein Kampf werden seit Jahrzehnten ungestraft auf Trödelmärkten und Büchermessen angeboten. Sie werden auch von Bibliotheken ausgeliehen. Glaubt man dem Verbundkatalog Luxemburger Bibliotheken, so gibt es je ein Exemplar von Mein Kampf aus dem Jahr 1940 im Priesterseminar und von 1941 in der Nationalbibliothek, das aber zur Zeit als vermisst gemeldet ist, im Centre national de littérature und im Diekircher Kolléisch, sowie ein Nachdruck der französischen Übersetzung von 1934 in der Nationalbibliothek.
Vor allem verkaufte die Firma Amazon bisher bereits ungestraft den vollständige Text von Mein Kampf in englischer oder italienischer Übersetzung – wie auch die Protokolle der Weisen von Zion – als elektronisches Buch europaweit über ihre Luxemburger Firma Amazon Media EU S.à r.l., 5 Rue Plaetis, L-2338 Luxembourg. Amazon Media EU S.à r.l bietet ab dem 1. Januar auch die von Bettel ebenfalls für gesetzwidrig erklärte kritische Ausgabe des Münchner Instituts für Zeitgeschichte an – mit dem makabren Vermerk „Bestseller Nr. 1 in Holocaust“. So weit bekannt, hat der Premierminister die Staatsanwaltschaft noch nicht auf die Verstöße von Amazon Luxemburg gegen Artikel 457-1 des Strafgesetzbuchs aufmerksam gemacht.