„Luxemburg ist“ heißt es einmal im Jahr für eine Woche in der deutschen Hauptstadt. Luxemburg ist Literatur, ist Film, Tanz und Großherzogtum lautete es in den vergangenen Jahren. In diesem Jahr war das Motto „Luxemburg ist Theater“. Unerwartet für viele Berliner, die auf Werbebannern in der U-Bahn auf das Festival hingewiesen wurden. Man verbindet in der deutschen Hauptstadt viel mit Luxemburg – vor allem Klischeehaftes und ein Land, in dem Reben und Reichtum wachsen. Die Festivalreihe widerspricht diesen Vorurteilen und zeigt, dass Luxemburg mehr ist. In diesem Jahr war Luxemburg Theater, keine Operette.
Aber ist Luxemburg Theater? Es gebe einen Einblick in die „Vielfalt der luxemburgischen Theaterszene“, hieß die luxemburgische Botschaft in Berlin als Veranstalter die Besucherinnen und Besucher willkommen – an sechs Abenden in sechs Theaterhäusern. Gezeigt wurden Produktionen des Théâtre d’Esch, der Théâtres de la Ville de Luxembourg, des Nationaltheaters und des Traffo Carré Rotondes in Kooperation mit der Compagnie du Grand Boube. Doch es gab nicht nur Schauspiel, sondern auch Fachdiskussionen, bei denen sich luxemburgische Theaterschaffende mit ihren Berliner Kollegen austauschten und eine Veranstaltung der Universität Luxemburg zum Thema Internationales und lokales Theater in Luxemburg. Zwischen Koproduktion und regionaler Ausrichtung.
Im Mittelpunkt standen jedoch die Bretter, die die Welt bedeuten: Gezeigt wurden sechs deutschsprachige luxemburgische Produktionen im Schlosspark Theater, in der Brotfabrik, dem Deutschen Theater, der Volksbühne am Rosa Luxemburg-Platz, im Theater an der Parkaue und im Berliner Ensemble. Alles renommierte Spielstätten. Es war kein Festival, das auf irgendeiner Hinterbühne in irgendeinem Hinterhaus nach 23 Uhr stattfand, sondern mitten drin in der Berliner Theaterszene. Hier erreichte das Festival sein Publikum – doch dies blieb in seltsamer Distanz zu Luxemburg.
Zu sehen waren Ödön Horvaths Glaube, Liebe, Hoffnung, Wäre ich doch früher jung gewesen nach Hans Christian Andersen, Felicia Zellers Kaspar Häuser Meer, George Taboris Die Demonstration sowie mit Wilhelm B. die neueste Produktion der Theatergruppe Le Grand Boube. Das Dilemma des Festivals zeigte sich beispielhaft bei Schwarze Sonne Scheine von Albert Ostermaier: eine grandiose Vorstellung von Luc Feit, ein Einpersonenstück, das sich mit Tod, Krankheit und Missbrauch auseinandersetzt, das Lebensbeichte und Selbstbetrug, Enttäuschung und Hoffnung thematisiert. Ein Stück, das in einem Krankenzimmer spielt und fast keine Requisite braucht. Im Anschluss an die erste Aufführung gab es ein Gespräch mit dem Autor. Da traf ein deutsches Publikum auf einen deutschen Schriftsteller – weit entfernt von Luxemburg. Ganz weit. Beim Schweifen der Gedanken in die Ferne blieb die Frage, gibt es in Luxemburg keinen Theaterautor? Na, aber wenigstens der Schauspieler war Luxemburger.
Bei Schwarze Sonne Scheine war schnell vergessen, dass es sich um eine luxemburgische Produktion handelte, auch wenn alle Beteiligten sich pflichtschuldigst bedankten. Ein Einblick in das luxemburgische Gegenwartstheater, eine Wiederentdeckung eines klassischen luxemburgischen Autors hätten die deutsche Nabelschau auch in der Theaterwelt durchbrochen und gezeigt, dass Luxemburg mehr ist als eine Operette von Lehár oder eine Bank mit Geheimnissen. Sicherlich ist eine Botschaft keine Veranstaltungsagentur. Der enorme Aufwand, der hinter einem solchen Festival steht, war durchaus zu spüren. Doch Luxemburg ist mehr. Theater.
Was bleibt, wenn der Vorhang fällt, war bei den Berliner U-Bahn-Fahrenden, dass Luxemburg ein einwöchiges Theaterfestival gestalten kann und deshalb wohl sogar ein oder mehrere Schauspielhäuser haben muss. Den Besucherinnen und Besuchern des Festivals bleiben atmosphärisch dichte Theatermomente in Erinnerung abseits der eingängigen publikumskonformen Inszenierungen, die zurzeit in Berlin wieder gerne gegeben werden. Man will die Zuschauer nicht gerne verschrecken. Und Luxemburg? Kann Theater. Aber macht kein Theater.