Im Mai hatte Unterrichtsministerin Mady Delvaux-Stehres (LSAP) noch versprochen, bei der Bildung würde nicht gespart. Nun muss ihr Ministerium den Gürtel enger schnallen, um die Löcher im Staatshaushalt zu stopfen. Das Land sprach mit ihr über neue Lehrkräfte, teure Bildungsstudien und die schwierige Suche nach Einsparpotenzialen.
d’Land: Alle Welt redet vom Sparen. Der Budgetminister hat eine Einsparquote von zehn Prozent vorgegeben. Was ist der Beitrag ihres Ministeriums?
Mady Delvaux-Stehres: Wir können nur die Kosten diskutieren, auf die wir einen Einfluss haben. Mit rund 80 Prozent Personalkosten bleibt nicht viel Handlungsspielraum. Wir müssen Gehälter bezahlen, und wegen der steigenden Schülerzahl brauchen wir mehr Lehrpersonal.
Sie haben Handlungsspielraum: zum Beispiel bei den Chargés de cours, den Lehrbeauftragten. Ihr Anteil am Lehrkörper ist gestiegen.
Es kommt nicht in Frage, um Ausgaben in der Bildung zu reduzieren, die Zahl der Chargés des cours zu erhöhen. Ich muss jedes Jahr bei der Regierung darum kämpfen, neue Lehrkräfte zu bekommen. Wir konnten dieses Jahr 243 Grundschullehrer einstellen, trotz Krise. Nur für rund 20 Vorschullehrer im Zyklus 1 hatten wir leider keine Stellen.
Allein für die Grundschule greifen Sie auf 800 Chargés de cours zurück.
Die haben wir von den Gemeinden übernommen. Aber eigentlich ist es nicht vorgesehen, neue Chargés de cours in der Grundschule einzustellen. Dramatisch ist für mich, dass wir, um Unterrichtsausfall zu vermeiden, auch in Zukunft auf weitere Chargés de cours werden zurückgreifen müssen.
Die Zentralisierung scheint zunächst einmal mit allerlei bürokratischen Schwierigkeiten verbunden zu sein.
Die Planung ist aufwändig, ja. Denn ein Personaldossier landet zunächst im Regionalbüro, kommt dann zu uns, wir reichen es an die staatliche Personalverwaltung weiter. Das erklärt, warum letztes Jahr etliche Chargés auf ihren Lohn warten mussten: Wenn etwas im Dossier fehlt, geht alles zurück. Bei den Gemeinden gibt es die rigiden Prozeduren so nicht. Die Zentralisierung hat uns das Leben nicht einfacher gemacht, aber sie schafft mehr Kostentransparenz.
Können Sie beziffern, was die finanziellen Folgen der Zentralisierung sind? Führt die Kontigentierung des Lehrpersonals zu Einsparungen?
Dafür ist es noch zu früh. Außerdem kommt es darauf an, wie man die Kontingentierung definiert.
Sie haben Klasseneffektive vorgegeben.
Der durchschnittliche Personalschlüssel ist politisch festgelegt, wobei ein Sozialindikator Gemeinden, die mehr sozial schwache Schüler haben, erlauben soll, zusätzliche Betreuung organisieren zu können. Die Gemeinden können entscheiden, wie sie die Klassen zusammensetzen. Wenn sie größere Klassen bilden, können sie frei werdendes Personal anderweitig einsetzen. Auf jeden Fall verpflichtet die Kontingentierung die Gemeinden, sich genau zu überlegen, wo sie die Ressourcen einsetzen. Unsere Analyse hat gezeigt, dass in manchen Gemeinden die Betreuung eines Kindes zwei- oder dreimal so personalintensiv war wie anderswo. Das wollen wir gerechter verteilen. Ich verstehe aber die Sorge der Gewerkschaften, die Lehrer haben weniger Einfluss auf die Personalplanung.
Sie haben auch neue Posten geschaffen: den Instituteur-ressource, der die Schulen bei ihrer Entwicklung beraten sollen. Nach anfänglich zehn gibt es derer nun 17. Brauchen die Schulen die?
Ja. Die Instituteurs-ressource, die den Inspektoren unterstehen, sind ein Instrument der Qualitätsentwicklung, das gut funktioniert. Anfänglich stießen sie auf eine gewisse Zurückhaltung bei den Schulen, die fürchteten, da würde eine Art Hilfssheriff kommen. Inzwischen fragen sie das Coaching.
Was machen die Instituteurs nach der Reform? Werden sie bleiben?
In einigen Bezirken werden sie systematisch für die Begleitung neuer Lehrer eingesetzt. Unser Ziel ist es, spezialisierte Instituteurs zu haben: für Teambuilding, für Kinder mit besonderen Bedürfnissen. Das hat den Vorteil, dass wir weniger auf ausländische Dozenten zurückgreifen, die uns einiges kosten und denen wir zudem erst erklären müssen, wie unser Schulsystem funktioniert. Dafür ist es wichtig, dass sie sich regelmäßig austauschen und gemeinsam weiterbilden.
Das Budget der Weiterbildung ist binnen zwei Jahren um 25 Prozent gestiegen. Müssen Sie viel mit dem Budgetminister streiten, um derartige Mehrausgaben durchzusetzen?
Wir müssen jeden Euro gut begründen. Aber ohne Weiterbildung gibt es keine Schulentwicklung. Für die Weiterbildung werden noch am ehesten Gelder genehmigt.
Auch die Berufsausbildung und der Sekundarunterricht werden beziehungsweise sollen reformiert werden. Das bedeutet noch mehr Weiterbildung für die Lehrer, ergo mehr Kosten.
Für das Jahr 2011 bekommen wir keine weitere Budgetsteigerung in der Weiterbildung. Wir müssen innerhalb unseres Finanzrahmens klarkommen. Was mich frustriert, ist aber, wenn sich Leute in Weiterbildungen einschreiben und dann nicht erscheinen. Die Gelder sind fort.
Wie wollen Sie dann die Budgetlinie einhalten, die der Minister Ihrem Ministerium vorgegeben hat?
Keine Sorge, wir halten uns daran. Wir müssen Prioritäten setzen. Zum Beispiel weniger publizieren. Oder weniger Studien durchführen.
Das ist doch kein so großer Posten.
Allein die Vorstudie der Lesestudie Pirls in der Grundschule hat 80 000 Euro gekostet, die Studie selbst kostet pro Jahrgang 150 000 Euro. Unser Vorhaben, zwei Jahrgänge zu prüfen, werden wir überdenken müssen. Aber auch bei unserer Lesekampagne werden wir sparen. Dabei wäre eine Wiederholung wichtig. Das tut schon weh.
Ein Posten, der von der Finanzinspektion regelmäßig beanstandet wird, sind die Décharges, die Lehrer-Freistellungen. Der Vorwurf lautet, diese seien nicht transparent und würden nicht genügend kontrolliert.
Erstens gucken wir da stärker drauf. Wer von uns freigestellt werden will, muss dies begründen. Die Aufregung ums E-Bac war genau das: Nach der Konzeptualisierungsphase haben wir die Décharges zurückgefahren. Das freut die Leute natürlich nicht. Auch die Projets d’etablissement prüfen wir stärker auf ihre Nachhaltigkeit. Wenn der Schulentwicklungsplan auf die Lyzeen ausgedehnt wird, müssen wir schauen, wie das zusammen mit dem Projets geht. Die meisten Décharges verursacht aber die Reform der Berufsausbildung. Deshalb war ich enttäuscht, dass wir nicht schon in diesem Jahr die Formulierung der Profile und Programme abschließen konnten.
Angeblich läuft es in den Arbeitsgruppen nicht rund, die Betreuung durch das Ministerium wird kritisiert. Ähnliches ist aus Arbeitsgruppen zu hören, die die Kompetenzstandards für den unteren Zyklus des technischen Sekundarunterrichts (EST) erstellen.
Wir arbeiten bei der Reform der Berufsausbildung mit zwei Instituten aus dem Ausland zusammen. Die machen genau das: Coaching und Monitoring. Sie haben einen Kalender erstellt, bis wann welche Arbeit fertig sein muss. Das Problem ist, dass sich nicht jeder an die Vorgaben hält. Was die anderen Arbeitsgruppen angeht, auch da haben wir uns verbessert: Wir haben eine Steuergruppe, es gibt einen Kalender und regelmäßige Sitzungen. Man darf aber nicht vergessen, dass andere Länder große Institute haben, deren Mitarbeiter Standards ausarbeiten können. Bei uns machen das Lehrer, die oft nicht die Expertise haben. Deshalb dauert das länger. Dafür haben wir den Vorteil, dass wir näher an der Praxis sind und die Änderungen hoffentlich besser angenommen werden.
Am Projet cycle inférieur wird seit über fünf Jahren herumgedoktert.
Ich bin nun sechs Jahre hier, genauso lange diskutieren wir über Reformen – die wir noch gar nicht umgesetzt haben. Die erste Reform, die wir umsetzen, ist die Grundschulreform. Jetzt folgt die Berufsausbildung. Im unteren Zyklus des EST haben wir Kompetenzsockeln geschrieben und den Complément au bulletin eingeführt. Aber das sind nur Teilstücke, in den Klassen ist noch nicht so viel angekommen. Und trotzdem stöhnen viele: schon wieder eine Reform.
Fakt ist, dass die Décharges, nachdem ihre Entwicklung kurz gebremst wurde, wieder steigen.
Innovation geht nicht ohne Ressourcen. Mehr können wir nicht einsparen, ohne dass die Qualität der Schule Schaden nehmen würde.
Was ist mit dem Préparatoire? Ist es wirklich sinnvoll, diesen Schulzweig bestehen zu lassen, zumal nach den Osterferien 2010-2011 die Schule der zweiten Chance mit Pilotklassen starten wird und die Grundschulreform eigentlich Schluss mit dem exzessiven Redoublement machen soll?
Wir beginnen jetzt gerade einmal das Jahr zwei der Grundschulreform. Ich kann Schülern, die heute ohne Abschluss da stehen, nicht sagen: Wir machen eine Grundschulreform und nun wird alles gut. Sicher ist es besser, so früh wie möglich anzusetzen und Misserfolge von vornherein zu vermeiden. Aber denen, die unterwegs verloren gegangen sind, muss man eine Möglichkeit geben, trotzdem zu einer Qualifikation zu kommen. Besonders wenn alle Welt von lebenslangem Lernen redet. Zudem sind viele Jugendliche der Schule der zweiten Chance Einwandererkinder, die spät ins Land kamen. Jedes Jahr kommen 600 bis 700 Jugendliche ohne abgeschlossene Schulausbildung, nach Luxemburg, das allein im Postprimär. So gesehen leistet unser Schulsystem eine formidable Arbeit, wenn wir den Schülern in kürzester Zeit Sprachkompetenzen vermitteln, um auf dem Luxemburger Arbeitsmarkt zu bestehen.
Wie steht es mit den Luxemburger Schulen? Müssen die nun auch den Gürtel enger schnallen?
Erstens ist es nicht ganz einfach die Kosten einer Schule zu beziffern. Zweitens befinden sich einige Schulen noch im Aufbau. Da ist es auch normal, dass das Budget steigt. Redingen etwa, oder Lallingen und Düdelingen. Das ist für andere Schulen nicht schön, denn wir müssen Prioritäten setzen. Wenn ich aber Schulen im Ausland sehe, geht es uns vergleichsweise gut.
Sie haben noch im Mai behauptet, bei der Bildung werde nicht gespart.
Wenn wir alles zusammenrechnen: Reformen, neue Schule, mehr Lehrer, dann ist es sogar wahrscheinlich, dass das Gesamtbudget steigt.
Wie viel genau?
Dazu sage ich nichts, bis die Gespräche abgeschlossen sind. Klar ist, ich hätte lieber mehr Personal als Sachmaterial. Seien wir ehrlich, unsere Schulen sind gut ausgerüstet. Wenn wir die Funktionskosten etwas einschränken, wird das Bildungssystem nicht leiden. Was wir vor allem brauchen, sind Lehrer. Und mehr Weiterbildung. Wer eine Schule der Qualität will, kann nicht bei den Personal sparen oder der Qualifikation. Das ist wichtig, dafür verzichte ich lieber auf eine Broschüre.
Bereuen Sie angesichts klammer Kassen heute die Gehälteranpassung der Grundschullehrer? Die erste Rechnung kam ausgerechnet, als die Wirtschaft nicht mehr rund lief.
Sicherlich hätte es den Abschluss so nicht gegeben, wenn die Krise da schon absehbar gewesen wäre. Aber der Unterschied zwischen den Grundschul- und den Sekundarschullehrern war in keinem Land in Europa so groß wie in Luxemburg. Deshalb war ich immer für eine Aufwertung der Karriere der Grundschullehrer. Ich bin dieses Schuljahr viel durchs Land gereist: Sie arbeiten wirklich viel.
Dann war es also gut, dass die Gehältererhöhung noch vor der Reform kam.
Das ist evident. Auch wenn Gewerkschafter sagen, die Gehaltssteigerung wiege die Mehrarbeit nicht auf. Meine Beobachtung ist, dass sich viele Lehrer bemühen, die Reform umzusetzen. Das kollektive Nachdenken, das eingesetzt hat, darüber, wie man ein Kind am besten beim Lernen unterstützen kann, finde ich sehr positiv.