Die Luxemburger haben ein neues Lieblingsbuch. Seit Juli belegt es den ersten Platz der einheimischen Bestsellerliste und droht, sich dort häuslich einzurichten. Unter dem Titel Luxemburg in der Welt werden verschiedene Vorkommnisse des Namens „Luxemburg“ (oder „Luxembourg“, „Lussemburgo“, „Lucemburgo“ usw.) jenseits der engen Grenzen des Großherzogtums aufgeführt.
„Unser“ Name (vgl. Vorwort von Jean Asselborn, S. 9) ist weit herumgekommen. Was es da nicht alles gibt! Straßen, Hotels, Restaurants, Luxusgüter, Künstler, Süßigkeiten, Kuhdörfer und sogar ein fremdländisches Kraut, einen Bürgermeister, einen Himmelskörper und ein Bordell. Luc Marteling, einer der Autoren der beliebten Top Secret-Reihe, hat dieses eklektische Sammelsurium mit Hilfe von Steve Müller und Google aufgespürt. Innerhalb von wenigen Monaten hat er vierzig „Luxemburgs“, wo das physisch möglich war, selbst aufgesucht und inspiziert. Das Resultat etlicher Reisekilometer ist ein sehr buntes, mit vielen Fotos versehenes, wirres Buch, das trotz seiner hübschen Aufmachung das ungute Gefühl hinterlässt, nicht über die Schnapsidee, der es entsprungen sein mag, hinausgewachsen zu sein.
Es zeigt sich nämlich schnell, dass es eine überschaubare Anzahl von Gründen gibt, warum Dinge, Orte und Personen in aller Welt „Luxemburg“ o. ä. heißen: Entweder haben sie einen Bezug zum Land Luxemburg oder zum Pariser „Jardin du Luxembourg“ oder zu Rosa Luxemburg. Manchmal lässt sich das nicht mehr so genau bestimmen. Oft fragen die Autoren aber auch nicht so genau nach. Etliche Hotel- und Restaurantbetreiber haben den wohlklingenden Namen vom Vorbesitzer übernommen und wissen nicht, was es damit ursprünglich auf sich hatte. Manchmal verpassen Marteling und Müller außerdem schlichtweg die Öffnungszeiten. Achselzuckend machen sie dann ein Foto und reisen weiter. Häufig begnügen sie sich am Ende also damit zu zeigen, dass es irgendwo im hintersten Winkel der Pampa ein Lokal gibt, das „Luxemburg“ in seinem Namen trägt, ohne allerdings stichhaltige Belege dafür zu finden, warum dem so ist, und wofür „Luxemburg“ eigentlich jeweils stehen soll.
Vermutlich als Folge dieser nachlässigen Spurensuche entbehrt das Buch jeglicher Systematik: Die Beiträge sind weder nach Art des Bezeichneten (Ding, Ort, Person), noch nach der Herkunft des Namens (Großherzogtum, Paris, Rosa) gruppiert. Die lose Aneinanderreihung der Beiträge führt deswegen zu ständig wiederkehrenden Vor- und Rückverweisen und redundanten Ausführungen, die eine ungute Verbindung mit dem ohnehin geschwätzigen Duktus des Textteils eingehen. Immer und immer wieder belästigt Marteling den Leser mit belanglosen Lamentationen darüber, wie Emails an Tourismusbüros und Firmen nicht oder nur unzureichend beantwortet wurden, oder wie er vergeblich durch öde Landschaften kurven musste um dort nach irgendwelchen bedeutungslosen Kaffs zu suchen. Immer und immer wieder muss man außerdem lesen, der Bezug zum Jardin du Luxembourg sei ja doch auch ein Bezug zu Luxemburg, weil der französische Herzog, dem der Park seinen Namen verdankt, Nachfahre einer Nebenlinie des luxemburgischen Herrscherhauses gewesen sei, die sich im 13. Jahrhundert von der Hauptlinie abgespaltet habe. Auch bei Rosa Luxemburg wird ein Vereinnahmungsversuch an den Haaren herbeigezogen: Warum sonst hieß die gute Frau „Luxemburg“, wenn nicht einer ihrer Vorfahren aus Luxemburg stammte?
Zur recht spekulativen Grundhaltung der Autoren, die sie in solchen Ausführungen unter Beweis stellen, passt ihr legerer Umgang mit dem Quellenmaterial: Da werden, wild durcheinander, anonyme Blogartikel, Kundenbewertungen von Amazon und beflissene Lokalhistoriker mit „sehr alten Büchern“ zitiert. Ultima Ratio ist oft die ältere Dame aus der Bäckerei. Wer Futter für sein Nationalgefühl sucht, wird enttäuscht: Viel mehr als der Name ist von „Luxemburg“ offenbar oft nicht mehr übrig. Da sollte dann auch der hartgesottenste Patriot merken, dass er nicht jeden popeligen „Luxemburg“-Schriftzug in entlegenen Winkeln dieser Welt persönlich zu nehmen braucht.
Luxemburg in der Welt ist ein Buch, das unterhalten will, mehr nicht. Man hätte natürlich eindringlicher fragen können, welche Merkmale dem Land Luxemburg in der Welt zugeschrieben werden, für welche Eigenschaften dieser Name eigentlich steht, was er repräsentiert. Bis auf einen Berliner Koch, der in seiner Kochkunst deutsche und französische Küche miteinander verbinden will, und deswegen auf Luxemburg als eine Art Synthese von deutschem und französischem Kulturraum kam, sucht man in dem Buch allerdings nahezu vergeblich nach intelligenten Antworten auf diese Frage. Der Name „Luxemburg“, „kleine Burg“, erweist sich als eine – zwar wohlklingende – Wortblase, die man irgendwie geografisch zuordnen und mit gehobenem Lebensstandard identifizieren kann, die aber darüber und über ein paar alberne Fähnchen und Wappen hinaus kaum Assoziationen hervorzurufen scheint. Dass sich der luxemburgische Außenminister für das Vorwort zu solch halbgarem Klamauk hergegeben hat, erscheint wie ein schlechter Witz.