Das Cedies berät Abiturienten über mögliche Studiengänge. Die Reform der Sekundarstufe wird als Chance gesehen

Studieren geht über probieren

d'Lëtzebuerger Land du 23.09.2011

Gut gelaunt hatte Hochschulminister François Biltgen vor zwei Wochen die neuesten Studentenzahlen vorgestellt. Anlass zur Freude war die diesjährige Rentrée académique, die den Aufwärtstrend bestätigte. Die Zahl der Studenten, die Studienbeihilfen fragen, steigt langsam aber stetig. Für Dominique Faber klares Indiz dafür, dass immer mehr Luxemburger studieren.

„Wir brauchen mehr und höher qualifizierte Fachkräfte“, sagt die Leiterin der Studentenberatung Cedies (Centre de documentation et d’information sur l’enseignement supérieur. Mit über 8 000 Luxemburger Studenten, die derzeit im Ausland studieren, sind dies so viele wie nie zuvor – und trotzdem ist der Bedarf nach Akademikern im Land noch immer groß. „Die Arbeitslosigkeit unter Akademikern bei uns ist niedrig und hat keine strukturellen Ursachen. Meistens handelt es sich um Berufe, die gerade nicht gefragt sind“, betont Faber. Ein guter Grund mehr also zu studieren. Das Hochschulministerium wird seinerseits nicht müde darauf hinzuweisen, dass eine Mehrheit der Grenzgänger, die in Luxemburg arbeitet, besser qualifiziert ist als viele Einheimische. Die Konkurrenz um die guten Jobs auf dem hiesigen Arbeitsmarkt wird also nicht schwächer, sondern stärker. Da heißt es, gerüstet sein für den Wettlauf.

Besser qualifizierte Fachkräfte auszubilden, ist eines der Ziele der Reform, die Jungen und Mädchen eine breitere Allgemeinbildung mit auf den Weg geben sowie das autonome Lernen fördern soll.

„Wenn junge Leute nach dem ersten Semester zu uns kommen und wechseln wollen, geben einige als Grund an, dass sie sich an der Uni nicht zurecht finden und sich nicht so gut organisieren können“, weiß Faber. Mit dem Travail d’envergure, einer Art Projektarbeit, die künftig jeder Schüler absolvieren muss, bevor er zum Abitur zugelassen wird, soll selbst organisiertes Lernen trainiert werden. Das ist für das Bestehen an der Uni und auch im Arbeitsleben wichtig. Informationen recherchieren, eigene Ideen entwickeln und präsentieren, gehören inzwischen zu den methodischen Basiskompetenzen, die für anspruchsvollere und besser bezahlte Berufe vorausgesetzt werden.

Nun ist es nicht so, dass dies nicht an Luxemburger Schulen gefördert würde. Mehrere sehen Methodentrainings vor, andere organisieren regelrechte Projektwochen oder -arbeiten, in deren Rahmen Schüler das selbstständige Arbeiten lernen.

Dass Luxemburgs Schüler vielleicht nicht immer passgenau ausgebildet werden, wurde den Beamten im Hochschulministerium aber spätestens dann bewusst, als in der Schweiz Schüler der Sektion B (Mathematik) nicht mehr angenommen wurden. Dies mit der Begründung, ihre Kenntnisse in den Naturwissenschaften seien zu niedrig. „Da wussten wir, dass wir ein Problem bekommen“, sagt Dominique Faber. Der Vorwurf ist nicht neu: dass die Naturwissenschaften auf Kosten der Mehrsprachigkeit zurückstecken müssen, wird alle Jahre wieder kritisiert und hat auch die Bildungsstudie Pisa mit Schwerpunkt Naturwissenschaften bestätigt, bei der Luxemburger 15-Jährige weit unterdurchschnittlich abschnitten. Dass Luxemburger deshalb aber seltener an ausländischen Unis angenommen würden, verneint Faber energisch: „Unsere Studenten kommen immer noch im Ausland an, der Zugang ist nur komplexer geworden“, sagt sie.

Bewerbungen im Ausland werden zunehmend dadurch erschwert, dass verschiedene Universitäten im Ausland ihre Prozeduren geändert haben. Wer noch nicht entschieden war, konnte sich bisher im November noch in Österreich zum Studium registrieren lassen, das geht heute nicht mehr. „Die Universitäten ziehen ihre Fristen vor und suchen sich ihre Studenten zunehmend aus“, so Faber. Wie wählerisch viele Unis unter dem Ansturm von Studenten geworden sind, und dass ein Abitur nicht automatisch den Zugang an eine europäische Uni bedeutet, konnten Luxemburger Hochschulanwärter erleben, als Belgien und Österreich plötzlich keine Studenten aus dem Ausland mehr aufnehmen wollten. Die politischen Verantwortlichen argumentierten national: Wenn sie schon ausbilden, dann aber nicht, damit die Absolventen ihr Wissen wieder mit ins Ausland nehmen.

Wien beispielsweise ist eine der bevorzugten Adressen für angehende Mediziner. Österreich hat den Zugang zum Medizin-Studiengang, der in der Vergangenheit ohne Numerus clausus funktionierte, immer stärker beschränkt, vor allem um den Ansturm der Numerus-clausus-Flüchtigen aus Deutschland zu begegnen. Allerdings hatte der Europäische Gerichtshof in Luxemburg kurz darauf entschieden, dass die Freizügigkeit von Studenten ein Kernrecht sei, und nicht aufgrund von Staatsagehörigkeit eingeschränkt werden dürfe.

Die Ansprüche sind aber nicht nur auf Seiten der Universitäten gestiegen. Auch die Studenten werden wählerischer. Zwar zählen Straßburg, Brüssel und Trier immer noch zu den Lieblingsadressen von Luxemburgern, die im Ausland studieren wollen. Aber immer öfter begegnen Faber und ihrem Team Jugendliche, die gezielt nach den besten Universitäten für ein bestimmtes Fach fragen. „Diese Jugendlichen wissen, wie wichtig die Ausbildung für ihre weitere Karriere ist, entsprechend top wollen sie ausgebildet sein“, erklärt Faber.

Wer will, kann sich im Cedies über die aktuellsten Hochschulrankings informieren. Allerdings warnt Faber davor, diese als absolute Richtschnur für die Wahl eines Studienplatzes anzusehen. „Auch kleine Unis können ihre Vorteile haben, etwa wenn sie eine bessere Betreuung bieten können“, so Faber, die sich an einen jungen Mann erinnert, der unbedingt an einer bestimmten deutschen Uni Ingenieurwesen studieren wollte. Bei Nachfragen stellte sich heraus, dass der gute Ruf der Uni unter anderem daher rührte, dass sowohl Vater und Onkel dort studiert hatten. Nach eingehender Prüfung und Beratung entschied sich der Mann dann für eine kleine, aber feine Uni im Osten.

Als Studienstandort erfreut sich neben Deutschland, auch Großbritannien zunehmender Beliebtheit „Ob das so bleiben wird, wissen wir aber nicht nicht“, gibt Faber zu bedenken. Nachdem die konservativ-liberale Regierung die Maximalhöhe für Studiengebühren heraufgeschraubt hatte, haben sich diese an fast allen englischen Universitäten verdreifacht. Weil die Regelung erst im nächsten Jahr gelten sollte, war der Ansturm für dieses Jahr so groß, dass der Server der Vergabestelle für Studienplätze zusammenbrach. In Großbritannien gibt es zahlreiche Kombi-Bachelors, also mit zwei thematischen Schwerpunkten, was den Studienort für viele so attraktiv macht. Zudem haben Erstsemester ein Anrecht auf einen Platz im Studentenwohnheim.

Offenbar sind die Englischkenntnisse der Luxemburger Studenten auch ganz passabel. Wer in England studieren will, muss zunächst wie alle Ausländer einen Sprachtest absolvieren. Dass Englisch als Lingua franca Einzug an immer mehr europäischen Unis gehalten hat und hält, bestätigt Faber: „Das gilt für fast alle Fächer.“

Ines Kurschat
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