Seit Wochen lockt der Film Barbie von Greta Garwig Jung und Alt in die Kinos. Unter den Bersucher/innen tauchten auch die Kulturredaktionen der Luxemburger Medienlandschaft auf. Und sind sich – bis auf RTL-Rezensent Loïc Tanson – einig: Irgendwie doch nur Mattel-Werbung.
Für die Wort-Journalistin Anina Valle-Thiele ist Barbie eine „nervige Odysee in rosarot“. Schlimmer noch: Es sei ein Werk ohne Adressat. Denn die selbstironischen Meta-Kommentare der Regisseurin und die verdrehten Dialoge erschließen sich Kindern wohl kaum. Dabei war der Saal, als die Redakteurin sich den Film ansah, fast ausnahmslos mit Sechstklässlerinnen gefüllt. Als Erwachsenenfilm tauge Barbie ebenfalls nicht; als zu platt erweise sich die überdrehte Darstellung der Kens – sie werden samt und sonders als austauschbare „testosterongeladene Machos“ gezeichnet.
Dass sich Ryan Gosling an seinem Image als Hollywood-Schönling abarbeitet und der Film mit flachen Dialogen durchzogen ist – gerade das findet Tom Haas im Tageblatt unterhaltsam. Daneben macht er einen weiteren Pluspunkt aus: Der 90-minütige „postmoderne Albtraum in Pink“ koche eine der ältesten Geschichten der Menschheit auf, nämlich die Vertreibung aus dem Paradies. Die im Film verhandelte Kritik an herrschenden Rollenbildern wie etwa, dass Frauen moralisch einwandfrei mit celulitefreien Beinen alles meistern sollen, klassiert Tom Haas als „Pinkwashing-Kampagne“. Es bleibe ein Film mit dem kaum kaschiertem Ziel, eine Plastikpuppe zu vermarkten.
So fällt auch das Urteil des Filmkritikers Marc Trappendreher im Land aus: Die „offen feministische Kampfansage“ bleibt Werbezweck. Die angestrebte feministischen Gesellschaftskritik reduziere sich auf einen plakativen Geschlechterkampf und denke „keinerlei Perspektive auf wirtschaftliche oder kulturelle Beziehungen mit“. Dramaturgisch sei der Film nicht uninteressant, er spiele mit Gegensätzen: In der Barbiewelt existiert Ken beispielsweise nur durch den „female gaze“ der Barbie; in der realen Welt jedoch wird diese Gefüge auf den Kopf gestellt – dort ist er der Macher. Und so spiegeln sich die beiden Welten im Film ständig. Allerdings wirke der Film gerade wegen dieser Kontraste konturlos.
Barbie sei „en existenziellen an erstaunlech emouvante Film“, kommentiert Loïc Tanson im RTL-Format „Film vun der Woch“. Durch die Schauspielerin Margot Robbie erhalte die Barbie-Puppe „eng onerwaarten emotional Déift“. Originell findet er zudem, dass der Sommerblockbuster mit Referenzen der Filmgeschichte aufwarte: Gleich zu Beginn zitiert der rosarote Streifen Stanley Kubricks 2001: Odyssee im Weltraum und lässt eine Barbie in einer Wüste landen. Dort spielen Kinder noch mit Puppen – baden und kochen für sie, legen sie ins Bett. Nun manfiestiert Barbie sich auf einmal als kinderlose Alleskönnerin – ein neues Vorbild, das für kulturelle Evolution sorgen soll.
Genau diese entbiologisierte Darstellung entspreche nicht der Realität, hagelt es Kritik. Wort-Journalistin Ines Kurschat verlinkte auf Twitter einen Essay der Feministin Gertraud Klemm, den sie als „streitbar und auf den Punkt“ lobte. In diesem Essay schreibt Klemm: „Barbie kann alles andere besser als Mama sein.“ Wie soll sie auch, denn ihr würden die Geschlechtsorgane fehlen. Frausein sei in der Barbiewelt nicht mehr als eine Identität, die die Frage nach der Reproduktionsarbeit nicht stellen könne, so die Österreicherin.
Mittlerweile gibt es mehr Meinungen zu dem Film als Menschen, die ihn gesehen haben. Dem Schweizer Tagesanzeiger antwortete die Philosophin Silvia Federici gestern, sie habe ihn noch nicht gesehen, möchte ihn jedoch kommentieren. Man kann sich also entspannt zurücklehnen und keine Meinung zu Barbie haben, denn es gibt genug Meinungen dazu. Vielleicht gibt es statt Meinungen bald auch einen Aufstand: In Algerien wurde der Film nach ein paar Wochen wieder abgesetzt, weil er angeblich moralisch fragwürdige Ideen verbreite. Daraufhin kam es zu Protesten und zu der Social-Media-Kampagne #IAmBarbie.