2016 – was für ein widerwärtiges Jahr, was für eine Katastrophe. So schien es vielen Zeitgenossen jedenfalls rückblickend. Im vergangenen Dezember wimmelte es in den sozialen Medien vor Schmähreden auf 2016, ein Jahr, das allem Anschein nach nur Verrücktheiten und Garstigkeiten hervorgebracht hatte, Terror, Brexit und einen Horrorclown im Weißen Haus, und das sich überdies mit dem Tod von Bowie, Prince und Cohen für den Verlust einiger der besten Helden der Popkultur verantworten musste.
Grund genug für einen kritischen Rückblick bietet die Hysterie um das vermeintlich worst. year. ever. allemal. Jhemp Hoscheit macht die Probe aufs Exempel. In seinem bei Binsfeld erschienenen Buch geht er die Aufgabe einer zusammenfassenden Rückschau einerseits mit ironischer Distanz an, andererseits mit vollstem Eingeständnis seiner Parteilichkeit. Der Fokus liegt auf dem, was den Autor interessiert – die Flüchtlingskrise, der Nobelpreis für Bob Dylan, die luxemburgische Bildungspolitik. So entsteht das demokratische Nebeneinander von Drama, Anekdote und Witz, wie es auch im Newsfeed von Facebook regiert. Hoscheits Text listet allerdings nicht einfach auf; er besteht in einem Rollenspiel für zwei Sprecher, die sich über die Aktualität des vergangenen Jahres unterhalten, sich aber in ihren Einschätzungen nie uneinig sind. So sehr ergänzen „A“ und „B“ einander in ihren Aussagen, dass Sorry fir deen Duercherneen sich als Zwiegespräch eines einzigen Sprechers mit sich selbst lesen lässt, der versucht, ein wenig Ordnung in die Ereignisse zu bringen, die 2016 prägten.
Hoscheit geht nach einer losen Chronologie vor, die sich – weil sie darauf vertrauen kann, dass das Publikum die Stichwörter verorten kann – nicht mit genauen Datumsangaben abgibt. Seine Darstellungsmittel sind die von Satire und Sprachwitz, wie er in der Einleitung des Buches vorausschickt; die kritische Haltung seiner Figuren zum Geschehen, das sie kommentieren, bleibt im Bereich der ironisierenden Andeutung. Dabei sieht Hoscheit seine Rolle als Betrachter des Tagesgeschehens und als Medienkonsument gelegentlich kritisch. Nicht hinsehen, ermahnen sich seine Sprecher immer wieder selbst, wenn sie sich über Terroranschläge informieren, dem Terror keine Bühne bieten. Andererseits lautet die Devise in den meisten Fällen, genau dort hinzusehen, wo sich zu viele Blicke abwenden: „Idomeni? Seet deen Numm iech nach eppes?“
Wo sich „A“ und „B“ über den Präsidentschaftskandidaten Trump auslassen oder das diktatorische Gebaren eines Orbán oder Erdoğan aufs Korn nehmen, mag man einwenden: eine bequeme Satire, da Trump und Konsorten kriti sche Anwürfe aus der Feder eines Luxemburger Schriftstellers mit der größten Selbstverständlichkeit ignorieren, und wenn die Néischen noch so nachhaltig gebrändet wird. Hoscheit richtet seinen Blick jedoch vor allem landeinwärts. „Als Banker lieft et sech och besser wéi op enger Oppositiounsbänk“, lässt er „A“ im Hinblick auf das geplante politische Comeback von Luc Frieden sagen; „B“ hingegen moniert: „Wien d’Schoul zu Lëtzebuerg ouni Héichschoul-Diplom ofschléisst, dee ka souguer Héichschoulminister ginn.“ Sein Konterpart frotzelt: „Et weess een ni, wou sech potentiell Wahlkandidaten als Journalisten tarnen.“ Die Kritikpunkte sind sicher nicht neu, auch dort nicht, wo sich Hoscheit über den neuen Luxemburger Patriotismus auf dem Alzinger Oktoberfest lustig macht und bedauert, dass die selbsterklärten Retter der luxemburgischen Sprache nicht in luxemburgische Literatur investieren. Was Hoscheit seine Figuren hier aussprechen lässt, war in der einen oder anderen Form schon 2016 zu lesen und zu hören, doch der erfrischende Unterschied – etwa zu den Gelegenheitsrittern in den unendlichen Weiten des Internets – besteht darin, dass er es in beständiger Buchform vorlegt und mit seinem Namen zeichnet. So persönlich, so mutig.
Schwächen weist der Band dort auf, wo die Kritik derart pauschal ausfällt, dass sie eher ein Klischee bedient, als einen konkreten Adressaten zu visieren (etwa wenn „A“ schimpft: „Dat schmiregt Gesabbels vun eise Politiker! Sie léien, ouni datt d’Stëmm wackelt.“). Auch verpufft manch triftige Beanstandung in einer folgenlosen Anspielung („O wie schön ist Panama! An der Haaptroll: de Guychen... an seng Tigerente.“). Sinn eines Kabarettprogramms wie Sorry fir deen Duercherneen ist bei aller Anstiftung zum Nachdenken wohl vor allem, das Publikum zu erheitern. Die Bespaßung hat ihren Preis. Wo sich „de Wiseler“ hoffnungsvoll über das Politbarometer beugt und „de Meisch“ als Darth Vader das Schulsystem knechtet, findet eine Verniedlichung statt, die der Kritik ihre Spitzen nimmt und dieser Satire eine vielleicht zu freundliche Note verleiht.