Als Kommunikationsminister Jean-Louis Schiltz vergangenes Jahr um diese Zeit ankündigte, Luxemburg werde als erstes EU-Land vollkommen auf digitales Fernsehen umsteigen – und zwar schon ab 2008 – da wurde vielen Luxemburgern Angst und Bange. So schnell umschalten hätte für viele die baldige Anschaffung neuer Geräte bedeutet, oder aber sie hätten in die Röhre gekuckt.
Soweit kam es nicht. Der Minister musste kräftig zurückrudern. Er einigte sich mit dem Verbraucherschutz und den Kabelnetzbetreibern darauf, das analoge Angebot bis November 2011 aufrechtzuerhalten. Die Kabelnetzbetreiber wandeln das digitale Signal, das sie von den Sendern erhalten wieder in ein analoges um. Die Zahl der Sender allerdings, die noch analog zu empfangen sind, werde zurückgeschraubt, hieß es damals.
„Ich bin über die fehlende Abschaltung enttäuscht“, sagt Sven Herzog aus Wasserbillig. Er ist kein gewöhnlicher Fernsehzuschauer aus dem Osten Luxemburgs, sondern Inhaber der Radio- und Fernsehsender Antenne West, die in Trier und Umgebung regionales Programm machen. Als die Nachricht von Luxemburgs technischem Fortschritt durch ganz Europa schallte, dachte er sich: „Da machen wir mit.“ Antenne Luxembourg heißt der neue Sender, den die Inhaber einer Digibox im Eltrona-Netz seit ein paar Wochenempfangen können. Darauf sehen sie zur Zeit, morgens zwischen sechs und neun die Moderatoren und Studiogäste der Morning show. Und abends ab 19 Uhr eine Stunde Magazin.
Das besteht aus: Einer Nachrichtensendung von fünf bis sieben Minuten Länge, einigen selbst erstellten Berichten und Studiogästen. No-Comment-Bilder, vom Karnevalsumzug bis zum Autounfall. Kaum zu glauben aber wahr: „Das bringt unheimlich Quote“, sagt Herzog. In der Nachrichtensendung soll eher die öffentliche Meinung im Vordergrund stehen, weniger die Meinung der Redakteure oder die der politischen Akteure. So will er sich vonRTL unterscheiden. Der Öffentlichkeit den Vorrang geben, das fehltseiner Meinung nach in deren Berichterstattung.
Antenne Luxembourg – ein neuer Luxemburger Sender, mit dem Ziel einer landesweiten Ausstrahlung. Der Vergleich mit T.TV ist da nicht weit. Kann ein solches Abenteuer ein gutes Ende nehmen, wenn man mit einem Etat von 1,8 Millionen Euro im Jahr dreiRadiosender, ein Fernsehprogramm und ein Magazin erstellt? Will das, was Herzog vorhat, überhaupt jemand in Luxemburg sehen?Herzog selbst ist davon jedenfalls überzeugt. Sein Trierer Regionalprogramm Antenne West erreicht täglich eine Quote von 38 Prozent. Über einen Zeitraum von 14 Tagen schalten 63 Prozent der Leute im Sendegebiet mal rein. Durchschnittlich gucken sie sein Programm während acht Minuten. Die Zahlen werden jährlich vom Institut Isma ermittelt, dafür werden sogar öffentliche Gelder eingesetzt. In seinem Sendegebiet erreicht der Sender fast ebensoviele Leute wie ProSieben, sagt Herzog nicht ohne Stolz. Die Antenne West hatte zu Zeiten von T.TV dort eine halbe Stunde Sendezeit. Schon damals seien die Zuschauerzahlen in Ordnung gewesen, „bis zu 137 000 in 14 Tagen“, so der Geschäftsleiter.
Was ihn an der aktuellen Nachrichtenlage in Luxemburg stört: „Die Region Trier findet überhauptkeinen Widerhall in Luxemburg.“ Er nennt ein Beispiel: Passiere auf der Autobahn Richtung Trier in Wasserbillig ein schwerer Unfall, sei das tags drauf in allen Luxemburger Medien ein Thema. Komme es zu einem ähnlich schweren Unfall nur einen Kilometer hinter der deutschen Grenze, interessiere dies niemanden. Sein Ziel: Ein Programm anbieten, das für die Einwohner Luxemburgs und die im deutschen Grenzgebiet gleichermaßen von Interesse sein kann. Denn einerseits arbeiteten immer mehr Deutsche in Luxemburg, andererseits würden immer mehr Luxemburger, von den hohen Immobilienpreisen vertrieben, über die Grenze nach Deutschland ziehen. Erstere hätten ein Interesse an den Geschehnissen in der Nähe ihres Arbeitsplatzes.Letztere würden gerne wissen, was nahe ihrem neuen Wohnortlos sei. So lässt Antenne (ob West oder Luxembourg) – nach dem Prinzip: nahamMenschen – zum Beispiel eine junge deutsche Frau, die in Luxemburg arbeitet, erzählen, wie sie sich organisiert, seit sie Mutter geworden ist. Während sie über Kindergeld und Tagesstätte spricht, krabbelt im Bild das Kind.
„Gutes Heimatfernsehen machen“, das ist Herzogs Anspruch. Das beinhaltet nicht entweder Trier und Umgebung oder Luxemburg, sondern beides. Als Heimat gilt in dem Fall die Großregion, seine deutschsprachigen Radiosender werden auch in Ostbelgien, nahe St.Vith gehört. Wenn es nach ihm geht, wird auch das Luxemburger Programm in deutscher Sprache sein. Denn, das hat Herzog per Umfrage ermitteln lassen: Die Luxemburger stört das nicht. Von über 700 der vom Isma-Institut Befragten, sagten rund 40 Prozent, ihre am liebsten gesprochene Fremdsprache sei Deutsch. Nur zwei Prozent verstanden die Sprache überhaupt nicht. Rund 18 Prozent antworteten dagegen, ihre Lieblingsfremdsprache sei Französisch. In einer zweiten Erhebung sollen die Einwohner Luxemburgs und die, die in einem Radius von 15 Kilometern hinter der Grenze inFrankreich, Deutschland und Belgien wohnen, gefragt werden, welche Radio- und TV-Sender sie am besten kennen.
Insgesamt beschäftigt Herzog 31 Mitarbeiter, davon 16 Redakteure.Sie sorgen für den Inhalt der Radiosendungen, des Fernsehprogramms, eines Magazins, dessen Artikel aus den Fernsehsendungen abgeleitet werden und auch der Internetseiten.Über den Sommer möchte er zwei Teams aufbauen, die in Luxemburg unterwegs sein werden. So soll der aktuelle Anteil anLuxemburger Nachrichten erhöht werden. Dazu sucht Herzog noch Kooperationen mit Luxemburger Printmedien. DerenRedakteure könnten dann auch Informationen liefern, die in Berichteumgewandelt würden. Bisher steht eine solche Zusammenarbeitmit einer Luxemburger Zeitung aber nicht. Perfekte cross media-Arbeit, oder geht bei der verhältnismäßig geringen Mitarbeiteranzahl die Qualität flöten?
Weiteres Luxemburger Programmelement: Sascha Lang, Geschäftsführer der Luxemburger Firma Get Up Music, die unter anderem als Konzertveranstalter tätig ist, testet derzeit auf Antenne West Radio eine zweistündige Kultursendung. „Mit großem Erfolg“, wie Herzog bekräftigt. Die soll nun bald in Bild festgehalten werden, und auch auf Antenne Luxembourg zu sehen sein.
Wird sich das neue „Luxemburger“ Fernsehprogramm besser etablieren können, als das Tango und T.TV gelang? Schwer zu sagen. Wer sich in den Studios und Büros von Antenne West und der dazugehörigen Vermarktungsfirma umsieht, stellt fest, der Auftritt nach aussen ist dem von T.TV nicht unähnlich. Nicht schlecht, aber die hiesige Konkurrenz sieht ungleich professioneller aus, das technische Inventar entspricht den finanziellen Möglichkeiten eines kleinen Unternehmens, nicht dem eines börsennotierten Konzerns wie RTL. Die Moderatorin richtet sich hier die Haare selbst, bevor sie ins Studio geht. Symaptisch, aber auf Kirchberg undenkbar. Die Nachrichtenauswahl konzentriert sich vor allem auf das, was man inLuxemburg allgemein faits divers nennt, und das Hervorheben der öffentlichen Meinung, mag manchen wenig anspruchsvoll erscheinen. Dass aber viele Zuschauer genau das sehen wollen, daran gibt es wenig Zweifel.
Herzog hat ein weiteres As im Ärmel. Neuer Programmchef seinerSender und Moderator der am Aschermittwoch frisch gestartetenMorning show – die auch auf Antenne Luxembourg zu sehen und zuhören ist – ist Radiokomiker Jochen Kneifeld. Der ist besser bekannt als Rainer Knallinger, dem SWR3 Telefonator, der nichts ahnende Leute am Telefon verulkte.Ein Programmchef also, der vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk kommt und an Erfahrung und Professionalität niemanden etwas beweisen muss. Und der auch unter Luxemburgern viele Lacher provoziert. Die Firma selbst hat einige Jahre an Fernseh- und Rundfunkerfahrung aufzuweisen.Der „Luxemburger“- Kanal ist eher als Ausweitung der Aktivitäten zu sehen. Die Entscheidung, die deutsche Sprache in den Vordergrund zu stellen, macht Sinn, zumindest wenn ein luxemburgisches Publikum erreicht werden soll. Sie erlaubt es außerdem, ein einziges Programm für die Luxemburg und dieRegion Trier herzustellen und somit Kosten zu sparen.
Werbekunden hat die Firma im Großherzogtum etliche. Darunter zum Beispiel Luxemburger Möbelhäuser und Kinderbekleidungsläden, die deutsche Kunden locken wollen.Durch seine Vermarktungsfirma hat Herzog bereits Kontakte bei der Werbekundschaft, hüben wie drüben. Augenblicklich kostet die mehrmalige Ausstrahlung eines TV-Spots während einer Woche gerade Mal 79 Euro. Da ist so wenig, dass man es kaum ernstnehmen kann. Aber auch hier kann Herzog mit Referenzen aufwarten. Die Vermarktung von RTL 93,3 in Deutschland macht seit geraumer Zeit seine Firma Regie 1.
Gebremst wird Herzog in seinem Elan und in der Entwicklung seines neuen Kanals lediglich durch das Aufrechterhalten des analogen Signals. Denn er hat keine analoge Frequenz, und er bekommt sie auch nicht. Seit digitalem Sendestart wird dieAnzahl der analog empfangbaren Kanäle zurückgeschaltet, nicht mehr erweitert. Das hätte Antenne Luxembourg auch nicht gebraucht, hätte sich die Sache so entwickelt, wie es der Kommunikationsminister etwas voreilig und sehr optimistisch imFebruar 2007 verkündet hatte. Der Sender hätte gleich den gesamtenKundenstamm der Kabelnetzbetreiber als potenzielle Zuschauer gehabt. Das ist nun nicht der Fall. Von den 90 000 Eltrona-Kunden haben bisher 13 000 auf digital umgerüstet.
Eine beachtliche Entwicklung, wie Geschäftsführer Paul Denzle meint. Aber es ist dieMinderheit. Denzle ist zuversichtlich, dass es bis Ostern schon 15 000 sein werden. Wann das analoge Signal endgültig verschwindet, ist nicht abzusehen. Bis Ende November 2011 soll es auf jeden Fall Bestand haben. „Stellen die Kundenschon vorher um, und es gibt in unserem Netz keine Nachfrage mehr, dann könnte man auch früher abschalten“, sagt Denzle. Andererseits müsse man sich überlegen, was zu tun ist, wenn dies die Zuschauer nicht tun. Weitersenden? Denzles Antwort klingt nach Jein. Möglich scheint es. „Ich kann nicht überblicken, obwir dann weiterhin das technische Material erhalten, um das Signalumzuwandlen,“ fügt der Eltrona-Chef alsbald hinzu.
À propos Technik. Antenne Luxembourg wird nicht über Satellit, sondern über eine Glasfaserleitung von Trier nach Luxemburg in die Systeme von Eltrona und Coditel übermittelt. Dafür hat das Unternehmen, das einen Jahresumsatz von 2,8 Millionen Euro verbucht, 40 000 Euro investiert, derzeit wird die Stabilität getestet. Da sich das Ende des analogen Zeitalters unbefristet hinauszuzögerndroht, denkt Herzog über Alternativen nach. Da wäre zum Beispieldok. Allerdings warnt der offene Kanal auf seiner Webseite großdavor, dass man für mittwochs keine Sendezeit ergattern konnte.