Diese Woche erklärte die isländische Fluggesellschaft Iceland Express ihren im Juni begonnenen Versuch, eine Flugverbindung zwischen Luxemburg und New York zu betreiben, für gescheitert. Dass der Billigflieger den Dienst ab Luxemburg einstellt, ist keine Katastrophe für den um Auslastung bemühten Findel, der immerhin einen internationalen Rang im Frachtfluggeschäft und eine Kundschaft für die meisten Kurzstrecken hat. Da man ohnehin in Island zwischenlanden musste, kann man mit einer ähnlichen Unannehmlichkeit auch über einen anderen europäischen Flughafen nach New York kommen, möglicherweise sogar mit leidlich besserem Kundendienst, insbesondere wenn es sich um eine vom Betrieb bezahlte Geschäftsreise handelt.
Um so größer ist aber die symbolische Bedeutung. Sie knüpft schließlich an die großen Zeiten der Goldenen Nachkriegsdreißiger an, als die ebenfalls isländische Loftleidir, später: Icelandair, ab Luxemburg nach New York flog. Damals war das Fliegen noch ein Luxus, und die Billigtarife ab Luxemburg demokratisierten den Transatlantikflug. Sie ermöglichten selbst Rucksacktouristen aus halb Europa die Pilgerreise in die aufregende Hauptstadt des 20. Jahrhunderts.
Mit dem Abzug der Icelandair war dieser Traum ausgeträumt. Das Großherzogtum verlor nicht nur seine Verbindung zur viel bewunderten Heimat seiner Befreier, sondern auch zur Heimat der Moderne und des Fortschritts. Um so schmerzlicher war deshalb die Niederlage, die die Luxair vor einem Jahrzehnt erlitt, als sie mit ihrem Versuch scheiterte, Icelandair zu ersetzen und sogar Direktflüge zwischen Luxemburg und New York anzubieten. Danach hatte Iceland Express schon vor drei Jahren einmal kurz eine Atlantiklinie ab Luxemburg getestet, bevor es sie nun nach bloß drei Monaten erneut aufgibt. So bleibt der Boulevard Royal das einzige nennenswerte Finanzzentrum, das keine Flugverbindung zur Mutter aller Finanzzentren, der Wall Street, unterhält.
Hatten Großherzogin Charlotte und ihre Exilregierung sich während des Zweiten Weltkriegs in den USA bemüht, „to put Luxembourg on the map“, so scheint Luxemburg mit jeder gescheiterten Flugverbindung in den wirtschaftlich, politisch und militärisch wichtigsten Staat der Erde wieder ein wenig von der Weltkarte zu verschwinden. Im Zeitalter der Globalisierung rutscht es etwas weiter in das Provinzielle zurück, so wie es nicht einmal richtig gelingt, den Anschluss an die großen Eisenbahnknotenpunkte und Schienenwege des Kontinents zu erkaufen. Nach dem Ende des Kalten Kriegs muss das Gründungsmitglied der EU schon zufrieden sein, wenn es eine Rolle in der Großregion spielt.
Nicht minder bemerkenswert aber ist, dass die isländische Billigfluggesellschaft aus Luxemburg abzieht, weil sie den deutschen Billigflughafen Hahn bevorzugt. Obwohl die Flughafenverwaltung auf dem Findel erklärte, viel Geld in die Werbung für die Verbindung mit New York investiert zu haben. So wie einst Luxemburg in vielen wirtschaftlichen Bereichen seine Souveränitätsnischen ausspielte und die großen Nachbarländer mit mehr Liberalisierung und Deregulierung, vorübergehend „Dumping“ genannt, unterbot, so wurde es nun von einem liberalisierten und deregulierten Nischenflughafen in einem der großen Nachbarländer unterboten, das heißt mit den eigenen Waffen geschlagen. Damit steht die diese Woche bekannt gewordene Entscheidung einer kleinen isländischen Fluggesellschaft, die ihren Fluggästen nicht einmal ein Glas Wasser spendiert, vielleicht in doppelter Hinsicht für ein zu Ende gehendes Luxemburger Wirtschaftsmodell.