Hitparade

d'Lëtzebuerger Land du 02.05.2025

„Seine Chancen, der nächste Papst zu werden, liegen derzeit bei 12:1“, urteilte Newsweek über Kardinal Jean-Claude Hollerich am Tag nach dem Tod von Papst Franziskus. Die Saarbrücker Zeitung schrieb zwei Tage später, er zähle „zu den Favoriten“ und habe sich „als einer der ersten Kardinäle zum Tod von Papst Franziskus“ sowie zum bevorstehenden Konklave geäußert. Auf Zeit Online tauchte Hollerich unter den neun aussichtsreichsten Kandidaten auf. In einer Liste der ARD-Tagesschau belegt er Platz sechs, in einer 13-köpfigen Auswahl von CNN wird Jean-Claude Hollerich als „Frontrunner“ geführt. Wie bei den Hitparaden aktueller Popsongs an Samstagnachmittagen im Radio geht es auch bei den Papst-Rankings auf und ab.

In der NZZ gibt Luzi Bernet zwar keine Prognose ab, betont jedoch, Hollerich sei als Generalrelator der Weltsynode „nicht zu unterschätzen“. – Beobachter attestierten ihm diplomatisches Geschick. Die Welt nennt ihn einen der einflussreichsten Männer im Vatikan. „Schon seit einiger Zeit wird in Rom etwa der Name des Luxemburger Erzbischofs Jean-Claude Hollerich genannt“, schreibt die FAZ. Großherzogin Maria Teresa steht hinter ihm; „Monseigneur Hollerich“ habe „mutige Positionen eingenommen“, wird sie im Wort zitiert. Sie denkt dabei womöglich an seine Offenheit gegenüber der Weihe von Frauen und einer Lockerung des Zölibats. Zudem befürwortet er die Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften und unterstützte den Papst bei der Aufarbeitung der Missbrauchsskandale. „Hollerich ist der Liebling liberaler Katholiken“, schreibt der Schweizer Blick und zählt ihn zu den sieben aussichtsreichsten Kandidaten.

Doch er scheint vor allem der Liebling der deutschen Medien zu sein. Im Archiv des staatlichen Pressedienstes finden sich besonders viele Beiträge über Kardinal Hollerich aus dem Trierer Volksfreund, der Saarbrücker Zeitung, der Süddeutschen Zeitung, der Zeit, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sowie von Domradio. Auch sein Interviewband Was auf dem Spiel steht: Die Zukunft des Christentums in einer säkularen Welt, der 2022 im Freiburger Herder Verlag erschien, richtete sich an ein deutschsprachiges Publikum. Manche luxemburgische Laien interpretierten das Buch damals als Bewerbungsschreiben für ein Amt im Vatikan – und so kam es auch. Die deutschen Bischöfe, die mehrheitlich Reformen fordern und im Vatikan als zu forsch geltend isoliert wurden, setzen nun auch beim Konklave auf Hollerich; darunter Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, wie er vergangene Woche dem Wort mitteilte.

Der Wunsch vieler reformorientierter deutscher Katholiken, bei einem Papst Hollerich auf ein offenes Ohr zu stoßen, dürfte sich jedoch nicht erfüllen. Denn Hollerich wird vermutlich als Kardinal ins Konklave gehen – und auch als Kardinal wieder herauskommen.
Das liegt nicht nur an seiner historisch-kritischen Herangehensweise an Bibel und Kirchengeschichte, die vielen Konservativen missfällt. Er „tickt“ auch ähnlich wie der Jesuit Bergoglio, wie es der KNA-Journalist Ring-Eifel formulierte. Beide beschreiten einen Entscheidungsweg „ganz eigener Art“, geprägt von Beratung, Gebet und Meditation. So wollen sie die Stimme des Heiligen Geistes vernehmen – für ihr Umfeld wirken sie damit jedoch bisweilen sperrig und eigensinnig. Auf einen Jesuiten folgt womöglich kein Jesuit. Zudem hat Kardinal Hollerich mehrfach glaubhaft angedeutet, dass er sich auf dem Heiligen Stuhl nicht unbedingt wohlfühlen würde.
Bei all diesen Hollerich-Spekulationen gerät fast in Vergessenheit, dass auch der luxemburgische Eurovision-Popstar Laura Thorn in zwei Wochen auftritt. Die Prognose für die Poupée ist allerdings eindeutiger als die für den Papst: Derzeit liegt sie bei den Buchmachern auf Platz 29.

Stéphanie Majerus
© 2025 d’Lëtzebuerger Land