„Kein Essen oder Getränke in diesem Bereich“ steht auf der Tür, die sich nur Befugten mit gültigem Sicherheits-Badge öffnet. Dahinter: ein kleines Büro, in den Regalen liegen allerlei Kabel, Stecker, Schraubenschlüssen und -zieher; auf dem Tisch in der Mitte des Raumes ruht zur Mittagspause das Lötgerät. Daneben steht ein mit Solarzellen verkleideter Kasten, 30 mal 30 Zentimeter groß. So klein eigentlich, dass man ihn problemlos unter dem Arm tragen könnte. In wenigen Wochen wird dieses Objekt die Erde umkreisen. Denn in diesem unscheinbaren Raum, in einem Containergebäude in Telekom-Zentrum Betzdorf, baut die Firma Luxspace Satelliten.
Luxspace wurde 2004 als Schwestergesellschaft von der Firma OHB aus Bremen gegründet. Die Entscheidung für den Standort Luxemburg hatte mehrere Gründe, wie Geschäftsführer Jochen Harms erklärt. „Die Gruppe war damals auf Expansionskurs, und in der Raumfahrt kommen die meisten Projekte von der Europäischen Raumfahrtbehörde Esa“, so Harms. „Die Esa verlangt immer, die Projekte auf möglichst viele nationale Schultern zu verteilen.“ Im Folgejahr 2005 trat Luxemburg der Esa bei, was Luxemburger Firmen die Möglichkeit eröffnete, an Esa-Programmen mitzuarbeiten. Doch auch die früheren Kontakte zur SES, mit der die OHB-Firmengruppe schon vorher zusammengearbeitet hatte, spielten eine Rolle. „Ich stand damals mit einem Bekannten von der SES in Kontakt, der fragte, ‚warum macht ihr nicht hier eine Firma auf?’“, erzählt der Geschäftsführer. „Das hat dann alles gut gepasst.“ Außerdem sei Luxemburg allein durch die Präsenz des Satellitenbetreibers SES ein Raumfahrtland, sagt Harms jenen, die sich wundern, dass im Stahl-, Bauern- und Bankerstaat Luxemburg Raumflugkörper gebaut werden.
Angefangen hat Luxspace mit dem Sammeln von landwirtschaftlichen Statistiken für das Europäische Statistikamt Eurostat. Als 2007 die Arbeiten zum ESA-Programm Small Geo begannen, das darauf abzielt, einen vergleichsweise kleinen Geo-Satelliten zu entwickeln, zu starten und daraus ein marktfähiges Produkt zu machen, waren Luxspace und die Schwestergesellschaft OHB Teil des ausgewählten Firmenkonsortiums. Auch für solch kleine Satelliten gibt es einen Markt, ist Harms überzeugt. Zum Einsatz kommen könnte diese Art Trabant beispielsweise, um ganz gezielt Internetdienste in verschiedenen Regionen anzubieten. Der Vorteil kleinerer Raumflugkörper: ein entsprechend geringerer Investitionsaufwand. „So muss man nicht 250 oder 300 Millionen investieren, sondern vielleicht nur 100 oder 120 Millionen Euro“, veranschaulicht Harms das Beispiel vom regionalen Internetangebot. Bei Small Geo sind die Ingenieure von Luxspace für die Konzeption und die Prüfung von Teilen der Kommunikations- und Steuerungstechnik zuständig, entwickeln aber auch Software, unter anderem für den Simulator. Wenn es OHB gelingt, im Auftrag von kommerziellen Betreibern weitere Small-Geo-Satelliten zu bauen, wird Luxspace jeweils als Subunternehmer diese Aufgaben übernehmen.
Verwendung für kleine oder Kleinstsatelliten sieht Luxspace aber nicht nur im Kommunikationsbereich. Seit Anfang des neuen Jahrtausends müssen sämtliche Schiffe ab einem Gewicht von 300 Tonnen weltweit mit AIS (Automated Identification System) ausgestattet sein, das alle paar Sekunden ein Signal aussendet, das von anderen, ebenfalls mit AIS-Sendern ausgestatteten Schiffen empfangen wird. War das System zur Vermeidung von Zusammenstößen ursprünglich auf die Kommunika-tion zwischen Schiffen und mit der Küste ausgerichtet, kann das Signal auch im Weltraum empfangen werden. Seit 2007 beschäftigt sich Lux-space mit dem Thema AIS und startete 2009 den ersten, von Luxspace selbst entwickelten und gebauten Kleinstsatelliten Pathfinder 2. „Er wiegt nur acht Kilo, funktioniert aber immer noch“, sagt Harms. Um aus dem Projekt ein vermarktungsfähiges Dienstleistungsangebot zu machen, hat die Firma bei der Luxemburger Regierung eine Konzession zum Betrieb eines Satellitensystems beantragt und Ende Juli auch erhalten. Zwei weitere Satelliten, Vesselsat 1 und 2, sind in Betzdorf im Bau. Der erste soll Anfang Oktober von einer indischen Trägerrakete auf Orbit gebracht werden, der zweite Anfang Dezember von einer chinesischen Rakete.
Die Daten, die von den Luxspace-AIS-Satelliten gesammelt werden, seien sowohl nationalen, wie internationalen Behörden von Nutzen, meint Harms. „Regierungen wollen wissen, wo die Schiffe unterwegs sind, die unter ihrer Flagge fahren“, führt er aus. Und im Rahmen der Anstrengungen gegen Piraterie, Drogenhandel oder Terrorismus sei es ebenso nützlich zu wissen, wo sich die von anderen Nationen beflaggten Schiffe befinden, fügt Harms hinzu. Im Auftrag der Nato überwacht Luxspace schon jetzt die Schiffsbewegungen im Mittelmeer, zur Zufriedenheit des Bündnisses, sagt Harms.
Auch die EU und andere internationale Gremien könnten sich im Hinblick auf die Umsetzung der Fischereipolitik für die Luxspace-Daten interessieren. Wenn Fischerboote auf Hochsee immer wieder auf die gleichen Frachtschiffe treffen würden, den Hafen aber leer anliefen, läge der Verdacht nahe, dass der Fang auf See umgeladen wird, um Fischerei-Einschränkungen zu umgehen, nennt Harms eine weitere Einsatzmöglichkeit. „Auch Privatfirmen sind Käufer solcher Daten“, sagt er. „Reedereien wollen wissen, wo ihre Schiffe sind. Rohstoffhändler wollen wissen, wo sich welche Ladungen befinden, weil das die Preise beeinflusst.“
Weil diese Art von Informationen auch solche Käufer interessieren kann, die weniger hehre Ziele verfolgen, habe die Firma bei neuen Kundenanfragen bisher immer Rücksprache mit der Regierung genommen und auch schon Anfragen aus Ländern, die auf der von George W. Bush nach dem 11. September 2001 definierten „Achse des Bösen“ liegen, abgelehnt. In der Zwischenzeit habe man gemeinsam mit dem Telekommunikationsministerium eine Standardprozedur zur Kundenkontrolle ausgearbeitet, um sicherzustellen, dass die sensiblen Daten nicht in falsche Hände geraten.
Für die Firmenstrategie sei das AIS-Programm, in dessen Rahmen Luxspace im Auftrag der Esa mehrere Studien durchführt und im Herbst einen Empfänger an der Internationalen Raumstation ISS anbringen wird, sehr wichtig, erklärt Harms. Die Durchführung des Projekts sei, wie er meint „vergleichsweise einfach“, die finanziellen und technologischen Risiken für eine junge Firma mit 30 Mitarbeitern überschaubar. „Diese Satelliten können wir für einen Preis bauen, der noch attraktiv ist.“ Genauer: zwei bis drei Millionen Euro. „Ein, maximal zwei, Satelliten jährlich“ soll die Firma bauen, bis auf maximal 50 die Zahl der Mitarbeiter steigen. Die Firma trägt sich selbst, sagt ihr Geschäftsführer. Bei einem Jahresumsatz von fünf Millionen Euro könne die Firma zwischen fünf und zehn Prozent Gewinn verzeichnen. In Jahren wie dem vergangenen, als Luxspace die Entwicklungskosten für die Satelliten selbst schultern musste, sei es weniger gewesen. 50 Prozent der Aufträge stammen von der Esa, 50 Prozent von kommerziellen Kunden, sagt Harms, der mit dieser Statistik schon recht zufrieden ist.
Für die Zukunft hat sich Luxspace vorgenommen, weitere Aufträge für den Satellitenbau in der Kategorie 30 bis 100 Kilogramm an Land zu ziehen. Dass es eine Nachfrage von Privatfirmen dafür gibt, davon ist Harms überzeugt. Auch, weil Lux-space die kleinformatigen Satelliten relativ schnell baue. „Andere Firmen können einen Satelliten innerhalb von drei bis vier Jahren bauen. Für unseren haben wir ein Jahr gebraucht.“ Zudem versuche Luxspace, sich den technologischen Fortschritt am Boden zunutze zu machen, indem durch den Einsatz von neuester und robuster Industrie- anstatt von spezialisierter Raumfahrttechnik die Kosten gesenkt würden.
Gemeinsam mit der Regierung sollen im Rahmen einer Studie weitere Anwendungsmöglichkeiten für kleine Satelliten erörtert werden. Ideen gibt es schon: Neben der Schiffsbewegungsüberwachung könnten sie auch zur Überwachung der Frequenzen, zur Erdbeobachtung oder zu wissenschaftlichen Zwecken eingesetzt werden, meint Harms. Zwar können das große Satelliten auch – aber zu einen vielfach höheren Preis.