Zu jahrzehntealten gesellschaftlichen Problemen, wie Arbeitslosigkeit, Wohnungspreise und Verkehrsstaus, schreibt jede Partei alle fünf Jahre feierliche Erklärungen und zahlreiche Detailvorschläge in ihr Wahlprogramm und bedauert gleichzeitig, dass sie kein Allheilmittel weiß. Daneben wird am 20. Oktober über aktuelle Schlüsselfragen abgestimmt. Für die vier Parteien CSV, LSAP, DP und Grüne, aus denen die nächste Regierung hervorgeht, sind die Antworten auf diese Schlüsselfragen Fertigbausteine zur Konstruktion eines Koalitionsabkommens.
Auch Schulkinder aus romanischen und slawischen Ländern lernen in der öffentlichen Schule auf Deutsch schreiben und lesen – oder auch nicht. Die Parteien tasten sich an die Möglichkeit einer Alphabetisierung auf Französisch heran.
Die CSV verspricht: „Deshalb schaffen wir die Möglichkeit einer Alphabetisierung auf Französisch oder einer zweisprachigen Alphabetisierung.“
Die bisher ablehnende LSAP will vorsichtig „ein Pilotprojekt in der Grundschule initiieren, das auf französische Alphabetisierung setzt und die deutsche Sprache als Fremd- bzw. Zweitsprache anbietet (diese Initiative sollte aus Sicht der Sozialisten dann im Sekundarschulbereich fortgesetzt werden)“.
Auch die DP will „in Projektversuchen untersuchen lassen, ob das Konzept einer zweisprachigen Alphabetisierung Abhilfe leisten kann“.
Die Grünen wollen dagegen vage „an der Grundschule die drei offiziellen Sprachen unterrichten, ohne dass Mängel in einer dieser Sprachen automatisch zu einem Schulversagen führen“.
Unternehmerverbände und der LSAP-Wirtschaftsminister haben das Legislativwahlrecht für Ausländer erstmals zu einem Thema bei Kammerwahlen gemacht.
Die LSAP verspricht „die progressive Öffnung des aktiven Wahlrechts bei Parlamentswahlen für nicht-luxemburgische Mitbürger, die bereits an Gemeinde- und/oder Europawahlen teilgenommen haben“.
Die DP wünscht sich erst einmal, dass „eine Debatte über die Ausdehnung des aktiven und passiven Wahlrechts auf die nationalen Wahlen geführt und bis 2016 abgeschlossen werden muss. [...] Wir denken, dass vor allem das grundsätzliche Kriterium der Residenzdauer strenger sein sollte, als wie bei der von uns vorgeschlagenen Reform des Nationalitätsgesetzes. Ausländische Mitbürger, die diese Kriterien erfüllen und sich in die Wählerliste eingetragen haben, müssen wie alle Luxemburger die Wahlpflicht respektieren“.
Die Grünen wollen „das allgemeine aktive Wahlrecht bei den Nationalwahlen auch auf nichtluxemburgische Bürgerinnen und Bürger ausdehnen, sofern sie seit mindestens fünf Jahren im Land wohnen. Sie sollen automatisch in die Wahllisten eingeschrieben werden, wenn sie dadurch nicht ungewollt ihr nationales Wahlrecht im Heimatland verlieren. Damit müssten dann auch Nicht-Luxemburger Bürgerinnen und Bürger der in Luxemburg üblichen Wahlpflicht nachkommen“.
Dagegen ist für die CSV klar: „Wir werden das Wahlrecht auf nationaler Ebene den Luxemburgern vorbehalten. Wir werden indes im Rahmen der Verfassungsreform den Zugang von Nicht-Luxemburgern zu verschiedenen Referenden ermöglichen.“
Die Dienstleistungsschecks zur Kinderbetreuung sollen Kindergelderhöhungen ersetzen, in deren Genuss auch Grenzpendler kämen. Nun gelten sie als kompliziert und teuer – außer für die CSV, die sie nicht mehr in ihrem Wahlprogramm erwähnt.
Die LSAP schlägt lediglich vor, „dass die Berechnungsgrundlage für die ‚Chèques-Service Accueil’ überprüft und progressiv gemäß Einkommenslage gestaffelt und dabei gleichzeitig sichergestellt wird, dass soziale Mixität in Betreuungseinrichtungen durch attraktive Preisangebote erhalten bleibt und gefördert wird“.
Doch die DP will „das System der ‚chèques-services’ deshalb abschaffen und durch ein vereinfachtes System ersetzen, bei dem der Staat die Kosten für die Kinderförderung direkt übernimmt“.
Auch die Grünen meinen: „Dadurch sollen die administrativ schwerfälligen ‚Chèque-Service Accueil’ durch eine flächendeckende, qualitativ hochwertige und kostenlose Kinderbetreuung für alle Kinder ersetzt werden.“
Durch die vorgezogenen Wahlen wurde die schon einmal aufgeschobene und als Preis für die Reform des Beamtenstatuts angesehene Punktwerterhöhung für den öffentlichen Dienst nicht mehr Gesetz.
Trotzdem beteuert die CSV: „Wir stehen zu dieser Reform und dem Gehälterabkommen. Wir werden das gebündelte Maßnahmen-Paket ohne Abstriche in der Sache und im abgemachten Zeitplan verwirklichen. Wir werden die Verwaltungsreform regelmäßig bewerten. Am Ende der Legislaturperiode ziehen wir Bilanz.“
Auch für die LSAP bleiben Pacta servanda: „Die LSAP unterstützt das Prinzip eines modernen, bürgernahen öffentlichen Dienstes und bekennt sich zu den beiden Abkommen, die von Regierung und CGFP am 15. Juli 2011 unterzeichnet und am 27. April 2012 nachgebessert worden sind.“
Die Grünen wollen dagegen das Datum ändern und dann „das von der CSV-LSAP-Regierung ausgehandelte Gehälterabkommen respektieren, das für die Periode 2014-2015 gelten soll, und für 2016-2017 ein neues Abkommen aushandeln“.
Im Gegensatz dazu steht die DP „zu ihrer Meinung, dass ein Gehälterabkommen vor dem Hintergrund der desaströsen Finanzlage des Staates nicht zu rechtfertigen ist. [...] Wir wollen nicht auf der einen Seite die öffentlichen Gehälter verbessern und zur Gegenfinanzierung dieser Entscheidung auf der anderen Seite Ausgaben kürzen oder Steuern erhöhen“.
Keine der vier größten Parteien will bedingungslos zur automatischen Indexanpassung zurückkehren, wenn 2015 die gesetzliche Beschränkung auf eine Tranche jährlich ausgelaufen ist. Alle sind für die Fortsetzung dieser Beschränkung.
Im CSV-Wahlprogramm heißt es: „Wir werden nach Beratungen in der ‚Tripartite’ eine Reform der Lohnindexierung vorbereiten. Unsere Vorgabe ist höchstens eine Index-Tranche pro Jahr. Gesundheitsschädliche Waren wie Tabak oder Alkohol gehören nicht in den Index-Warenkorb. Umweltschädliche Produkte sollen prinzipiell ausgeschlossen werden. Ab einer bestimmten Höhe sollen die Spritpreise nicht mehr in der Index-Messung berücksichtigt werden. Heizölpreise und ihre Erhöhungen müssen jedoch weiterhin voll und ganz ihren Niederschlag im Index-Warenkorb finden. Wir werden zudem eine Konsensanalyse über die Begleitmaßnahmen einer eventuell einzuführenden maximalen Indextranche durchführen.“
Die LSAP will „den Index-Mechanismus, so wie vom Gesetz vorgesehen, beibehalten: Da 50% der Arbeitnehmer nicht von kollektivvertraglichen Lohnerhöhungen profitieren, bleibt die indexbedingte Lohnanpassung für die Betroffenen ein wirksames Mittel, um erlittenen Kaufkraftverlust zu kompensieren. Sollte sich eine mehrfache Indexauszahlung pro Jahr aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung als nicht verkraftbar erweisen, wird die LSAP im Dialog mit den Sozialpartnern erneut für eine Übergangsregelung eintreten, die mindestens eine Indextranche pro Jahr vorsieht“.
Bei der DP heißt es: „Wir wollen seitens der Arbeitgeber ein Engagement bekommen, die Jugendarbeitslosigkeit zusammen mit der ADEM spürbar zu verringern bzw. die Ausbildung vieler Jugendlicher zu verbessern. Als Gegenleistung schlagen wir vor, zumindest eine Indextranche ausfallen zu lassen. Die Anpassung darf maximal einmal pro Jahr erfolgen [...]. Wir wollen darüber hinaus den Warenkorb überarbeiten bzw. die Gewichtung verschiedener Produkte (Tabak, Energie,…) neu ordnen und den Mechanismus dauerhaft auf maximal eine Indextranche pro Jahr begrenzen.“
Die Grünen „werden das normale, nicht modulierte Indexsystem wieder einführen. Die Indexmodulation, die nur maximal eine Indextranche pro Jahr vorsieht, soll wie vorgesehen Ende 2014 auslaufen. Wenn es in einer außergewöhnlichen Krisensituation in Zukunft dennoch notwendig erscheinen sollte, das Indexsystem der automatischen Anpassung der Löhne, Gehälter und Renten zeitweise auszusetzen, sollte dies gemeinsam von und mit den Sozialpartnern verhandelt werden“.
Verschiedene Unternehmerverbände machen den gesetzlichen Mindestlohn für die Arbeitslosigkeit und eine ungenügende Wettbewerbsfähigkeit verantwortlich.
Doch die CSV beteuert: „Wir werden den sozialen Mindestlohn, regelmäßig an die allgemeine Lohnentwicklung anpassen.“
Auch die LSAP will „an der gesetzlich geregelten automatischen Mindestlohnerhöhung festhalten“.
Die DP will dagegen „die Idee der Einführung eines Ausbildungsmindestlohns für unqualifizierte Arbeitnehmer („SSM-formation“), probeweise während drei Jahren testen. [...] Die Höhe dieses Ausbildungsmindestlohns wird deutlich unter dem aktuellen Mindestlohn liegen“.
Im Wahlprogramm der Grünen kommt der Mindestlohn nicht vor.
In seiner gegenwärtigen Form scheint der katholische Religionsunterricht in den öffentlichen Schulen überholt. Das sehen nun alle Parteien ein.
Sogar die CSV kündigt in ihrem Wahlprogramm an: „Wir werden in der Grundschule, entsprechend dem deutlichen Wunsch der Mehrheit der Eltern, weiterhin konfessionellen Religionsunterricht parallel zum Werteunterricht anbieten. In der Sekundarschule wird der Werte- und Religionsunterricht in Zusammenarbeit, im Dialog und nach Verhandlungen mit den zuständigen Anbietern in einem gemeinsamen Werte- und Zivilisationsunterricht zusammengeführt.“
Die LSAP verspricht „die Einführung eines einheitlichen, religionsneutralen Werteunterrichts in allen Grund- und Sekundarschulen“.
Auch die DP will „den aktuellen Religionsunterricht abschaffen, weil er der erwünschten Neutralität des Staates nicht entspricht. Die DP wird einen Werteunterricht einführen, in dem alle Religionen und Philosophien objektiv thematisiert werden“.
Die Grüne wollen „einen neutralen und gemeinsamen Werteunterricht für alle Schülerinnen und Schüler einführen und so die aktuelle Aufteilung in einen Religions- oder einen ‚Morale Laïque’-Unterricht ersetzen“.
Seit Mai liegt der Gesetzentwurf über die jahrelang umkämpfte Reform des Sekundarunterrichts im Parlament. Ob er Gesetz werden wird, hängt eindeutig vom Wahlausgang ab.
Denn die CSV verspricht: „Wir werden die dem Parlament vorliegende Reform des Sekundarunterrichts in die Praxis umsetzen.“
Auch „die LSAP wird das vorliegende Lycée-Reform-Projekt vorantreiben und umsetzen!“
Die DP will zuerst die „Sekundarschulreform inhaltlich verbessern“.
Die Grünen legen sich nicht so genau fest: „Alle Experten sind sich einig, dass der Sekundarunterricht dringend reformiert werden muss, um ihn an die heutigen gesellschaftlichen Realitäten anzupassen. Über die genaue Ausrichtung gibt es jedoch keinen Konsens. Stattdessen hat die bisherige Vorgehensweise zu einem Klima des Misstrauens und einer Blockade bei großen Teilen des Schulpersonals geführt.“
Seit dem Scheitern der Verhandlungen vor zwei Jahren kam die lange als Eckstein des Luxemburger Sozialmodells angesehene Tripartite nicht mehr zusammen. Mit Ausnahme der Grünen haben die Parteien einen frommen Gedanken für sie übrig.
Die CSV will die „Sozialpartner auffordern und unterstützen, den Sozialdialog wieder aufzunehmen“.
Die LSAP will „den Tripartitegedanken aufrechterhalten und die Sozialpartnerschaft im Sinne eines dauerhaften Dialogs neu beleben“.
Die DP verspricht ebenfalls: „Wir wollen in diesem Sinn den Sozialdialog zwischen Unternehmen und Gewerkschaften im Wirtschafts- und Sozialrat, in der ‚Tripartite’ und anderen Gremien wieder in Gang bringen.“
Schon während der zu Ende gegangenen Legislaturperiode hatte die Regierung für 2015 eine Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes angekündigt. Dazu sind alle Parteien bereit.
So heißt es bei der CSV: „Wir werden nicht umhin kommen, die Mehrwertsteuer anzupassen. Damit wird der Ausfall der durch den elektronischen Handel erzielten Steuereinnahmen teilweise kompensiert. Luxemburg wird den niedrigsten TVA-Regelsatz in Europa behalten. Der Mindeststeuersatz auf Grundernährungsmittel wird nicht erhöht. Er bleibt bei 3 Prozent.“
Die LSAP beteuert, „dass auch eine begrenzte Mehrwertsteuererhöhung im Rahmen einer globalen Steuerreform kein Tabu sein wird, wenn es darum geht, wegfallende Steuereinnahmen im Bereich des elektronischen Handels teilweise wettzumachen: Die LSAP wird in diesem Zusammenhang darauf achten, dass der TVA-Minimalsatz für Güter des täglichen Bedarfs nicht angetastet wird und Luxemburg den niedrigsten TVA-Regelsatz in der EU behält“.
Das Wahlprogramm der DP kündigt an: „Im Vorfeld einer Mehrwertsteuerdiskussion wollen wir zudem klären, welchen Einfluss dieser Schritt auf die Konkurrenzsituation des Luxemburger Handels mit der Großregion hätte, welche Gegeneffekte (Index, steigende Kosten im Gesundheits- und Pflegewesen, …) zu erwarten wären und inwiefern diesen Effekten entgegen zu steuern ist. In jedem Fall streben wir vor dem Hintergrund dieser Analysen nach Möglichkeit eine selektive Reform an, die sich nicht nur auf die Mehrwertsteuersätze beschränkt, sondern auch die Klassifizierung der Produkte überarbeitet bzw. die Produkte in Zusammenhang mit anderen Steuern wie z.B. die Akzisenabgabe (cf. Zigaretten, Alkohol) anpasst.“
Die Grünen sagen nicht Nein: „So wird ab 2015 der größte Teil der Steuereinnahmen aus dem elektronischen Handel versiegen, insgesamt etwa 750 Millionen Euro pro Jahr, oder 6% der Staatseinnahmen. Die regierenden Parteien wissen dies seit mehr als neun Jahren und haben keine Vorsorge getroffen. Auch heute fällt ihnen dazu nichts Besseres ein, als die Erhöhung der sozial ungerechten Mehrwertsteuer.“
Seit der institutionellen Krise der vergangenen Monate fühlen sich die Parteien dabei ertappt, dass sie sich hinter den verschlossenen Türen eines parlamentarischen Ausschusses auf eine Verfassungsrevision geeinigt hatten. Mit einem Referendum versprechen sie alle, das nun wieder gut zu machen.
Die CSV ist nunmehr „gegen eine Verfassungsrevision ohne breite Bürgerbeteiligung. Im Gegenteil: Wir möchten sie stärker mit einbeziehen. Wir streben in grundlegenden Verfassungsfragen eine weitgehendste (sic) Übereinstimmung aller politischen Kräfte an. Wir werden die Details einer Verfassungs-Referendumsprozedur klären. Denn die Verfassung betrifft alle Bürger“.
Die LSAP verspricht: „Unsere rechtsstaatliche Ordnung beruht auf der Verfassung. Deshalb sollten Bürgerinnen und Bürger bereits im Vorfeld einer grundlegenden Verfassungsreform über wesentliche Fragestellungen per Referendum befinden können. Diese Volksbefragung sollte verbindlich sein! Die LSAP schlägt im Vorfeld eines Referendums über die Verfassungsreform die Veranstaltung von Bürgerforen vor.“
Die DP will „die im Parlament getätigten Vorarbeiten betreffend einen neuen Verfassungsentwurf zügig zu Ende bringen, mit der Zivilgesellschaft diskutieren, anhand einer Informationskampagne den Bürgern zur Diskussion stellen und im Rahmen eines Referendums zur Wahl stellen.“
Die Grünen „werden die Reform der Verfassung abschließen. Wir werden die Reform im Rahmen einer breiten öffentlichen Diskussion beraten und die Vorschläge anschließend der Bevölkerung in einem bindenden Referendum zur Abstimmung unterbreiten“.