„Der Sport ist eigentlich gar nicht gefährlich. Das wäre wirklich gut, wenn man das mal sagen könnte“, sagt Cliff Ross und lächelt. „Motorradfahren ist 100 Mal gefährlicher.“ Cliff Ross stürzt sich, so oft er kann, aus mehreren tausend Metern Höhe aus einem Flugzeug in die Tiefe. Seit zehn Jahren ist Fallschirmspringen seine Leidenschaft. Zum ersten Mal kommt er damit als Teenager in Kontakt, als sein Vater den Sport entdeckt. Ein paar Jahre später versucht er selbst den ersten Tandemsprung. Es lässt ihn nicht mehr los. „Es ist dieses Gefühl, wenn du mit 200 Stundenkilometern einfach runter fällst und das eigentlich nicht merkst, sondern glaubst, du kannst fliegen.“
Wie ein Draufgänger, der die Gefahr sucht, wirkt Cliff Ross tatsächlich nicht. Schmal und jungenhaft, so vorsichtig; fast schüchtern, wie er sich ausdrückt, wirkt er jünger als er mit 30 Jahren ist. Bis vor wenigen Monaten war der Grafiker Mitarbeiter bei der Design-Agentur Vidale-Gloesener. Dann bot sich ihm die Chance, sein Hobby zum Beruf zu machen. Jetzt arbeitet er bei Firebird Skydiving, einer kleinen Firma, die auf dem Gelände des ehemaligen Militärflughafen Bitburg auf wenigen Nähmaschinen Fallschirme näht und testet – neue Modelle, jeweils mit Dummies, versichert Ross – sowie Schulungen anbietet. Er ist dort als Coach aktiv, zeigt Novizen, die die ersten sieben Sprünge der Accelerated-Free-Fall-Ausbildung (AFF), Grundstein einer jeden Springerkarriere, bereits absolviert haben, weitere Basics.
„Das ist es auch, was mich mittlerweile bei Laune hält: Das Gefühl, etwas weitergeben zu können. Wenn die Schüler unten ankommen, lachen und sich freuen, dass das, was du ihnen gezeigt hast, funktioniert hat.“ Als Coach ist Ross auch noch beim Cercle parachutiste luxembourgeois in Nörtringen tätig, obwohl er dem Vereinsvorstand mittlerweile nicht mehr angehört. Die Schulung zum AFF-Instruktor will er diesen Winter absolvieren, damit er auch als Ausbilder bei den ersten sieben AFF-Sprüngen, wo der Schüler von zwei Instruktoren begleitet wird, arbeiten kann.
Der Fallschirm sieht aus wie ein etwas größerer Laptop-Rucksack, natürlich mit mehr Gurtzeug, Laschen und Haken. Der Rucksack selbst ist aus Kordura, einem Nylon-Stoff, der Schirm aus besonders luftundurchlässigen Spezialstoffen, um maximalen Luftwiderstand zu garantieren, erklärt Cliff Ross. „Hier drinnen ist der Rettungsfallschirm.“ Ob er den schon mal gebraucht hat? „Zweimal hatte ich auf der einen Seite Knoten in den Leinen. Da musste ich den Hauptschirm losmachen und den Notfallschirm auslösen.“ Das hat ihn nicht davon abgehalten, wieder zu springen? „Bei allem, was nicht nach Plan läuft, schlägt das Herz natürlich ein wenig schneller.“ Panik hatte er deswegen aber nicht über die Maßen. „Beim zweiten Mal wusste ich ja, dass der Notfallschirm funktioniert.“
Weil die Springersaison in den hiesigen Breitengraden ungefähr von März bis Oktober geht, und um die Kohärenz zwischen den verschiedenen Ausbildungssystemen zu wahren, wird Ross aller Voraussicht nach seine AFF-Ausbildung in den USA absolvieren. In Elroy, in der Wüste Nevadas, wo es ein größeres Fallschirmspringerzentrum gibt. „Es ist flach, es gibt keine Bäume, da ist es nicht schlimm, wenn du die fixierte Landezone eventuell verpasst; abgesehen von zwei mexikanischen Restaurants gibt es da nicht viel.“ Den Juni hat Ross integral in den USA verbracht, dem größten Fallschirmspringermarkt, wie er erklärt. Firebird versucht, sich dort als Hersteller zu etablieren und eine Firmenpräsenz aufzubauen, sponsert Athleten. Das alles verlangt Koordinationsarbeit, die er übernommen hat. Denn seine Anstellung bei Firebird erlaubt ihm nicht nur seine Leidenschaft fürs Fallschirmspringen auszuleben, sondern auch die fürs Webdesign. „Ich mache meinen Beruf als Grafiker eigentlich immer noch gern. Und das Webdesign finde ich am spannendsten. Weil es anders als bei einer Broschüre nicht nur um die grafischen Aspekte geht, sondern auch um die Handhabung. Eine Webseite muss so gemacht sein, dass der Nutzer sich sofort zurecht findet. Und mir gefallen auch die technischen Aspekte, ich hab Spaß am Programmieren.“ Ästhetisch, sagt Cliff von sich selbst, sei er stark von seinen früheren Arbeitgebern Silvano Vidale und vor allem dem im vergangenen Jahr verstorbenen Tom Gloesener geprägt. Er bevorzugt ein nüchternes Design, ohne Firlefanz. „Jedes grafische Element, das ich auf eine Webseite einbaue, muss eine Funktion haben.“ In seiner Wohnung in Gostingen, wo er auch seine eigene Firma Cross Média angemeldet hat, um sein Webdesign- und Cross-Media-Konzepte Drittkunden anzubieten, ist der Boden grau gekachelt und sind die Wände weiß. Überflüssige Ornamente sind auch hier kaum zu sehen.
Auf der Anrichte im Wohnzimmer umso prominenter in Szene gesetzt ist dafür der Fallschirmspringerhelm. „Der dient hauptsächlich dazu, die Kamera zu befestigen, damit man die Kollegen oder die Schüler unterwegs filmen und fotografieren kann. Einen Helm braucht man nicht unbedingt.“ Neben dem Fallschirm braucht man erstaunlich wenig, um sich aus dem Flugzeug zu stürzen. „Eine Brille, um die Augen zu schützen, Handschuhe, weil es oft kalt werden kann. Und ein Altimeter natürlich, damit man weiß, wo man ist“, zählt Cliff auf. Noch nicht einmal besonders sportlich müsse man sein, sagt er. „Eigentlich kann jeder springen.“ Jeder, der sich einen Schirm leisten kann. Zwischen 4 000 und 6 000 Euro kostet ein Fallschirm. „Deswegen raten wir Anfängern, das Material zu mieten“, so Ross. Auch weil Anfänger mit besonders großen Schirmen springen, Fortgeschrittene mit kleineren, wendigeren Schirmen, was den Spaßfaktor erhöht. Cliff Ross zeigt auf seinen Rucksack und lächelt sein Spitzbubenlächeln. „Das da ist auf jeden Fall ein Spaßschirm.“