„Bass du d’Brigitte?“ Diese Frage hat die junge blonde Frau in den vergangenen Wochen so oft gehört, dass daraus fast so etwas wie ein stage name, eine zweite Identität geworden ist. Dabei ist Brigitte eigentlich der Name der Bar, die Margot Pels seit Juni im Stadtgrund betreibt. „Nee, ech sin d’Margot“, antwortet sie, wenn sie nicht als Chefin der neuen It-Bar geoutet werden will. Brigitte ist ein Kunstname, auf den sie sich mit dem Vermieter geeinigt hat. „Brigitte kann deine Mutter sein, deine Schwester. Aber auch ein Sexsymbol.“ Wie in Brigitte Bardot. Attribute, die auch zu Margot passen, die selbstbewusst im knappen Kleid ihre endlos langen Beine herzeigt, während sie selbstgemachte Gerichte auftischt. Dass ihr das Verwirrspiel um die Vornamen erlaubt, auch mal in den Hintergrund zu treten, findet sie gut. Ihr Café Margot zu nennen, kam für sie nicht Frage. „Too pretentious“, sagt sie mit rauchiger Stimme.
Englische Vokabeln schmuggeln sich im Gespräch mit Margot Pels immer wieder ein. Ein Indiz für ihren internationalen Hintergrund und das multikulturelle Umfeld, in dem sie sich gerne bewegt. Denn die gebürtige Niederländerin ist hierzulande aufgewachsen und zur Schule gegangen, spricht perfekt Luxemburgisch. Vielleicht liegt es daran, dass sich an warmen Sommerabenden auf ihrer Terrasse am Rande der Alzette Luxemburger wie Zugezogene dicht an dicht drängen? Weshalb es besonders viele junge Professionelle aus dem Mittelmeerraum in ihre Kneipe zieht: „Erst waren es Spanier, dann Italiener, jetzt sind es Griechen“, kann sie nicht genau erklären. Aber ihr gefällt’s ebenso wie der Umstand, dass im Publikum von Sekundarschülern bis zu Rentnern alle Altersklassen vertreten sind. Wer Margot abends im babylonischen Stimmengewirr ihrer Bar beobachtet, wie sie energisch hier einen Drink serviert, dort die Kunden unterhält, da mit Freunden laut lacht und gute Laune verbreitet, sieht ein soziales Wesen in seinem natürlichen Umfeld.
Dabei ist es dem Zufall und der Wirtschaftskrise geschuldet, dass sie nun Unternehmerin ist. Margot Pels hat in Amsterdam Pädagogik studiert, einen Master mit Schwerpunkt Kinderrechte absolviert. Für ihre Abschlussarbeit zum Thema Education aspirations and expectations fährt sie nach Namibia, um mit Schulkindern ihre Erwartungen und Ansprüche an die eigene schulische Ausbildung auszuwerten. In der Tasche hat sie nur die Nummer einer Kontaktperson. Am Einwanderungsschalter am Flughafen kommt die Ernüchterung, weil ihr die Forschungserlaubnis fehlt. Die Wochen, die vergehen, bis der Papierkrieg erledigt ist, nutzt sie, um Kontakte zu knüpfen. „Am Ende kam alles zusammen“, die Papiere, die richtige Schule und ein Minibus, mit dem sie nach getaner Arbeit durchs Land fährt. Auch wegen dieser Erfahrung schlägt ihr Herz für Afrika. Sie sucht einen Job in der Entwicklungshilfe. Aber der Zeitpunkt ist nicht günstig. Als sie ihr Studium abschließt, zwingt die Krise Regierungen und Nichtregierungsorganisationen zum Sparen, eine Stelle in der Entwicklungshilfe findet sie nicht. Sie arbeitet zwei Jahre lang als Lehrervertretung. Dann endlich findet sie den Traumjob, soll in Burundi ein Entwicklungsprojekt aufbauen und auswerten. Sie kündigt in Luxemburg. Doch der Zusage folgt nie der versprochene Arbeitsvertrag. Als sie nachhakt, erfährt sie, dass die Stelle gestrichen ist. Ob sie stattdessen nach Südsudan wolle? Ins Bürgerkriegsgebiet? „So abenteuerlich bin ich dann doch nicht.“
Deshalb beginnt sie, im Café Konrad in der Rue du Nord zu jobben. „Als Bedienung zu arbeiten, das ist nicht unbedingt das, was die Leute von einem erwarten.“ Doch nach der anfänglichen Scham entdeckt sie, wie viel Spaß sie an der Begegnung und der Auseinandersetzung mit den Leuten hat und wie viel Genugtuung möglich ist, wenn vergleichsweise einfache Arbeitsgänge – spülen, servieren, Drinks und Essen zubereiten – mit großer Sorgfalt durchgeführt werden. „Ich hatte so viele Ideen, wie man ein Café führen, was es bieten sollte. Aber es war als Angestellte nicht an mir, solche Ideen zu haben.“ So entsteht der Plan für ein eigenes Café nach ihren Vorstellungen, den sie binnen knapp drei Monaten umsetzt. Sie macht sich auf die Suche nach einem eigenen Lokal, ergreift die Möglichkeit, vorübergehend im Grund eine Bar einzurichten. „Es kam wieder alles zusammen“, erzählt Margot. Pures Schicksal ist das längst nicht. Sie sorgt durchaus selbst dafür, dass „alles zusammenkommt.“ Die einzelnen Etappen, – Zapschein, Genehmigungen – hat sie in einem kleinen schwarzen Büchlein akkurat auf einer Zeitachse eingetragen. Allzu viel Platz für Zufälle gab es im Businessplan nicht. Sie investiert so wenig Geld wie nötig, – weil die Lebensdauer des Brigitte von vornherein begrenzt ist, muss sie alles, was sie kauft, binnen kurzer Zeit abschreiben. Um zu sparen, greift sie selbst zum Werkzeug. Ihr Mobiliar und die Ausstattung recycelt sie so weit es geht, nicht allein aus Kostengründen. „Ich finde es schön, dass die Sachen eine Vorgeschichte haben.“ Sie trägt ihrer Ansicht nach dazu bei, dass die Bar „cozy“ ist und „man sich wohlfühlt, wenn man hereinkommt“. Drei Monate nach der Eröffnung – „Am ersten Abend hab’ ich mir gewünscht, ich wäre in den Südsudan gegangen“ – hat Margot erstmals Möglichkeit, ein paar Tage Auszeit und ein wenig Abstand zu nehmen. „Ich hab vieles gelernt, die ganze Buchhaltung zum Beispiel. Aber auch einiges über mich selbst“, sagt sie. „Zum Beispiel, dass ich sehr viel diplomatischer sein kann, und viel mehr Energie mobilisieren kann, als ich gedacht hatte. Und dass ich gut darin bin, ein Team zu leiten.“ Fähigkeiten, die sie mit ins nächste Projekt nimmt. Ob es nach der Schließung des Brigitte, voraussichtlich im Januar, als Barbesitzerin oder in der Entwicklungshilfe weitergeht? Sie hält beides für möglich. „Davor lege ich mich erst mal irgendwo in der Sonne einen Monat lang in eine Hängematte“, lacht sie.