Nach einer Inflationsrate von vier Prozent im Mai wird der Preisindex im Laufe dieses Monats die Schwelle erreichen, die eine Anpassung der Gehälter und Pensionen nötig macht. Das Tripartitegesetz von 2006 schreibt allerdings vor, dass diese Indextranche erst im März nächsten Jahres ausgezahlt wird.Der Anstieg der Erdöl- und Lebensmittelpreise verleiht dem Thema Inflation politische Brisanz. Der angekündigte Indexwahlkampf hält zudem fast alles im Angebot: von Parteien und Gewerkschaften, welche die Indexmanipulation bereits vor den Wahlen beenden möchten, bis zu jenen, die am liebsten erst nach den Wahlen Stellung beziehen wollen.
Unterdessen haben die Sozialpartner bereits ihren eigenen Indexwahlkampf begonnen. Nächste Woche veröffentlicht die Privatbeamtenkammer eine Studie L’inflation au Luxembourg de 1999 à 2007, die derart ketzerische Ansichten über die Inflation, den Index und die Wettbewerbsfähigkeit enthält, dass sie schon vor ihrem Erscheinen die Handelskammer auf die Palme trieb. So versuchen die beiden wichtigsten Berufskammern nun, mit ökonomischem Sachverstand statt mit Vorurteilen und Binsenweisheiten über die Inflation und den Index zu streiten.
Da bezweifelt die Privatbeamtenkammer beispielsweise, dass die Inflation in Luxemburg wirklich derart hoch ist, wie immer behauptet. Denn das hänge davon ab, mit welchem Verbraucherindex man gerade messe. Die Kammer findet nämlich, dass der nationale Index die Preisentwicklung korrekter wiedergebe als der europäisch harmonisierte. Denn in letzterem seien die Tabak- und Erdölprodukte als Folge des Tanktourismus viermal stärker gewichtet als im nationalen Index. Weil aber gerade die Preise für Benzin, Diesel und Zigaretten in den letzten Jahren stark gestiegen seien, trieben sie den harmonisierten Index in die Höhe, so dass der Eindruck entstehe, dass die Inflation hierzulande stärker gestiegen sei. Obwohl der Preis für ein Liter Benzin in beiden Indizes gleich sei, betonte der Präsident der Privatbeamtenkammer, Jean-Claude Reding, in einem Vortrag vor zwei Wochen.
Das bestreitet die Handelskammer nicht. Sie will aber den Vorwurf keineswegs gelten lassen, dass sie bewusst Verwirrung stifte und sich lieber auf den harmonisierten Index berufe, um Indexmanipulationen und Lohnmäßigung durchzusetzen. Der nationale Index sei tatsächlich der nützlichere, um die Preise im Land zu messen. Aber es sei nun einmal so, dass der harmonisierte Index der einzige international anerkannte sei und sich als einziger zu internationalen Vergleichen eigne, heißt es in einer diese Woche veröffentlichten Antwort.
Die Privatbeamtenkammer gesteht zwar ihrerseits ein, dass auch der nationale Index eine leicht höhere Inflation anzeige als die anderen Euro-Staaten. Aber das sei im Grunde logisch, weil auch die Luxemburger Volkswirtschaft dynamischer sei. Berechne man das Verhältnis zwischen Wirtschaftswachstum und Preisentwicklung, gehöre das Luxemburger Wirtschaftswachstum jedoch zu den am wenigsten inflationstreibenden in der Euro-Zone
.Das ist für die Handelskammer aber nur ein schwacher Trost. Denn in einer Währungsgemeinschaft sei die Möglichkeit verschwunden, Inflationsunterschiede durch Wechselkursänderungen auszugleichen. Die Inflation schade somit tatsächlich der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Seit 1999 habe sie 0,6 Prozentpunkte höher als in den drei Nachbarländern und sogar 0,8 Prozentpunkte höher als beim Haupthandelspartner Deutschland gelegen.
Das will die Privatbeamtenkammer aber nicht unbesehen glauben. Denn zur Inflationsberechnung werde die Preisentwicklung der von Privathaushalten verbrauchten Konsumgüter gemessen, nicht aber der Rohstoffe und Investitionsgüter, die von den Unternehmen gekauft werden, um ihre Produkte herzustellen. Zudem stammten die meisten Preise im Index-Warenkorb von Importprodukten, während die meisten Waren, die hierzulande hergestellt werden, exportiert würden. Und wenn die Unternehmen höhere Exportpreise bei steigendem Exportvolumen erzielten, habe sich ihre Wettbewerbsfähigkeit nicht verschlechtert, sondern verbessert.Für die Handelskammer steht dagegen fest, dass vor allem die Indexanpassung der Löhne und Gehälter die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtige. Und sie lässt auch Berechnungen der Privatbeamtenkammer nicht gelten, laut denen das verarbeitende Gewerbe seine Preise um lediglich 0,45 Prozent anheben müsste, wenn es eine Indextranche korrekt auf den Lohnanteil an seinen Gestehungskosten schlagen wollte. Denn die Handelskammer bemängelt, dass sich diese Berechnungen auf den Umsatz der Unternehmen bezögen, richtiger sei es aber, lediglich den Mehrwert zu berücksichtigen. Zudem dürfe die Auswirkung einer Indextranche nicht statisch gesehen werden, denn ihre Schädlichkeit entstehe vor allem unter dynamischen Bedingungen, bei einem äußeren Schock, wie dem sprunghaften Anstieg der Erdölpreise. Dann würden die Betriebe Opfer einer „Zangenbewegung“ von steigenden Rohstoffpreisen und parallel steigenden Lohnkosten.
Weshalb die Handelskammer ihren Vorschlag einer Höchstindextranche bis zum anderthalben Mindestlohn, und einen um Treibstoff-, Tabak- und Alkoholpreise gesäuberten „gesunden“ Indexwarenkorb erneuert. Immerhin hatten beide Berufskammern vor zwei Jahren das Tripartitegesetz über die Indexmanipulation positiv begutachtet.