Die Handlung scheint auf den ersten Blick eine simple Komödie zu sein: Ein kostümierter Mann nimmt an einem Umzug teil, stürzt vom Pferd und zieht sich eine Kopfverletzung zu. Fortan hält er sich für den wahrhaftigen „Duce“ und wird von seinem Umfeld in seiner Wahnvorstellung unterstützt. Es werden ihm selbst Berater in zeitgenössischen Kostümen und eine eigens dekorierte Villa zur Verfügung gestellt.
Erst nach und nach offenbaren sich die komplexen Verhältnisse zwischen den Beteiligten und die jeweiligen Bewegungsgründe, die Maskerade aufrechtzuerhalten.
Die ehemalige Geliebte (Anne Moll) und ihr Partner, der „Baron“ (Ulrich Kuhlmann), führen eine zwielichtige Beziehung, geprägt von Hass, Liebe und Eifersucht. Der junge „Marchese“ (Marc Baum) erscheint wie ein machiavellistischer Puppenspieler, der die Gäste des Duce – und die Zuschauer – in die Maskerade einführt und sich als Verantwortlicher der gesamten Inszenierung entpuppt. Er schreckt nicht einmal davor zurück, seine junge Braut als Köder zu missbrauchen und ihre schwierige Beziehung zu ihrer Mutter, der ehemaligen Geliebten, zu instrumentalisieren, um den Duce durch eine inszenierte Schocktherapie vom Wahn zu „heilen“. Unterstützt wird dieses Vorhaben durch einen jungen und naiven Arzt, der als einzig neutrale Person der farbenfrohen Gruppe unwissend ausgenutzt wird.
Alle Personen, die um den Duce kreisen, haben eigene Handlungsmotive und somit werden die hintergründigen Machtspielchen und verstrickten Streitereien zwischen den Charakteren zu einer wahrhaftigen Parallelerzählung.
Der Duce (packend gespielt von Rudolf Ko-walski) scheint erst Opfer der Farce zu sein, wie eine Marionette, deren Alltag und Umfeld bis ins letzte Detail nachgestellt werden. Selbst seine so genannten treuen Berater machen sich einen sadistischen Spaß aus dem Schauspiel und ergötzen sich an ihrem „Insiderwissen“. Erst als bekannt wird, dass der Duce bereits seit Jahren „geheilt“ ist und bewusst die Komödie auf-rechterhält, ändern sich die Machtverhältnisse dramatisch. Der scheinbar Verrückte hat alle dahingehend manipuliert, sich seiner Fantasie zu ergeben und die Normalität zugunsten seiner Wahnvorstellung zu leugnen. In passionierten Monologen werden die Hintergründe für die Ablehnung der realen Vergangenheit aufgedeckt. Dieselben führen schließlich zu einem tragischen Ende für alle Beteiligten.
Aus der erst simplen Erzählung kristallisiert sich eine brillant aufgebaute gesellschaftskritische Intrige heraus. Der Größenwahnsinn des Duce wird durch ein imposantes und erdrückendes Bühnenbild von Ben Willikens wirkungsvoll dramatisiert. Eine fantastische Licht- und Tonkulisse unterstreicht die dramatischen Momente mit clever eingesetzten Schattenspielen und bedrohlichen Scheinwerfereffekten. Jasna Bosnjak spiegelt subtil die komödiantische Facette in den Kostümen wider, indem sie die Protagonisten in pompöse, lustige Verkleidungen und militärische Faschings-Uniformen steckt.
Das Zusammenspiel von den ausnahmslos exzellenten Darstellern, die subtilen historischen Anspielungen und die fragwürdige, oft komische Weltanschauung der Charaktere machen Frank Hoffmanns Neuinszenierung von Pirandello‘s Heinrich IV zu einem Meisterwerk.