Wie sollte in Zukunft der öffentliche Verkehr in der Nordstad beschaffen sein? Im Herbst soll dazu das mehrfach verschobene Konzept vorliegen. Welche Varianten es gibt, deutete im März in Colmar-Berg der „1. Mobilitätsworkshop Nordstad“ an. Zumindest zwei Varianten haben es politisch in sich.
Eine davon ist Variante 1: In ihr würde die eingleisige Zugverbindung zwischen Ettelbrück und Diekirch eingestellt. Stattdessen würde entlang der so genannten Zentralen Achse Nordstad von Ettelbrück über Erpeldingen nach Diekirch alle zehn Minuten ein moderner Niederflurbus verkehren. Die Busse hätten einen eigenen Buskorridor zur Verfügung und würden überall dort, wo sie dem restlichen motorisierten Verkehr begegnen, durch Ampel-Vorrangschaltungen bevorzugt freie Fahrt erhalten. Ergänzt würde diese Busverbindung durch drei neue Citybus-Linien. In Ettelbrück und Diekirch würden Umsteigeknotenpunkte eingerichtet. Die Fahrzeit zwischen Ettelbrück und Diekirch würde schätzungsweise sieben Minuten betragen. Im Taktverkehr würde per Bus auch sonst in der Nordstad gefahren, sowie wenigstens im Ein-Stunden-Takt zu wichtigen Überland-Zielorten.
Politisch brisant ist diese Variante natürlich, weil sie ohne Zug auskommt. Die Zukunft der Bahnlinie Ettelbrück-Diekirch, Überbleibsel der einstigen, über 50 Kilometer langen Sauerstrecke zwischen Ettelbrück, Echternach und Wasserbillig, sollte eigentlich schon im Oktober 2006 besiegelt gewesen sein. Seinerzeit stimmten alle sechs Nordstad-Gemeinden – auch Diekirch – für ihre Demontage und unterbreiteten den Wunsch auch der damaligen Regierung. Auf der Grundlage des Abstimmungsergebnisses wurde im Jahr danach auch der Planungswettbewerb für die Zentrale Achse Nordstad vorbereitet, und folglich kam in keinem der dort eingereichten Vorschläge eine Bahnlinie vor. Die CFL hatten sich mit dem Abbau schon arrangiert, der damalige Transportminister Lucien Lux (LSAP) ebenfalls. Bis die Transportgewerkschaften, insbesondere der FNCTTFEL-Landesverband, für den Erhalt der Strecke demonstrierten und der LSAP die vier Kilometer Gleis strategisch wichtig wurden.
Um Streit in der Regierungskoalition zu vermeiden, kam Lux mit dem damaligen Landesplanungsminister Jean-Marie Halsdorf (CSV) überein, die Entscheidung über die Strecke in die nächste Legislaturperiode zu verschieben und von einem „Mobilitätskonzept“ für die Nordstad abhängig zu machen. Zwar hatte 2006 schon eines vorgelegen, doch es enthielt kein Szenario für eine aufgewertete Bahnstrecke.
Für die Aufwertung stehen nun die im März in Colmar-Berg präsentierten Varianten 2a und 2b, in denen die Strecke eingleisig erhalten, beziehungsweise gar zweigleisig ausgebaut würde. „S-Bahn-Nordstad“ würden die Züge dann womöglich heißen und alle zehn Minuten zwischen Ettelbrück und Diekirch hin und her fahren, statt alle 30 bis 60 Minuten wie heute. In der eingleisigen Variante würde ein zusätzlicher Unterwegs-Haltepunkt eingerichtet, in der zweigleisigen Variante zwei. Zwei Citybus-Linien, statt drei in Variante 1, würden den Zugverkehr ergänzen. Der sonstige Busverkehr würde reorganisiert, das Umsteigen in Ettelbrück und Diekirch „optimiert“ wie in Variante 1. Fragt sich nur, ob dadurch die Rentabilität der Bahnverbindung stark wüchse. Derzeit sitzen in einem Zug zwischen Ettelbrück und Diekirch im Schnitt 16 Passagiere – Schülerverkehr inklusive.
In Variante 3a und 3b würde die Zugverbindung ebenfalls abgeschafft. In 3a würde sie jedoch durch eine Straßenbahn à la Hauptstadt-Tram ersetzt, in 3b durch Train-Tram-Züge, die auch das klassische Eisenbahnnetz befahren können. Auf ihnen hatte das BTB-Konzept beruht, und bis Anfang 2006 waren Train-Trams als Ergänzung zum klassischen Zug für das ganze Land vorgesehen. Tram und Train-Tram, so die Varianten, würden nicht nur zwischen Ettelbrück und Diekirch verkehren, sondern auf einer „erweiterten zentralen Achse“ bis nach Bissen und nach Gilsdorf. Gefahren würde jeweils im Zehn-Minuten-Takt. In Variante 3a würden 24 neue Unterwegs-Haltestellen entstehen, in Variante 3b wären es 16. Hinzu käme eine neue Citybus-Linie.
Variante 3b ist die andere politisch brisante Variante im Bukett. Von einer „leichten Tram“ war schon 2007 im Planungswettbewerb zur Zentralen Achse Nordstad die Rede gewesen. Die sechs Gemeinden hatten sich von einem ausländischen Expertenbüro sogar die Frage beantworten lassen, ob die Passagierzahl wohl reichen werde für einen rentablen Tram-Betrieb. Die Antwort lautete: derzeit nicht, aber wenn in den nächsten ein, zwei Jahrzehnten die Zahl der Einwohner und der Arbeitsplätze wüchse, wie vorhergesagt, und „dicht genug urbanisiert“ werde, dann vielleicht schon.
Von Train-Trams, die auch die klassischen Gleise befahren können, sprach damals kaum jemand. Jedenfalls nicht offiziell: Ab 2006 war der Begriff zum Unwort geworden, nachdem die CFL nach 15 Jahren Vorarbeiten für BTB Ende 2005 plötzlich herausgefunden hatten, dass der Betrieb dieser Züge auf dem Luxemburger Eisenbahnnetz technisch erst dann denkbar sei, wenn die Neubaustrecke nach Bettemburg errichtet und sämtliche Nachbarbahnen das pan-europäische Sicherheitssystem ETCS in ihren Zügen installiert hätten – Letzteres werde etwa ab 2017 der Fall sein. Den in der Hauptstadt anschließend erzielten politischen Konsens über die „leichte Tram“ mochte seitdem auch niemand mehr durch die Erwähnung von Train-Trams in staatlichen Planungsszenarien gefährden.
Dass der Diekircher Bürgermeister erklärt, eine Abschaffung der Zugstrecke werde er nur akzeptieren, wenn auf Trams oder Train-Trams gewechselt würde, hat deshalb potenziellen politischen Einfluss über die Nordstad hinaus. Ob sich, da die Wachstumsprognosen aus dem Jahr 2007 für die Zentrale Achse Nordstad heute als Vor-Krisen-Szenarien vor der Revision stehen, die Planung einer Tram begründen ließe, die nur im Nordstad-Raum verkehrt, scheint fraglich.
Auf Train-Trams träfe das weniger zu; sie galten lange genug als gute Lösung fürs ganze Land. Auf sie zurückzukommen, würde aber würde nicht nur bedingen, dass die CFL, die das BTB-Konzept nie mochten, sich wieder ernsthaft mit der Train-Tram-Perspektive befassen. Erwöge man tatsächlich Train-Trams für die Nordstad, müsste sich vernünftigerweise die Frage anschließen, weshalb in der Hauptstadt nur eine Straßenbahn verkehren soll, aus der in den Zug umgestiegen werden müsste. Weil eine Debatte darüber aller Erfahrung nach ein paar Jahrzehnte dauern dürfte, wird das verkehrspolitische Problem im Herbst in der Nordstad voraussichtlich darin bestehen, Claude Haagen einen Deal anzubieten, damit er „Bus statt Zug“ akzeptieren kann.
Peter Feist
Catégories: Aménagement du territoire
Édition: 10.08.2012