Leitartikel

Peter-Prinzip

d'Lëtzebuerger Land du 03.08.2012

Vergangenen Freitag wurde offiziell, was sich hinter den Kulissen angekündigt hatte, seit sich seine langen, krankheitsbedingten Abwesenheiten schon vor Wochen herumsprachen: Frank Reimen trat als CEO der Cargolux zurück. Nach nur anderthalb Jahren auf dem Posten. Hat er dem Druck der Aktionäre aus dem Katar nicht mehr standhalten können? Cargolux-Präsident Albert Wildgen bestreitet, dass es besonderen Druck auf Reimen gab, zurückzutreten. Das war wahrscheinlich auch nicht notwendig. Seit langem schon weisen die Gewerkschaften auf die undemokratische Art der Kataris hin. Reine Stimmungsmache ist das nicht. Der designierte Zentralbank-Gouverneur Gaston Reinesch war vor einem Jahr aus Protest gegen die katarischen Methoden von seinem Verwaltungsratsposten zurückgetreten, bevor er ihn wieder aufnahm. Akbar Al Baker, CEO von Qatar Airways, der dem Cargolux-Verwaltungsrat angehört, eilt sein Ruf als „Alleinherrscher“ voraus. Er hat das Boeing-Management öffentlich „Erbsenzähler“ genannt. Wieso sollte er für das Cargolux-Management hinter geschlossenen Türen herzlichere Worte finden, wenn er unzufrieden ist?
Reimens Rücktritt auf die These von den „bösen“ Kataris und den „guten“ Luxemburgern zu beschränken, wäre allerdings zu simpel. Denn – schwieriger Charakter beiseite – viel Grund zufrieden zu sein, hat Al Baker als Aktionär nicht. Die Firma macht derzeit wieder zweistellige Millionenverluste. Monatlich. Die von vielen als zu niedrig kritisierten 70 Millionen, die Qatar Airways investiert hat, rinnen wie Sand durch die Finger. Eine Kapitalerhöhung wird nicht ausbleiben. Doch bei der soll Qatar Airways nicht mitmachen, der Staat 65 Prozent Cargolux-Anteile behalten und also, trotz leerer Kassen, die Verluste der Frachtgesellschaft decken.
Nun fragen die Gewerkschaften, wer in Zukunft die Luxemburger Interessen bei der Cargolux vertreten wird. Dabei ist noch offen, wer es in der Vergangenheit gemacht hat. Denn ob Frank Reimen, mit oder ohne Kataris, je der Aufgabe gewachsen war, die sich ihm stellte, als er den Posten antrat, war schon damals fraglich. Er selbst schien nicht daran zu glauben – er nahm beim Staat unbezahlten Urlaub, statt sich mit vollem Risiko und ohne Rückversicherung in den neuen Job zu stürzen. Was aber qualifizierte den Politikwissenschaftler mit Beamtenlaufbahn besonders dazu, eine durch Kartellstrafen, Wirtschaftskrise und soziale Konflikte erheblich geschwächte, noch dazu im Flottenumbau befindliche Frachtgesellschaft zu führen, an der mehrere Tausend Jobs hängen? Diese Antwort sind der ehemalige und der aktuelle Transportminister, Lucien Lux (LSAP) und Claude Wiseler (CSV), schuldig. Sie sind es, die Reimen, auch aus Eigeninteresse, nach dem Peter-Prinzip bis zur Überforderung in den Cargolux-Chefsessel befördert haben. Den Luxemburger Interessen haben sie mit ihrer fragwürdigen Personalpolitik einen Bärendienst erwiesen. Nun haben die unbequemen Kataris leichteres Spiel als zuvor. Für die Luxemburger Aktionäre wird es umso schwieriger ihnen zu widersprechen, wenn sie fordern, „ihre“ Leute einzusetzen, weil „unsere“ es nicht geschafft haben. Ob Claude Wiseler und seine Regierungskollegen nun einen Kandidaten finden und durchsetzen, der den Anforderungen gewachsen ist, darf bezweifelt werden. Schließlich haben die gleichen Leute Reimen zum Hohen Kommissar für die nationale Sicherheit gemacht. Wie jemand die Allgemeinheit schützen, im Katastrophenfall, wenn es um Leben und Tod geht, einen kühlen Kopf und den Überblick behalten soll, wenn die Allgemeinheit glaubt, er könne nicht mit Druck umgehen, bleibt dabei ihr Geheimnis.
Derweil kursieren in der Fachpresse Gerüchte, Qatar Airways sei dabei, Ex-Cargolux-CEO Ulrich Ogiermann zu rekrutieren, der derzeit noch in den USA seine Gefängnisstrafe wegen unrechtmäßiger Preisabsprachen absitzt.

Michèle Sinner
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