Im Fablab in Esch-Belval und Differdingen lernen Interessierte mit 3D-Drucktechnik eigene Produkte zu entwickeln

Selber machen!

d'Lëtzebuerger Land du 16.12.2016

„Das Fablab bietet im Grunde drei Projekte in einem“, erklärt Rodolfo Baïz. Der Ingenieur mit dem bärtigen Gesicht und der freundlichen Stimme sitzt im Konferenzraum in der Fabrikhalle 1535 in Differdingen, um über sein „Baby“ zu sprechen. Hier ist es ruhiger als im eigentlichen Fabrikationslabor wie das Fablab übersetzt heißt. Das Konzept lernte der Architekt in Spanien kennen und brachte es 2013 mit nach Luxemburg. Die Idee der Fablabs stammt ursprünglich von Neil Gershenfeld, der als Student am renommierten Massachusetts Institute of Technology 2002 das erste Fablab gründete und damit eine weltweite Bewegung in Gang setzte: Dahinter stehen offene Werkstätten, die es Privatpersonen ermöglichen, Zugang zu digitalisierten Hochtechnologie-Produktionsmitteln zu bekommen, mit anderen zusammenzuarbeiten und Wissen zu teilen.

„Wir sind eine Plattform, die allen offensteht. Daneben bieten wir Einführungen in 3-D-Konzeption und Fertigung und arbeiten auf Wunsch mit Unternehmen zusammen“, fährt Rodolfo Baïz fort. Als junger Architekt hatte der gebürtige Venezulaner in Barcelona das erste Mal eine solche Werkstatt besucht und war sofort begeistert: „Ich habe mich dann immer weiter im Bereich 3D-Druck und Design spezialisiert.“

Als er „aus privaten Gründen“, wie er sagt, nach Luxemburg umzog, suchte er einen Partner, um hierzulande ein ähnliches Projekt auf die Beine zu stellen. In Technoport, einem staatlich subventionierten Zentrum, das junge Unternehmen bei der Gründung unterstützt, fand er ihn. Technoport stellte die Anschubfinanzierung von 40 000 Euro sowie die Räume in Esch-Belval zur Verfügung, wo die kleinere Version von Fablab ihen Sitz hat. Sie öffnete 2013 ihre Türen. Jeden Donnerstag ist Open Access: Jede/r kann kommen, der oder die mehr über 3D-Druck erfahren will; neben Baïz ist eine zweite Person fest angestellt. An den einige Tausend Euro teuren 3D-Druckern können bis zu 20 Zentimeter große Gegenstände gedruckt werden.

Die Erweiterung in Differdingen, wo neben einem größeren mobilen 3D-Drucker, mit der rechnergesteuerten Fräsmaschine und dem ferngesteuerten Roboter die größeren und teuren Maschinen stehen, hat Technoport ebenfalls mit 120 000 Euro finanziert. Dort liegen Spulen mit roten und gelben Fäden herum. Dabei handelt es sich um sogenannte Filamente, thermoplastische Kunststofffasern, die es in verschiedenen Durchmessern, Längen und Farben gibt. Von 3D-Einsteigern am häufigsten verwendet wird das robuste, aber leichte und biologisch abbaubare PLA (Polymilchsäure) sowie, für Fortgeschrittene, das kratzfeste ölbasierte ABS. Weil es mit Temperaturen über 200 Grad einen höheren Schmelzpunkt hat als PLA, braucht es einen Drucker mit Heizbett. 3D-Drucker gibt es heutzutage für wenige hundert Euro im Handel zu kaufen, doch um Anspruchsvolleres zu drucken, investiert man besser einige Tausend Euro. Das kann sich nicht jeder leisten – daher die Idee mit der offenen Werkstatt.

An der Plattform fasziniert Rodolfo Daïz insbesondere der Do-it-Yourself-Gedanke, das Selbermachen, und die Demokratisierung von innovativen Technologien, auch wenn der Ingenieur nicht so weit geht, wie Fans der ersten Stunde: Manche von ihnen sahen in der Do-it-yourself-Bewegung durch die allen Bürgern zugänglich gemachte Hochtechnologie gar das Potenzial, sich von der konsumorientierten kapitalistischen Massenproduktion mit ihrem Wegwerfcharakter zu befreien. Das Fablab als Treffpunkt von Nachbarn und Technikfreunden, die sich bei Reparaturen helfen, wo man sich das Ersatzteil für das Handy oder den Oldtimer druckt oder eigene Kleinproduktionen anschiebt. Jede Stadt sollte über so eine Einrichtung verfügen, Zutritt und Nutzung am besten frei sein, damit auch Menschen ohne Geld die Werkstätten nutzen können.

Im Fablab in Differdingen kostet die Mitgliedschaft zwischen 30 (für Studierende), 60 Euro für Einzelpersonen und 150 Euro (für Unternehmen) pro Monat. Wer in Differdingen an größeren Maschinen arbeiten will, zahlt mehr. Hier können sich Tüftler und Tüftlerinnen (ein Drittel der Nutzer sind Frauen) treffen und ihr Know-how austauschen. Bauanleitungen sind online frei verfügbar. Wer noch keine Ahnung hat von rechnergestützten Fräs- und Lasermaschinen oder wissen will, wie man Werkstoffe zu Möbel verbiegt, kann sich in einem Einführungskurs das nötige Wissen aneignen und dann loslegen.

„Zu uns kommen Studierende, Künstlerinnen, Architekten, Designer oder einfach Technik-Interessierte“, sagt Baïz. Wer älter ist als sechs Jahre, darf mitmachen. Gearbeitet wird mit Softwareprogrammen, die es im Internet als Freeware, also gratis zum Herunterladen, gibt. Das Übertragen von 2D auf 3D will gelernt sein. Im Einführungskurs (Termine unter www.fablaborg.lu) entstehen Handyhüllen und Figuren, aber auch Schmuck oder Möbelstücke. In der Fabrikhalle in Differdingen liegt ein süßlicher Geruch in der Luft, jemand hat Palstik geschmolzen. Auch mit Holz, Kupfer, Weichmetalle oder Plexiglas kann gearbeitet werden.

An einem Computer in der Mitte des Raumes stehen zwei Studenten der Fakultät Naturwissenschaften, Technik und Kommunikation der Uni Luxemburg, ins Gespräch vertieft. Sie sind nach Differdingen gekommen, um an ihrem Projekt zu arbeiten. Vor ihnen auf dem Computerbildschirm sind Skizzen einer Art Schrank oder Konsole zu sehen. „Das sollen Ladestationen für uns Studenten werden“, erklärt Paula Hernandez. Gemeinsam mit ihrem Studienkollegen Louis van der Elst arbeitet sie daran, einzelne Elemente für die Fertigung vorzubereiten: „Hier ist der ideale Raum, um unsere Idee umzusetzen und zu sehen, ob sie funktioniert. Wenn wir Hilfe brauchen, bekommen wir sie“, lobt Louis van der Elst das Konzept von Fablab. Die geplanten Ladestationen sollen wie Schließfächer funktionieren: Studenten legen ihre Smartphones oder Laptops zum Aufladen in diese Fächer hinein. Dort werden ihre Geräte geladen, ohne dass sie befürchten müssen, dass ein Unbefugter sie in einem unbeobachteten Moment entwendet. Zwei Monate haben Hernandez und van der Elst an ihrem Konzept gefeilt. Die Idee wurde an der Uni entwickelt, ein Prototyp soll jetzt im Fablab entstehen.

Für eine industrielle Produktion ist die offene Werkstatt ohnehin nicht geeignet: zu wenig Platz, zu teuer in der Herstellung und vor allem dauert sie viel zu lange: Bis ein Objekt in 3D gedruckt wird, vergehen, je nach Größe und Design, mehrere Stunden. „Manche, die zu uns kommen, haben eine falsche Vorstellung. Sie bringen eine Idee oder eine Zeichnung mit und sagen dann: Mach mal. Aber so funktionieren wir nicht“. Zwar arbeiten die beiden Mitarbeiter auch auf Auftragsbasis. Aber eine Massenanfertigung großer Stückzahlen lässt die Technologie nicht zu. „Wir befinden uns an der Schnittstelle zwischen Design und Produktion. Wir wollen Nutzerinnen und Nutzer dabei unterstützen, ihre kreativen Ideen umzusetzen.“ In der Industrie wird 3-D-Technologie vor allem in der Innovation und bei der Prototypentwicklung, etwa in der Autoindustrie oder in der Zahnmedizin eingesetzt.

In Esch-Belval und Differdingen gibt es einen Belegungsplan: Im Prinzip kann man eine Maschine per Email reservieren, aber eingetragene Fablab-Mitglieder können auf der Webseite einsehen, welche Maschinen wann wie lange belegt sind sowie ihre eigenen Nutzungswünsche eintragen. Im Moment tüfteln Rodolfo Baïz und sein Kollege daran, das Programm zu vereinfachen: „Der Verwaltungsaufwand ist recht hoch“, schildert der Ingenieur die Kehrseite des Projekts. „Das müssen wir effizienter organisieren.“

Auf der Webseite www.fablablux.org können diejenigen, die es wollen, ihre Konzepte hochladen und mit anderen Nutzern teilen. Allerdings liegt das nicht jedem: Denn wer eine Idee hat und diese zu Geld machen will, kann es sich nicht leisten, diese allen zur Verfügung zu stellen. „Wir bieten beides: Wer Vertraulichkeit will, das sind meistens Unternehmen, kann diese bekommen. Aber im Mittelpunkt steht das Teilen von Wissen und Ideen“, sagt Baïz. Auch die Ladestationen von Paula und Louis soll von allen Studierenden genutzt werden – und die Konstruktionspläne in Zukunft zugänglich bleiben: um das Produkt weiterzuentwickeln oder Verbesserungen vorzunehmen. Der technologische Fortschritt hört nicht auf.

Für die Zukunft von Fablab wünscht sich Baïz ein oder zwei weitere feste Mitarbeiter, um alle drei Bereiche: offene Werkstatt, Aus- und Weiterbildung, sowie professionelle Nutzung gleichermaßen betreuen und ausbauen zu können. Dann bliebe mehr Zeit, den Bereich Entwicklung und Sharing weiter voranzutreiben. Die laboreigene Datenbank mit Plänen und Entwürfen wird derzeit überarbeitet. Der Relaunch ist für die nächsten Tage geplant, rechtzeitig vor Weihnachten, falls noch jemand mit dem Gedanken spielt, ein paar Geschenke zu kreieren und in Esch-Belval oder Differdingen auszudrucken.

Ines Kurschat
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