„Quite and nice place for staying.“ „La description du lieu est bonne! S. est très gentil! Je recommande!“ Die zwei rezentesten Bewertungen für S., Airbnb-Gastgeber in Kirchberg, sind positiv ausgefallen. Seit Februar 2015 vermietet er ein Zimmer seiner mit orientalischen Teppichen üppig ausgestatteten Wohnung, die den Fotos nach zu urteilen in einem relativ neuen Mehrfamilienhaus liegt, günstig für alle, die in Kirchberg zu tun haben. S. hat bereits 150 Bewertungen erhalten. So viele Gäste haben sein Zimmer in den 21 Monaten, seit er sich eingetragen hat, also mindestens gebucht, vielleicht sogar mehr, wenn sie nach ihrem Aufenthalt, den drängenden E-mails der US-Plattform zur Zimmervermittlung widerstanden und keinen Kommentar abgegeben haben. Im Durchschnitt kommt S. auf sieben Gäste monatlich, die ihm 55 Euro pro Nacht bezahlt haben. Sind sie alle auch nur eine Nacht geblieben hat er inzwischen 8 250 Euro eingenommen. Sehr wahrscheinlich haben viele mehrere Nächste bei S. geschlafen und er hat wesentlich mehr eingenommen.
„Airbnb is a people-to-people platform – of the people, by the people and for the people – that was created during the Great Recession to help people around the world use what is typically their greatest expense, their home, to generate supplemental income. Airbnb creates economic opportunity“, schreibt der Internet-basierte Vermittlungsdienst über sich selbst. Potenziellen Gastgebern in Luxemburg, die ihre Wohnung oder ihr Haus via Airbnb vermieten möchten und zwei Gäste einquartieren können, verspricht die Plattform aufgrund ihrer Erfahrungswerte ein wöchentliches Einkommen von 346 Euro (in Paris und Berlin sind es 496 beziehungsweise 476 Euro). Wer zwei Gästen ein Zimmer, nicht aber die ganze Wohnung überlassen möchte, kann in Luxemburg immer noch mit 315 Euro Wocheneinnahmen rechnen, in Paris mit 399 und in Berlin mit 273 Euro. Drei Prozent Vermittlungskommission berechnet Airbnb, die kommen für die Gäste auf den angezeigten Buchungspreis hinzu.
Warum Airbnb der neuen Ökonomie des Teilens zugerechnet wird, wenn die Firma aus San Francisco selbst sagt, dass es darum geht, Zusatzeinkommen für Wohnungseigentümer zu generieren, kann nur das Ergebnis gelungenen Marketings sein. Von Teilen ist keine Rede, vor allem wenn es um das Einkommen von Airbnb geht.
Kommunizieren können Gastgeber und Gäste vor der Buchung nur via Airbnb-Botschaften. Daraus werden die Informationen, die eine direkte Kommunikation ermöglichen würden, mit dem Hinweis „unauthorized content“ gestrichen. Die Algorithmen wachen darüber, dass der Mittelsmann nicht aus dem Handel ausgeschlossen wird und seine Kommission verpasst. Das Kuschelimage bröckelt auch deshalb immer mehr, weil europäische Städte, wie Berlin und Paris, aber auch amerikanische, wie San Francisco oder New York, auf unterschiedliche Art gegen den Durchmarsch von Airbnb und dessen Folgen auf den Wohnungsmarkt, die Tourismusbranche und die Steuereinnahmen vorgehen. In Berlin gilt seit 2014 ein grundsätzliches Zweckentfremdungsverbot, in Paris muss Airbnb 0,83 Euro Touristensteuer pro Nacht abführen, New York hat kürzlich Geldstrafen für Kurzzeitvermietungen eingeführt und in San Francisco hat ein Gericht entschieden, dass nur Wohnungen mit Genehmigung über die Plattform angeboten werden dürfen.
Firmenngaben zufolge checkten vergangenes Jahr allein rund um den Globus 40 Millionen Gäste in ein Airbnb ein. Worin der Reiz besteht? Ein Blick auf das Luxemburger Angebot zeigt: Viele der Wohnungen sehen besser aus, sind schöner eingerichtet als die Hotels, die auf anderen Webseiten ihre Zimmer anbieten. Gibt es im Airbnb auch kein Frühstück wie im Hotel, lässt sich auf der Webseite eine ganze Wohnung mit Wohnzimmer und Küche für den Preis eines normalen Hotelzimmers buchen, eine Fläche so groß wie eine Suite. Die Airbnbs befinden sich außerdem oft dort, wo sonst kaum Hotels sind. Für Geschäftsreisende kann das eine Rolle spielen. Für Freizeitreisende auch – für die Art, die auf ordinäre „Touristen“ herabschaut und ein möglichst „authentisches“ Erlebnis sucht. Airbnb deckt damit eine Nachfrage ab, die vom regulären Angebot nicht bedient wird.
Die Wohnung von R. in Luxemburg-Stadt ist ein gutes Beispiel dafür. Sie ist sehr geschmackvoll eingerichtet. Die Bilder, mit denen sie auf Airbnb beworben wird, haben Katalogqualität; Katalog für Innenausstattungsbeispiele in gut renovierten Altbauten mit einem Mix aus neuen und Vintage-Elementen. R. und seine Partnerin vermieten ihre Eigentumswohnung seit Mai, da sie mit dem Nachwuchs in ihr Haus außerhalb umgezogen sind. Sie hätten die Wohnung verkaufen können oder behalten und vermieten. Nach dem ersten Airbnb-Inserat dauerte es keine zwölf Stunden, bis die erste Buchung kam. Seither ist sie von 30 Tagen im Monat rund 25 Tage belegt, für die Partnerin von R. ist Putzen, Waschen und Gästeempfangen fast zur Vollzeitbeschäftigung geworden. Die Wohnung ist mit 120 Euro pro Nacht im Angebot, die Mieteinahmen sind wesentlich höher, als wenn die Wohnung regulär vermietet würde. R. ist noch kein volles Jahr als Airbnb-Gastgeber aktiv, wie das mit den Steuern geht, hat er mal bei einer Buchhaltungsfirma nachgefragt, die ihn bis auf Weiteres vertröstet hat. Er hast drei Gäste-Kategorien ausgemacht: Geschäftsleute, die zu einer Konferenz kommen oder sonstiges Business in Luxemburg haben, Gäste, die an der Uni zu tun haben oder an einem ihrer Ereignisse teilnehmen, und Touristen, wobei es bei letzteren oft irgendeine Verbindung mit Luxemburg gebe, beispielsweise Familienmitglieder, die hier wohnen.
Insgesamt 50 „Gruppen“ von einem oder mehreren Gästen hat er bisher einquartiert. Bis auf eine Erfahrung, mit einer Familie, die das Appartement in einem katastrophalen Zustand verlassen hat, sind die Erfahrungen gut. Aber seit diesem Vorfall, ist das Vertrauen erschüttert. Denn der Erfolg, erklärt er, hängt bei Airbnb von den Bewertungen ab, die Gäste den Gastgebern und umgekehrt geben. Als er den Gast direkt kontaktierte, um ihn auf die hinterlassenen Schäden anzusprechen, schrieb dieser R. eine schlechte Bewertung und R. tat dann das Gleiche. Nachdem R. es geschafft hatte, einen richtigen Menschen bei Airbnb zu erreichen und die Geschehnisse zu erklären, löschte die Firma irgendwann beide Kommentare. Doch der betreffende Gast, sagt er, hat immer noch ein Konto und sich andernorts ähnlich schlecht benommen, wie aus den für jedermann zugänglichen Bewertungen hervorgeht. Bei R. bleibt ein Gefühl des Ausgeliefertseins zurück. Wenn jemand schlechte Absichten hat, funktioniert das auf Ehrlichkeit und Vertrauen basierende Bewertungssystem nicht mehr, nach dem sich die Gäste richten, wenn sie buchen wollen.
Ob es rund läuft oder nicht, hängt aber nicht nur davon ab, sondern auch von der Postleitzahl. Julien Medinger ist konvertierter Restaurateur. In seinem Restaurant in Beaufort blieb nach Personal- und anderen Kosten keine ausreichend große Marge übrig, um den allnächtlichen Einsatz zu rechtfertigen. Seit Mai betreibt er deshalb die Auberge du Lac in Vianden mit 32 Zimmern, die er auch via Airbnb anbietet. Der Vorteil im Vergleich zu anderen populären Webseiten, wie etwa Booking? Dort ist es nicht möglich, Gästen, die mehrere Wochen bleiben wollen, ein Preisangebot zu machen, während er auf Airbnb Wochen- und Monatsrabatt bieten kann. Außerdem behält Booking zwölf bis 15 Prozent Kommission von ihm als Hotelier zurück, während ihm bei Airbnb drei Prozent Kommission für den Gast verrechnet werden. Doch viel Kundschaft hat ihm Airbnb bisher nicht gebracht. Seine Bewertungen sind positiv, doch bisher hat er nur drei bekommen, vielleicht fünf oder sechs Buchungen insgesamt, sagt er.
Medinger ist nicht der einzige Professionelle in Luxemburg, der Airbnb nutzt. Mancher Campingplatz bietet dort seine Chalets zur Vermietung an. Rund ein Drittel der zwischen 300 und 400 „Luxemburger“ Angebote, schätzt François Koep vom Branchenverband des Hotel- und Gaststättengewerbes Horesca, stammten von Professionellen. Gehe man davon aus, dass die Angebote eine Auslastung von 55 Prozent erreichten, ergebe das ungefähr 330 belegte Airbnb-Zimmer pro Nacht: theoretisch über 120 000 Übernachtungen im Jahr, hatte Luxembourg for Tourism einmal berechnet. Das sind viel, das meint auch Koep, der 70 000 Übernachtungen für realistischer hält. Die Preise variieren zwischen um die 30 und 170 Euro – geht man von einem Durchschnittspreis von 100 Euro aus, beliefe sich der Airbnb-Umsatz in Luxemburg auf sieben Millionen Euro jährlich.* Was davon versteuert wird, ist ungewiss.
Deshalb sprechen Koep und sein Verband von unlauterem Wettbewerb. Im Hotelgewerbe müsse man mit rund 20 Prozent Personalkosten rechnen. Dazu kommen die Übernachtungstaxe von drei Prozent auf dem Übernachtungspreis, drei Prozent Mehrwertsteuer, wesentlich höhere Grundsteuersätze als für Privatleute sowie auf dem Gewinn, der übrigbleibt, kommunale Gewerbesteuer und Körperschaftssteuerabgaben. „Wenn man dann noch die Hygiene- und Sicherheitsvorschriften bedenkt, kann man manchen nur raten: Mach zu und öffne stattdessen ein Airbnb“, ironisiert Koep. Grundsätzlich, sagt er, habe die Horesca nichts dagegen, wenn sich manche ein Zubrot mit der Vermietung eines Zimmers verdienten. Aber die Bedingungen müssten angeglichen werden. Deshalb fordert er, dass Regierung und Behörden eingreifen, damit sichergestellt wird, dass zumindest ein Teil der Einnahmen besteuert werden.
Claudine Konsbruck, CSV-Gemeinderätin in der Hauptstadt fragte Anfang September beim Schöffenrat ebenfalls nach, wie es mit der Online-Vermittlung von Zimmer stehe. Laut Gesetz aus dem Jahr 1960 dürfe nur ein Zimmer vermieten, wer dafür eine Genehmigung habe. Ob solche Genehmigungen schon beantragt wurden, wollte Konsbruck wissen. Bisher steht die Antwort vom Schöffenrat noch aus. „Das wird ein Problem werden“, ist Konsbruck überzeugt, weil Airbnb auch in Luxemburg ein wachsendes Phänomen sei. Airbnb-Anbieter machten den Hoteliers Konkurrenz, ohne die Hygiene- und Sicherheitsvorschriften einzuhalten, die Aufenthaltstaxe zu entrichten und außerdem sei eine Untervermietung dieser Art oft aufgrund bestehender Mietverträge widerrechtlich.
In seiner Antwort auf eine parlamentarische Frage der DP-Abgeordneten Max Hahn und Claude Lamberty hatte Wirtschaftsminister Etienne Schneider gemeint, die online-basierte private Zimmervermietung stelle ein interessantes Zusatzangebot des touristischen Angebots dar. Eine gesetzliche Sonderregelung gebe es nicht, dennoch müsse sie bestimmte Auflagen erfüllen. Zum Beispiel die gleichen Hygiene-Bestimmungen einhalten wie die Vermieter von möblierten Zimmern, ihr Einkommen bei der Steuern deklarieren und die Übernachtungskarte ausfüllen. „Il n’est pour le moment pas prévu de mettre en place une loi spéciale pour ce genre d’activité. En effet, il n’y a pas de raison à priori de limiter cette activité tant que les particuliers ne se comportent pas comme des véritables professionels sans être soumis aux mêmes contraintes“, so Schneider, der versprach, das die Bürgerinformationsplattform guichet.lu bald alle notwendigen Informationen zusammenstelle, die Online-Vermieter brauchen, um nicht in die Illegalität zu geraten. Das ist noch in Arbeit, heißt es dazu aus dem Wirtschaftsministerium. Und im Rahmen der weiterführenden Debatten über die Rifkin-Studie werde außerdem eine Analyse erstellt, welcher Rechtsrahmen für die Ökonomie des Teilens gebraucht werde.