„Typisch Luxemburg“ könnte man nennen, was Mobilitätsforscher des Luxembourg Institute of Socio-Economic Research (Liser) ermittelt haben: Wer in einem der Gewerbe- und Industriegebiete im Süden des Landes arbeitet und entweder in der Region wohnt oder gleich hinter der Grenze, fährt am liebsten im Auto zur Arbeit.
Genauer: im eigenen Auto. Es ist für 90 Prozent der Süd-Einheimischen das bevorzugte Vehikel zwischen daheim und der Arbeit und für 87 Prozent der Grenzpendler. Wobei von Letzteren weitere acht Prozent Fahrgemeinschaften nutzen, was aber nur 0,5 Prozent der Einheimischen tun. Unter diesen legen weitere fünf Prozent den Arbeitsweg im Bus zurück, zwei Prozent im Zug. Bei den Grenzpendlern liegt der Zugfahrer-Anteil bei drei Prozent, der Busnutzer-Anteil bei 0,2 Prozent. „Das Auto ist offenbar vorherrschend“, sagt Liser-Forscher Sylvain Klein trocken.
Die Studie entstand im Auftrag des Nachhaltigkeitsministeriums und des Gemeindesyndikats Prosud. Frank Vansteenkiste, Erster Regierungsrat und Chef-Landesplaner im Ministerium, nennt den Süden „ein Sorgenkind“. Die 25 Gewerbe- und Industriegebiete der Region müssten „besser angebunden werden“, damit mehr der rund 18 000 dort Beschäftigten auf ihr Auto verzichten.
Zwar befragte das Liser sie nicht alle, sondern nur eine Stichprobe von 1 349 Leuten. Doch die war repräsentativ, und es stellte sich heraus, dass 98 Prozent der Befragten mindestens ein Auto im Haushalt haben, 65 Prozent mindestens zwei. Dabei ist die Südregion eigentlich stark urbanisiert, grenzt eine Gemeinde oft an die andere, und wenngleich nicht überall die Bahn verkehrt, ist das Busangebot von RGTR und Tice so schlecht nicht. Was auch die Liser-Untersuchung zeigt: 85 Prozent der Leute finden nach höchstens zehn Minuten Fußmarsch von Zuhause eine Bushaltestelle vor, 62 Prozent finden höchstens nach zehn Minuten vom Betrieb eine. Sich auf die sanfte Tour zu begeben, wäre ebenfalls möglich: Ungefähr jeder Fünfte hat nah beim Betrieb beziehungsweise dem Zuhause einen Radweg.
Doch: Zwei Mal zehn Minuten pro Weg zu und von einer Bushaltestelle zu laufen, ist womöglich nicht die bequemste Option. Denn für die Hälfte der befragten Einheimischen liegt die Fahrzeit von Zuhause zur Arbeit unter 30 Minuten, für die Hälfte der Grenzpendler unter 60 Minuten. Und zwei Drittel aller Befragten sind mit ihrem Arbeitsweg „zufrieden“. Die Entscheidung, das Auto zu nehmen, begründen die meisten (46 Prozent) mit „Komfort“.
„Doch wenn es Alternativen zum Auto gibt, werden sie auch genutzt“, stellt Sylvain Klein fest. Das Problem ist nur, dass nicht überall Alternativen bestehen. Für rund 70 Prozent aller Arbeitsplätze in den Gewerbegebieten im Süden konnte gemeinsam mit den Betrieben ermittelt werden, inwiefern die Beschäftigten auch anders als im Auto mobil sein können. Resultat: „Vor allem größere Gewerbegebiete nahe der Autobahnen sind kaum anders erreichbar als im Auto.“ Vielleicht ist auch deshalb die „Mobilitätspolitik“ der Betriebe, wie Sylvain Klein das nennt, in erster Linie auf die Automobilität bezogen: In einer zweiten Erhebung, diesmal unter den Betrieben, ergab sich, dass 51 Prozent von ihnen Gratis-Parkplätze anbieten, 56 Prozent stellen Dienstautos zur Verfügung, 51 Prozent Funktions-Autos – wobei Letztere einem Mitarbeiter persönlich zur Verfügung gestellt werden, während Dienstfahrzeuge sowohl zum Einsatz für den Betrieb gedacht sind, als auch für die private Nutzung. Womöglich liegt es an dieser Spendabilität der Betriebe, dass die vom Liser befragten Leute sich zur Verbesserung ihrer Mobilitäts-Situation in erster Linie ein Funktionsauto wünschten (44 Prozent) beziehungsweise ein „Elektro-Auto für berufliche und private Zwecke“ (43 Prozent). Erst an dritter Stelle der Wunschliste – Mehrfachnennungen bei der Befragung waren möglich – rangierte die „Organisation von Werksverkehr“ durch den Betrieb (35 Prozent), gefolgt vom Wunsch nach einem Dienstwagen (27 Prozent).
Sylvain Klein interpretiert die Wünsche so, dass „wer ein Auto will, davon ausgeht, ein verbesserter öffentlicher Transport bringe keine Verbesserung“. Was eigentlich nicht gut zu der Feststellung passt, dass Bus und Bahn, wo sie verkehren, auch genutzt würden. Aber auch in den Gewerbegebieten Zare-West und Zare-Ost bei Esch/Alzette zum Beispiel, die das Liser-Team als Beispiele für Zonen herausgestellt hat, die sowohl nah der Autobahn liegen als auch an das Tice-Busnetz angebunden sind, „sind die Parkplätze stark frequentiert und es wird vielfach wild im Gewerbegebiet geparkt“.
Im Nachhaltigkeitsministerium geht man davon aus, dass sich der hohe Auto-Anteil im Süd-Berufsverkehr nur durch ein Bündel von Maßnahmen senken ließe. Indem die Gemeinden Fußwege verbessern und Radwege schaffen, die Betriebe einerseits zu einem „Parkraum-Management“ übergehen, andererseits die Arbeitszeiten so gestalten, dass sie zu den Fahrplänen des öffentlichen Verkehrs passen. Am Ministerium wäre es, für neue öffentliche Verkehrsangebote zu sorgen und neue Gewerbeflächen so zu planen, dass sie von vornherein gut an den Bus angebunden sind.
Denn der Mensch, der ist nun mal ein Gewohnheitstier. Wie die Liser-Studie ebenfalls ergeben hat, unterschätzt die Mehrzahl der Befragten die monatlichen Kosten, die durch die viele Autonutzung entstehen, deutlich: „Die meisten Leute veranschlagen sie auf 100 bis 200 Euro“, resümiert Sylvain Klein. „Bezieht man alles ein, vom Kraftstoff über die Versicherung bis hin zur Abnutzung des Fahrzeugs und den Wartungs- und Reparaturkosten, wären es in Wirklichkeit 600 bis 700 Euro.“