Es war schon länger im Gespräch, nun hat es das Unterrichtsministe-rium bestätigt: Die Bewertung in der Grundschule, die bilan intermédiaires, wird rechtzeitig zum Schuljahr 2011/2012 vereinfacht. Seit ihrer Vorstellung vor fast genau zwei Jahren stehen die Instrumente in der Kritik: Lehrer hatten die aus mehreren Kompetenzkritieren bestehenden Zeugnisse als zu umständlich und für die Eltern schwer durchschaubar beanstandet. Die Bewertung erlaubt, anders als die klassische Note, eine genauere Abbildung dessen, was der Schüler kann und was nicht. Im Mittelpunkt steht der individuelle Lernprozess des Schülers. Unterrichtsministerin Mady Delvaux-Stehres (LSAP) hatte die neuen Bewertungsbögen gegen den Willen der Lehrergewerkschaften eingeführt, die eine Verschiebung um ein Jahr gefordert hatten. Delvaux-Stehres hatte ihren Vorstoß damals damit gerechtfertigt, die Evaluation sei „Kern der Reform“. Mit einer anderen Bewertung, so die Hoffnung, würde sich auch die Unterrichtskultur in den Klassen ändern.
In den folgenden Monaten jedoch bildeten der Aufwand und die Komplexität der neuen Bewertung immer wieder Angriffsfläche für gewerkschaftliche Grundsatzkritik an den Schulreformen, und es wurde keine Gelegenheit ausgelassen, den „Bürokratismus“ der neuen Bewertungsmethode zu attackieren. Eine Befragung von Eltern und Grundschullehrern, die im zweiten Trimester nach der Einführung erfolgte, hatte ergeben, dass der neue Ansatz zwar grundsätzlich auf Zustimmung insbesondere bei Eltern stößt. Diese lobten die detaillierte Rückmeldung in den damit verbundenen Elterngesprächen. Allerdings hatten nur 21 Prozent der Lehrer an der Studie teilgenommen, weil die Gewerkschaften gegen eine Teilnahme mobilisiert hatten.
Nun also kommt die Kurskorrektur. Statt wie bisher jedes Trimester wird es nun nur noch zweimal im Jahr dieses Zeugnis geben. An den drei Elterngesprächen am Ende des Trimesters, bei denen der oder die Klassenlehrer/in über die Fortschritte und Schwierigkeiten aufklären und weitere Maßnahmen diskutieren, soll aber festgehalten werden. „Die Änderungen sind auch deshalb nötig geworden,weil der plan d’études nur zwei Jahre galt“, erklärt Robi Brachmond aus der Grundschulabteilung im Unterrichtsministerium. Derzeit liegt eine überarbeitete Version des Lehrplans vor. Darin werden unter anderem die verschiedenen Kompetenzniveaus präziser gefasst. „Die Bewertung muss daran angepasst werden“, sagte Brachmond dem Land. Die Anpassung besteht im Wesentlichen darin, dass die Bewertung auf der Grundlage der Sockel, die bestimmen, was ein Schüler in welchem Fach lernen soll, konkreter beschrieben wird.
Die Ankündigung des Ministeriums kam nach Gesprächen mit den Gewerkschaften. Entgegen Zeitungsmeldungen und entgegen den Äußerungen der liberalen Opposition, die die „chaos-artigen Zustände“ in den Schulen in einer Pressemitteilung anprangerte, war die Ministerin nicht so uneinsichtig, wie sie etwa der DP-Abgeordnete André Bauler beschreibt. So wurde über Monate gemeinsam mit Experten von der Uni Luxemburg, Lehrern aus den Grundschulen und Inspektoren an einer vereinfachten Bewertung gefeilt. Dass die Bewertungsbögen womöglich überarbeitet würden, daraus hatte das Unterrichtsministerium schon früh keinen Hehl gemacht. Allerdings sollten zunächst Erfahrungen mit den bestehenden Instrumenten gemacht und diese ausgewertet werden. Tatsächlich waren die Bewertungen von Anfang an nicht in Stein gemeißelt: Die Vorgängermodelle hatten sich etwa an belgischen Vorbildern orientiert und waren zuvor an verschiedenen Luxemburger Grundschulen getestet worden.
Ursprünglich hatten die Gewerkschaften für eine stark vereinfachte Version plädiert. Demnach wäre auch in den Hauptfächern die Zahl der Kompetenzkriterien drastisch reduziert worden. Aber laut Ministerium sollen die „Brutto-Resultate“ der zweiten Studie zur Zufriedenheit der Eltern und der Lehrer mit den neuen Bewertungsmethode ergeben, dass die Eltern die detaillierte Evaluation erneut positiv bewertet haben, das Ministerium spricht von einem „global positiven Statement“. „Eltern begrüßen, dass sie sich ein genaues Bild über den Lernprozess ihres Kindes machen können“, meint Robi Brachmond. Nach der Ankündigung, die Bilans verständlicher zu formulieren, war der Dachverband der Elternorganisationen Fapel dennoch skeptisch: „Die Eltern müssen schriftlich nachvollziehen können, wie es um ihr Kind steht. Wäre es dann nicht eher gebracht, die Lehrer besser auf das Bewertungssystem vorzubereiten?“, zitiert das Wort Fapel-Präsidentin Michèle Retter. Auf Wunsch der Eltern, und des Ministeriums, soll daher in den Hauptfächern an der ausführlicheren Darstellung festgehalten werden.
Noch in einem anderen Punkt konnten sich die Gewerkschaften nicht durchsetzen. Das Ministerium bleibt dabei, dass nach der neuen Bewertung sehr gute Schüler in den Zyklen drei und vier ein Exzellenzniveau anstreben können sollen. Unterrichtsministerin Delvaux-Stehres begründet dies vor allem damit, Lehrer und Schüler dadurch dazu anhalten zu wollen, auch über die Mindestsockel hinauszugehen und besonders begabten Jungen und Mädchen „einen Ansporn“ zum Lernen zu geben, wie Pressesprecherin Myriam Bamberg sagt. Die Gewerkschaften, allen voran der OGBL-angegliederte SEW, hingegen hatten sich gegen die erweiterten Kompetenzniveaus ausgesprochen mit der Begründung, einen zu starken Leistungsdruck verhindern zu wollen.