Für eine „kopernikanische Revolu-tion“ ist das Echo bisher noch recht verhalten. Mit diesen Worten hatten die Inspektoren der blau-grünen Hauptstadt einen Vorschlag der dortigen Schulkommission beschrieben, das Permutationsprinzip zu ändern. Dabei geht es um die Frage, zu welchen Bedingungen Grundschullehrer (und Erzieher) sich in Luxemburg-Stadt künftig ihren Arbeitsplatz wählen beziehungsweise ihn wechseln können sollen.
Am 23. Mai hatte die Schulkommis-sion neue Leitlinien für eine Änderung des Gemeinde-Reglement zur Stellenbesetzung beschlossen. Demnach sollen die Betroffenen ihren Zyklus von jeweils zwei Jahren zu Ende führen, bevor sie wechseln können. Nach dem aktuellen Reglement können sie nach einem Jahr wechseln. Der Wechsel soll künftig vorrangig innerhalb der jeweiligen Schule geschehen. Eine Versetzung an eine andere Schule wäre dann nur möglich, wenn dort eine Stelle frei wäre.
Mit dem neuen Grundsatz, den eine Arbeitsgruppe aus Lehrern, Eltern und Gemeindevertretern nun in einem Reglement festschreiben wird, soll mehr Stabilität und Kontinuität einkehren. „Es gibt Fälle, da werden Lehrerteams auseinander gerissen, obwohl sie gut eingespielt waren, weil plötzlich ein anderer Lehrer sich auf den Posten gemeldet hat oder weil jemand weggehen wollte“, erklärte Elternvertreter Mike Richartz nach dem Votum. Der hauptstädtische Elternvertreter begrüßt die Entscheidung; die Eltern hatten sogar fünf Jahre gefordert. Auf fünf Jahre ist nämlich der Schulentwicklungsplan (plan de réussite scolaire) angelegt, den alle Schulen neuerdings haben müssen. „Dann wäre sicher gestellt, dass die Lehrer, die den Plan ausgearbeitet haben, ihn auch umsetzen,“ so eine Mutter. Mit dem Kompromiss können die Elternvertreter aber gut leben.
Nicht so dagegen das Comité de cogestion. Dessen Präsidentin Monique Adam hatte sich noch bis zuletzt gegen die Pläne gestemmt. Die Zweijahres-Regelung geht für Adam in Ordnung, sie war auch im Vorentwurf vorgesehen, den das Komitee gemeinsam mit dem Schuldienst und den Inspektoren ausgearbeitet hatte. Aber dass Lehrer nun vorrangig einer Schule zugeordnet werden und nur noch auf offene Stellen wechseln können, hält sie für grundfalsch: „Es ist gut, wenn junge Lehrer erst einmal in anderen Schulen und Zyklen Erfahrungen sammeln, ehe sie sich festlegen. Die Schulen riskieren sonst Sklerose.“ Auch sei die Zahl der Lehrer, die die Schule wechseln, gar nicht so groß. Laut Adam liegt der Anteil bei rund zehn Prozent.
Dass ein neuer Modus der Stellenbesetzung kommt, wird das Komitee wohl nicht mehr verhindern können: Der Kompromiss wurde mit den Stimmen aller Parteien und mit der Zustimmung der Eltern getroffen. In dem Sinne ist es dann vielleicht doch eine „kopernikanische Revolution“: Nicht nur weil die neue Regelung, wie die Inspektoren schreiben, „wichtige Auswirkungen auf die schulische Organisation, die Funktionsweise der Schulen und die Rechte und Errungenschaften des Schulpersonals“ haben wird, sondern vor allem deshalb, weil der Kompromiss auch ein neues Gleichgewicht in der schulpolitischen Entscheidungsfindung einläutet.
Das Grundschulgesetz verlangt eine Schulorganisation im Sinne der Kontinuität der Lehrerteams, insofern ist die Neuerung nachvollziehbar. Neu ist, dass bei der Ausarbeitung der Spielregeln auf kommunaler Ebene zunehmend andere Akteure ein Wörtchen mitzureden haben: die Eltern und die Schule selbst. Mit der Reform wurden neue Gremien geschaffen: Die Eltern haben durch gewählte Vertreter eine demokratische Legitimität erhalten, sich in der Schule einzubringen. Zuvor gab es den Elterndachverband Fapel, in dem sich Eltern nach gusto engagieren konnten.
„Wenn die Elternvertreter ihre Arbeit gut machen, dann kann ihr Beitrag sehr fruchtbar und konstruktiv sein“, sagt Alain Kleeblatt, für die ADR in der Schulkommission. Das ist aber nicht immer garantiert, wendet Monique Adam ein. „Dann können die Spannungen das Schulklima nachhaltig negativ beeinflussen“, warnt sie. Adam ist Präsidentin der Grundschule im Bahnhofsviertel ist. Sie warnt davor, Eltern zu überfordern und weist auf ein Ungleichgewicht hin: „Die Eltern aus sozial schwachen Milieus sind schwerer zu erreichen.“
Nicht überall an den insgesamt 19 Schulen in der Haupstadt funktioniert die Zusammenarbeit so, wie in Belair oder Cents, die vergangene Woche ihren Schulentwicklungsplan der Gemeinde vorgestellt haben. Um die Eltern bei der Entscheidung für die thematischen Schwerpunkte der Schule einzubeziehen, nutzten die einen gemeinsame Termine zum Brainstorming, die anderen griffen auf Fragebögen zurück, die die Agentur für die Entwicklung von Schulqualität zur Verfügung stellt. Letztere trafen aber beim Komitee weniger auf Begeisterung, er hatte Eltern zunächst aufgefordert, diese nicht auszufüllen.
Es scheint sich eine andauernde Konfrontation zwischen Gemeindeverantwortlichen und Komitee anzubahnen: Die Gemeinde spiele die Schulen gegeneinander aus, so der Vorwurf von Monique Adam. Der blau-grüne Schöffenrat konsultiere das Gremium weniger als früher. „Bei Verhandlungen etwa um Finanzen oder personelle Ressourcen ist es aber wichtig, dass die Schulen zusammenhalten und gemeinsame Standpunkte vertreten“, ist Adam überzeugt. Sonst könne eine Schule einmal ins Hintertreffen geraten. Schulschöffin Viviane Loschetter (Déi Gréng) betont derweil gegenüber dem Land: Die neue Besetzungsprozedur werde der neue Gemeinderat im nächsten Jahr „mit allen Akteuren“ diskutieren.