Fast fünf Jahre ist es her, dass die Finanzkrise in den Sommermonaten 2008 die ersten Vorzeichen zeigte. Nun hat die EU-Kommission endlich Richtlinienvorschläge gemacht, mit denen die Probleme angegangen werden können, die im Herbst 2008 dazu führten, dass die EU-Staaten die Insolvenz vieler Bankhäuser nur durch den massiven Einsatz von Steuergeldern verhindert konnten.
Viele Fragen waren damals ungeklärt: Wer ruft wo in Brüssel und Den Haag an, wenn ein belgisch-niederländisch-luxemburgischer Finanzkonzern vor dem Kollaps steht? Wie stellt man sicher, dass die nationalen Aufsichtsbehörden sich nicht gegenseitig das Leben schwer machen? Zum Beispiel, indem sie den Kapitalfluss zwischen verschiedenen Gruppeneinheiten eindämmen, um möglichst viel Geld auf dem nationalen Territorium zu halten. Obwohl es möglicherweise den Sparern in einer anderen Landesfiliale gehört. Welches Einlagensicherungssystem steht für die Kundeneinlagen bei einer belgischen Zweigstelle der Luxemburger Filiale einer isländischen Bank ein, wenn es kracht? Und wieso müssen die Staaten überhaupt das Kapital von Banken aufstocken, während die Besitzer von Bank-Anleihen sich nicht an den Rekapitalisierungen beteiligen müssen, weiter Zinsen kassieren und nicht einmal einen Schuldenschnitt hinnehmen müssen?
All diese Fragen will die EU-Kommission mit ihrem Anfang des Monats vorgestellten Richtlinienvorschlag über die „Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen“ beantworten. Demnach sollen die Banken im Voraus Sanierungspläne für den Ernstfall ausarbeiten. Die Aufsichtsbehörden sollen früh eingreifen können, etwa wenn sich anbahnt, dass ein Institut die Eigenkapitalanforderungen nicht mehr erfüllen kann. Dann soll ein Aktionsplan mit Kalender vorgelegt werden, der beispielsweise eine Umschuldung vorsieht. Neu in den Kommissionsplänen ist die Möglichkeit, einen Sonderverwalter einsetzten zu können, der notfalls das Management entmachtet und die finanzielle Wiederherstellung besorgt.
Sollte auch der Sonderverwalter keinen Erfolg haben, kommt die strauchelnde Bank in die Abwicklungsphase. Die Instrumente dafür will die Kommission europaweit harmonisieren, was im Ernstfall die Abwicklung einer grenzüberschreitend tätigen Bank erleichtern soll. Die Abwicklungsbehörden sollen sich über die Rechte von Aktionären und Anteilseignern hinwegsetzen können, um beispielsweise die Bank oder Teile davon zu verkaufen, wenn sie dadurch weiterfunk-tionieren kann.
Eine der wichtigsten Neuerungen ist das so genannte Bail-in. Demnach können auch die Besitzer von Bankanleihen und andere Gläubiger gezwungen werden, Verluste mitzudecken, indem die Anleihen in Aktien, also Firmenkapital, umgewandelt werden oder den Gläubigern – wie in Griechenland gesehen – ein Schuldenschnitt aufgebrummt wird. Dass dieser „Highway to hell“ nun definiert werden soll, der klarstellt, wer wann in die Tasche greifen muss, begrüßt Jean-Jacques Rommes, Direktor der Luxemburger Bankenvereinigung ABBL ausdrücklich. Wenn dadurch für die Kunden glaubhaft sichergestellt werde, dass ihre Einlagen nicht in Gefahr geraten und künftige Bank runs verhindert würden, sei das „super“. In dieser Rangfolge soll auch das Einlagensicherungssystem vorkommen und in Höhe der Summe mithaften, die es den Kunden hätte auszahlen müssen, wäre die Bank bereits in der Insolvenz. Um das alles zu koordinieren, soll im Falle von transnationalen Finanzkonzernen die Europäische Bankenaufsicht Eba die Koordination zwischen den betroffenen Aufsichtsbehörden übernehmen und „verbindlich vermitteln“ können, wie es bei der Kommission heißt, also wenn sich die nationalen Behörden nicht einig werden, letzten Endes die Entscheidungen treffen.
Weniger gut gefällt bei der ABBL sicherlich, dass die Kommission die Banken dazu anhalten will, die jeweiligen Resolutionsfonds zu speisen – die neben den Einlagensicherungsfonds bestehen sollen und in denen binnen zehn Jahren der Gegenwert eines Prozents der Bankeinlagen angespart werden soll. In Luxemburg wird bislang nicht einmal das Einlagensicherungssystem vorfinanziert, sondern die nötigen Gelder im Nachhinein bei den Banken eingesammelt. Ein System, dessen Reform Finanzminister Luc Frieden (CSV) einerseits schon vor Jahren versprochen hat, die aber immer wieder mit Verweis auf die ausstehenden Kommissionvorschläge verschoben wurde. Ein System, das Jean-Jacques Rommes andererseits verteidigt. In der Vergangenheit habe sich gezeigt, dass die Herausforderung im Ernstfall nicht darin besteht, die Bankenbeteiligungen einzutreiben, sondern darin zu berechnen und zu prüfen, wie viel welchem Kunden der insolventen Bank zusteht.
Mit ihren Vorschlägen ist die Kommission von der Bankenunion, wie sie verschiedenen Euro-Entscheidungsträgern vorschwebt, mit einer zentralisierten Bankenaufsicht und einen einzigen europäischen Resolutions- und Einlagensicherungsfonds noch weit entfernt. Doch durch die Bail-In-Regeln und harmonisierten Resolu-tionsmaßnahmen kommt sie dem Vorhaben, chaotische Restrukturierungen und Zerschlagungen, wie man sie derzeit im Fall Dexia beobachten kann und für die der Steuerzahler haftet, ein Stück näher.