d’Land: Herr Oberlé, gibt es in Luxemburg zu viele Zahnärzte?
Christian Oberlé: Die Luxemburger Zahnärzte stehen unter Druck durch ein steigendes Angebot organisierter Zahnarztgruppen aus dem Ausland. Das ist der CNS bewusst. Wir wissen, dass viele Zahnärzte besorgt sind.
Alain Schmit, der Präsident des Ärzteverbands AMMD, sagte vor zwei Wochen im RTL-Radio, neun von zehn Zahnärzten nähmen keine neuen Patienten an. Das klang, als gebe es nicht genug Dentisten. Dagegen hatte er im April im Wort erklärt, es seien „mittlerweile zu viele“ und „es wäre besser, ihre Zahl zu begrenzen“. Was meinen Sie?
Ich weiß nicht, ob es zu viele sind. So weit sind wir in unserer Analyse nicht gegangen. Wir bekommen Dinge zugetragen, die durchaus Anlass zur Sorge sind. Es soll auch Gesellschaften oder organisierte Netze von Zahnärzten geben. Die CNS hat keine Überwachungspflicht in dem Bereich, wir stehen jedoch in einem engen Austausch mit dem Collège Médical.
Was meinen Sie mit „organisierten Zahnarztgruppen aus dem Ausland“?
Ich meine Zahnarztzentren, die täglich fast rund um die Uhr geöffnet haben. Wir haben keinen genauen Einblick in die Organisation dieser Zentren.
Sie sprechen auch von „Gesellschaften“. Will Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) für Ärztegesellschaften durch eine Gesetzesänderung nicht erst die Basis schaffen?
Wir wurden kürzlich darüber informiert, dass diese Zahnarztzentren in Form ausländischer Gesellschaften oder Netze organisiert sein könnten. Ob das tatsächlich stimmt, haben wir noch nicht überprüfen können. Das Problem ist aber erkannt.
Wenn Alain Schmit sagt, man sollte die Zahl der Zahnärzte begrenzen: Wäre das eine gute Idee für die CNS, um den Bedarf an Ärzten planen zu können?
Im Moment passt das gar nicht ins Luxemburger System.
Weil laut Gesetz nicht nur jeder Arzt, sondern jeder Gesundheitsdienstleister automatisch und obligatorisch mit der CNS konventioniert wird und bei ihr abrechnen kann. Aber wenn es zu viele werden? Es gibt ja den geflügelten Satz, dass im Gesundheitsbereich ein gesteigertes Angebot sich stets seine Nachfrage schaffe.
Würde die obligatorische Konventionierung aufgegeben, käme das Risiko einer Zwei-Klassen-Versorgung auf. Es gäbe insbesondere eine Teilung in „Kassenärzte“ und nicht an die CNS gebundene Mediziner. Das ist weder politisch gewollt noch von der CNS. Die Frage nach dem Verhältnis von Angebot und Bedarf stellen wir uns aber. Zum Beispiel zur Kinésitherapie. Unsere Ausgaben dafür explodieren jedes Jahr aufs Neue. Sie entwickeln sich praktisch linear mit der Zahl neu hinzukommender Kinésitherapeuten. Normalerweise würde man erwarten, dass die Kosten dem Zuwachs an Patienten folgen. Das ist hier aber nicht der Fall. Dieselbe Sorge haben wir bei den noch immer laufenden Verhandlungen um die Psychotherapie.
Im Juli warnte die CNS in ihrem Finanzbericht 2021, die Ausgaben würden schneller zunehmen als die Einnahmen. Das liege nicht nur an der Covid-Pandemie, sondern sei „strukturell“ bedingt und schon seit 2018 zu sehen. Was sind die strukturellen Probleme?
Mit „strukturell“ meinen wir zunächst ein Finanzierungssystem. Sowohl die CNS als auch der Sozialminister sagen: Die Gesundheitskasse ist keine Spar-Kasse. Sondern es geht darum, die Finanzen im Gleichgewicht zu halten. Wir orientieren uns einerseits am Kostendeckungsprinzip, andererseits muss die Krankenversicherung laut Gesetz eine Reserve von zehn Prozent ihrer laufenden Ausgaben vorhalten. Zehn Prozent sind aber nicht viel. Damit lässt sich auf Fluktuationen innerhalb eines Jahres reagieren. Mehr gibt das nicht her.
Ist die Krankenversicherung strukturell unterfinanziert? Ihre über die Jahre kumulierten Reserven lagen Ende 2021 bei 904 Millionen Euro. Das entspricht fast 25 Prozent der Ausgaben vom vergangenen Jahr.
Weil die kumulierten Reserven noch ausreichend sind, wurden im Rahmen der Krankenkassen-Qua-
dripartite bis jetzt noch keine konkreten Maßnahmen beschlossen. Erst wenn die kritische Schwelle von zehn Prozent unterschritten zu werden droht, muss man reagieren. Das ist der Rahmen, in dem wir unsere Reaktionen festlegen. Es ist ein gesetzlicher Rahmen, in dem sich ein politischer Wille ausdrückt. Die CNS ist dazu da, eine Gesundheitspolitik innerhalb des gesetzlichen Rahmens umzusetzen. Sie macht keine eigene Politik. Wir sprechen von strukturellen Problemen, weil sie sich nicht im laufenden Jahr stellen, sondern wir schon seit vier bis fünf Jahren einen Ausgabenzuwachs beobachten. Hält er an, könnten die Reserven 2025 oder 2026 unter das gesetzlich vorgeschriebene Minimum fallen.
Könnte die CNS ihre noch hohen Reserven nicht zu halten versuchen?
Nicht im bestehenden System. Klar, wir könnten Extrapolationen auf die nächsten Jahre vornehmen und Reserven im Voraus festlegen. Vielleicht, weil die Bevölkerung tendenziell älter wird oder wir davon ausgehen, dass sich bestimmte Krankheitsbilder stärker entwickeln. Das gibt das bestehende System aber nicht her. Für uns gelten die zehn Prozent als Richtlinie. Mit dieser Reserve können wir auf kurzfristige Probleme reagieren.
Welche Ausgaben nehmen seit 2018 besonders zu?
Die strukturellen Probleme sind vielfältig. Als 2016 die Reserven ein hohes Niveau erreicht hatten, wurden progressiv neue Leistungen für die Versicherten eingeführt. Es wurden per Kollektivvertrag Gehälterverbesserungen für das Personal in den Spitälern vereinbart, wobei obendrein die Laufbahnen dieser Berufe aufgewertet wurden. Die Honorartarife für die Ärzte, aber auch für andere freie Gesundheitsberufe wurden ebenfalls aufgewertet. Dadurch wurden die Reserven der CNS kontinuierlich abgebaut. Diese Tendenz kann nicht längerfristig finanziert werden.
Dennoch stehen neue Leistungen im Raum, Psychotherapie zum Beispiel.
Es wäre falsch, dieser Entwicklung entgegenzuwirken, indem die CNS keine neuen Leistungen gewährt. Wenn wir derzeit über die Erstattung von Psychotherapiekosten durch die CNS verhandeln, können wir nicht einfach sagen, weil unser Geld knapp ist, versichern wir keine Behandlungen psychischer Krankheiten. Psychische Krankheiten sind ein Problem, das über die Jahre immer größer geworden ist. Mittlerweile ist es untragbar, dass die CNS nicht für Psychotherapien aufkommt. Aber das bringt zusätzliche Ausgaben mit sich. Einerseits resultieren unsere strukturellen Probleme aus Entscheidungen, die sich nur schwer rückgängig machen lassen. Andererseits stellen wir neue Bedarfe fest, die gemäß dem Solidaritätsprinzip von unserer Krankenversicherung getragen werden müssen.
Führt der Verwaltungsrat der CNS schon Gespräche über eine Beitragserhöhung?
Nein, gar nicht. Und ich beschreibe hier lediglich, was wir feststellen, wenn wir eine Bilanz über die letzten Jahre ziehen. Als Verwaltung einer Gesundheitskasse sagen wir auch, dass alle qualitativen Verbesserungen und Systemverbesserungen, die am Gesondheetsdësch diskutiert wurden, sehr wichtig sind. Sie müssen zeitnah umgesetzt werden, wenn wir mittel- und langfristig eine hochwertige Gesundheitsversorgung halten wollen; und das wollen wir ja alle. Als CNS signalisieren wir aber auch: Die qualitativen Maßnahmen helfen nicht, die Probleme von heute zu lösen. Wenn man in zwei bis drei Jahren Probleme lösen will, wird man wahrscheinlich zu quantitativen Maßnahmen greifen müssen.
Was meinen Sie damit?
Wir wären dann in derselben Situation wie in den Jahren nach Ausbruch der internationalen Finanzkrise. Wir müssten uns Gedanken über ein ausgeglichenes Paket aus kurzfristigen Einsparungen, beziehungsweise einer kurzfristigen Steigerung unserer Einnahmen machen. In der Gesundheitsreform von 2010 wurde so ein Paket zusammengestellt. Es wurde an den Honoraren der Ärzte geschraubt, Bremsen an den Budgets der Spitäler angesetzt, die Tarife der Privatlabors wurden gekürzt, die Eigenbeteiligungen der Versicherten an den Behandlungskosten wurden erhöht und so weiter.
Vieles davon wurde wieder zurückgenommen. Nur die Eigenbeteiligungen der Patienten sind noch so wie nach der Reform.
Man kann wirklich nicht sagen, dass seither nichts für die Versicherten getan worden wäre. Aber Sie haben Recht mit der Feststellung, dass verschiedene Maßnahmen wieder rückgängig gemacht wurden. In erster Linie war die Gesundheitsreform eine Anti-Krisen-Maßnahme. 2014 zog die Konjunktur wieder an, in manchen Sektoren schon vorher. In den fetten Jahren danach verbuchte die CNS in der Krankenversicherung nicht nur 50 Millionen Euro Überschuss in einem Jahr, sondern 100 Millionen und noch mehr. Da stellte sich eine Instabilität im positiven Sinn ein: Weil viel Geld da war, kamen neue Leistungen, gleichzeitig wurden verschiedene Sparmaßnahmen rückgängig gemacht. Aus heutiger Sicht war es vielleicht nicht gut, dass die Reserven derart wuchsen. Denn wenn man neue Leistungen schafft, riskiert man aus dem Auge zu verlieren, dass das Ausgaben sind, die bleiben und sogar steigen, nach zwei oder drei Jahren aber nicht mehr durch wachsende Einnahmen kompensiert werden. Hinzu kamen unvorhergesehene Probleme wie Covid-19 und die gestiegenen Energiepreise. Die Energiekosten der Spitäler könnten dieses Jahr zwei bis drei Mal höher ausfallen, als ursprünglich angenommen. Schätzungen gehen von 16 Millionen Euro mehr aus.
Brachte die Gesundheitsform von 2010 nichts, was das System längerfristig absicherte? „Wetterfest machen“ wollte es der damalige Minister Mars Di Bartolomeo (LSAP).
Änderungen am System gab es kaum. Und die es gab, haben bisher entweder nicht viel gebracht oder gar nichts. Der médecin référent hat bis heute zu keinen Resultaten geführt. Die Kompetenzzentren, die die Spitäler bilden sollen, heißen mittlerweile „Kompetenznetzwerke“, aber praktisch gibt es noch kein einziges, das funktioniert. Die Digitalisierung in der Gesundheitsversorgung hat ebenfalls noch nicht gegriffen.
Was könnte dann bis 2025 getan werden, aus Sicht der CNS?
Ich meine nicht, dass das Systemänderungen sein können. Wenn die Änderungen von 2010 bis heute keine greifbaren Ergebnisse geliefert haben, kann man nicht davon ausgehen, dass heute Systemverbesserungen auf einmal ganz schnell etwas bringen.
Sie sind ganz schön pessimistisch.
Nein, denn ich sage nicht, dass die CNS Systemänderungen für unnötig hält. Im Gegenteil: Für eine langfristig qualitativ hochwertige Versorgung sind sie unverzichtbar. Aber wir glauben nicht daran, dass Systemverbesserungen die Probleme lösen, die sich in zwei bis drei Jahren ankündigen. Das ist die Schlussfolgerung, die man aus den Krisenmaßnahmen von 2010 ziehen muss.
Im CNS-Finanzbericht 2021 steht unter anderem, die Ausgaben im Bereich „extrahospitalier“ nähmen seit 2017 deutlich schneller zu als die für die Spitäler. Warum? Die Kliniken sind ja der größte Ausgabenposten der Krankenversicherung. Die AMMD beklagt, die Gesundheitsversorgung sei „spitallastig“. Nun aber wird offenbar alles außerhalb der Kliniken immer teurer.
Zum Teil erklärt sich das durch neue Leistungen, zum Teil durch neue Honorartarife. Wobei Letztere sich je nach Leistungserbringer zum Teil sehr unterschiedlich auswirken. Wirklich stark zugenommen haben die Ausgaben der CNS für die Labors, sogar wenn wir Covid herausrechnen. Und für die Kinésitherapie ganz sicher. Die Ausgaben für die Ärzte sind vor allem aufgrund neuer medizinischer Leistungen gestiegen. Die Arzttarife wurden zwar aufgewertet, aber insgesamt hat die Entwicklung der Ausgaben für die Ärzte nicht dieselbe Auswirkung wie die der Ausgaben für andere Dienstleister.
Wir hatten zu Beginn die automatische und obligatorische Vertragsbindung aller Dienstleister an die CNS erwähnt. Gibt es selbstverstärkende Effekte in den Ausgaben, wenn immer mehr Dienstleister kommen und wenn, wie bei den Kinés, das Angebot sich seine Nachfrage schafft? Denn reguliert ist das Angebot außerhalb der Spitäler ja nicht.
Luxemburg hat ein sehr triviales Finanzierungssystem. Die Spitäler werden über ein Budget finanziert, den freien Berufen bezahlen wir die Akte, die sie am Patient leisten. Wir stellen die Mittel einfach zur Verfügung, ohne weiter Anreize für einen verantwortungsvollen Umgang mit diesem Geld zu setzen. In den Budgetverhandlungen mit den Kliniken versuchen wir das natürlich im Griff zu behalten. Und man muss sagen, dass für sie seit der Gesundheitsreform eine enveloppe budgétaire globale besteht, damit werden die Klinikausgaben für jeweils zwei Jahre gedeckelt. Bei den freiberuflichen Leistungserbringern haben wir das leider nicht.
Ist das ein Manko?
Wenn man ihre Zahl nicht beeinflussen kann und die CNS dadurch in Schwierigkeiten zu geraten droht, müsste man vielleicht über ein Globalbudget auch für diesen Bereich nachdenken.
Also auch über ein Budget für alle Ärzte?
Wir haben zwei Typen von Finanzierung: Das Globalbudget für die Spitäler sowie den Akt mit einem Tarif, der durch keine enveloppe begrenzt wird. Die Verwaltung der CNS ist dabei, alle Möglichkeiten aufzulisten, wie man die Ausgaben im Griff behalten könnte. Wir sagen: Ein Globalbudget über alle Freiberufler wäre so eine Möglichkeit. Ob sie am Ende umsetzbar ist, wäre eine andere Frage. Aber ein zweites wichtiges Problem unseres Systems besteht darin, dass es keine Mechanismen enthält, um die Akteure in die Verantwortung zu nehmen. Im Ausland gibt es solche Anreize. Es gibt gut durchdachte Finanzierungssysteme, die sogar Prämien nach Resultaten vorsehen.
Wie funktioniert das?
Zum Beispiel über bundled payments. Auf Luxemburg übertragen, würde das die Kompetenznetzwerke zwischen Spitälern und niedergelassenen Dienstleistern betreffen und Krankheiten, die sehr kostenintensiv sind. Da würde die CNS Finanzierungspakete festlegen, die den Einsatz der Kliniken genauso enthalten wie das Zusammenspiel zwischen Ärzten, Therapeutinnen, Ernährungsberatern, Sozialassistentinnen und so weiter. Anschließend würden wir versuchen, nach und nach in eine Logik von Pauschalen zu kommen, beziehungsweise am Ende sogar auf Resultat zu bezahlen. Ein Kompetenznetzwerk, das wirtschaftlich arbeitet, könnte sich dann selber Reserven aufbauen. Und müsste überlegen, wo das richtige Gleichgewicht zwischen dem Einsatz der Mittel und dem besten Resultat für die Patienten liegt. Aber das klingt in der Theorie ganz einfach. In der Praxis ist das sehr komplex. Man muss solche Modelle nach und nach aufbauen und vor allem die Akteure mit in die gewünschte Richtung bewegen.
Kann nicht CNS selber bestimmte Anreize schaffen, zum Beispiel für ambulante Operationen? Zurzeit ist viel die Rede vom „virage ambulatoire“. Der AMMD wäre es am liebsten, wenn leichte Operationen aus Spitälern in Ärztehäuser ausgelagert würden. Aber ambulant operiert wird in den Spitälern längst. Könnte die das CNS das durch Anreize verstärken?
Ja, dort, wo es Sinn macht, wieso nicht. An Kliniken sind die ambulanten Operationen die programmierten: Man kann sie praktisch fließbandmäßig organisieren. Problematisch wird es, wenn Notfälle auftreten und man diese gemeinsam mit der organisierten Aktivität managen muss. Das kenne ich noch von früher [Christian Oberlé war bis 2018 Verwaltungsdirektor der Hôpitaux Robert Schuman, d.Red.]. Vor allem die AMMD tritt dafür ein, nicht nur mehr ambulant zu operieren, sondern obendrein außerhalb der Kliniken. Sicher ist, dass schlanke Strukturen, die geschaffen würden, um regelmäßige Aktivitäten dort durchlaufen zu lassen, effizienter wären als ein großes Spital. Das leuchtet ein.
Wo genau spart man da? Der Akt des Arztes und das Honorar dafür sind dieselben wie im Spital. Normen für Sicherheit und Hygiene müssten vermutlich ähnlich sein. Spart man vor allem am Gebäude oder am Personal?
Vor allem spart man Zeit. Zeit kostet ja. Man könnte sagen, in der Zeit, wo ein Arzt nichts macht, kostet er nichts, weil er nichts abrechnet. Ich denke aber, dass die Ärzte, die wir haben, ihre Zeit nicht verschwenden sollten. Deshalb sind Strukturen, die losgelöster wären von den organisatorischen Zwängen im Spital, effizienter.
Sind die ambulanten Krankenhaus-Antennen, die die Gesundheitsministerin schaffen lassen will, demnach die zweitbeste Lösung? Und die beste wären Centres médicaux, wie die AMMD sie will, wo auch operiert werden könnte?
Dass die Antennen an die Spitäler gebunden sein sollen, dient der Planung. So kann man den virage ambulatoire ruhiger angehen und mit den Spitälern schauen, was sinnvoll in den Antennen erledigt wird und was man besser im Spital lässt. Außerdem lässt sich durch die Spital-Antennen wahrscheinlich das Konkurrenz-Rennen unterbinden, das es sonst gäbe, wenn neue Akteure neue Angebote machen. Darauf hätten wir als CNS gar keinen Einfluss. Ob die Antennen-Lösung jahrzehntelang Bestand haben wird, weiß ich nicht. Als ein erster, vorsichtiger Ansatz ist sie vernünftig.
Sie hatten bereits die Psychotherapie erwähnt, über deren Erstattung die CNS schon seit Jahren mit dem Therapeuten-Dachverband Fapsylux verhandelt. Steht eine Einigung kurz bevor?
Über die Tarife sicherlich nicht. Doch darüber verhandeln wir im Moment nicht, im Moment sprechen wir über Leistungen. Da liegen wir nicht so weit auseinander. Die CNS hat ein gewisses Problem mit der systemischen Familientherapie, sofern nicht nur die betroffene Person, sondern auch deren Familie in den Perimeter der Therapie fallen soll. Dissens gibt es auch noch über das Zusammenspiel der Akteure. Zum Beispiel stellt sich die Frage, ob Patienten, die nach einer gewissen Zahl von Therapie-Sitzungen noch zusätzliche Sitzungen brauchen, weil ihre Leiden schwer sind, tatsächlich am besten von freiberuflichen Therapeuten betreut werden, oder ob das von größeren Leistungsträgern übernommen wird, bei denen mehrere Disziplinen organisiert zusammenarbeiten. Das Gesundheits-, das Jugend- und das Familienministerium unterhalten ja Konventionen mit Vereinigungen, die psychotherapeutisch tätig sind. Bei ihnen bestehen Kompetenzen, die über Jahre aufgebaut wurden. Wir möchten die Diskussion um diese Strukturen erweitern. Ziel ist, für Patienten, die schwer krank sind, verschiedene Mechanismen zur Verfügung zu haben, damit sie wirklich den Therapieansatz bekommen, den sie brauchen. Hinge die Behandlung nur von einem Therapeuten ab, wäre das in unseren Augen nicht genug.
Will die CNS eine administrative Kontrolle der Psychotherapie? Gefürchtet wurde von ihr ja, dass die neue Leistung zu einem Fass ohne Boden würde.
Eine solche Kontrolle würde uns überfordern. Selbst in Deutschland ist man mittlerweile davon abgerückt. Wenn es eine Evaluation geben soll, dann eine der Person, damit sie adäquat behandelt wird. Und wir legen Wert darauf, dass die Therapien, für die wir aufkommen, evidenzbasiert sind.
Mit Ausgaben in welcher Höhe rechnet die CNS, wenn Psychotherapien erstattet werden?
Ausgegangen wurde von 40 Millionen Euro jährlich, aber diese Schätzung stammt von 2017. Doch wie gesagt: Dass Psychotherapien erstattet werden, ist für die CNS überaus wichtig. Der auszuarbeitende Katalog von Sparmaßnahmen, um die finanzielle Situation der Krankenversicherung zu regeln, darf und wird darauf keinen Einfluss haben.