Szenische Führung: Terminus

Endzeitstimmung

d'Lëtzebuerger Land vom 04.11.2016

Terminus, Endstation, ist der Name der Ausstellung, Teil der Underground-Serie des Künstlerkollektivs Maskénada. Mitten in der französischen Pampa, zwischen rostigen Autos liegt der Eingang der szenischen Führung:  die Mine von Hussigny-Godbrange, nicht weit hinter der luxemburgischen Grenze. Hier haben die beiden Künstler Anouk Schiltz und Misch Feinen ihrer Kreativität freien Lauf gelassen.

Mine, Eiseninstallationen... da denkt man im ersten Augenblick an eine historische Ausstellung, die die Geschichte der Mine, die 1978 außer Betrieb genommen wurde, nachzeichnen soll. Diese Erwartungen werden nicht erfüllt, beide Künstler haben sich in den vergangenen Monaten – über und unter Tage – etwas anderes einfallen lassen. „Wir wollten etwas Absurdes machen“, erzählt Anouk Schiltz. Absurd, das trifft es in der Tat.

Der Anfang der szenischen Führung, die neben teils animierten, teils interaktiven Eiseninstallationen viel mit Ton und Klang arbeitet, ähnelt einer Anbetung. Stockdunkel, Kerzen entlang des Weges, beunruhigende Musik und auf einmal eine imposante Figur einer Heiligen, umringt von noch mehr Kerzen... vielleicht die heilige Barbara? Oder ist man gerade in die Beckettsche Welt ein – oder besser untergetaucht? Alle weiteren Stationen der Führung sind nicht weniger absurd. Ob man an Kadavern vorbei geht, während eine Sieben-Zwerge-Musik spielt; eine übergroße Hand am Ende eines Krans repetitiv an der Mauer kratzt; die „City of your future“ eher an das Mordor aus Lord of the Rings, und das Relief eines Minenarbeiters eher an das Grabtuch Jesu erinnert;  der Besucher sich einen Rekrutierungsaufruf für Minenarbeiter anhören darf – oder er selbst im „Labor“ evaluiert wird: Man taucht ein in eine unheimliche, Geisterbahn- oder Halloween-ähnliche Welt, die eine rein historische Auseinandersetzung mit der Minenindustrie ad absurdum führt.

Gleichzeitig hat Terminus etwas sehr Sozialkritisches; jede einzelne Installation ist zwar an sich absurd, führt aber zugleich die Absurdität einer Gesellschaft vor, die den Planeten mitsamt seiner Bewohner systematisch ausbeutet. Ob Menschen oder Tiere – in diesem Fall Pferde –, alles wird ausgenutzt, bis alle Ressourcen erschöpft ist. Demnach steht Terminus auch für das Ende des Planeten.

Die Endzeitstimmung – die die (Kunst-)Welt zur Zeit sehr im Griff zu haben scheint, man denke an Ian de Toffolis Refugium – ist in der Führung unter Tage beklemmend fassbar und real. Die unheimliche Musik mit teils rhytmischen Wiederholungen, die repetitiven Bewegungen der Installationen, die Eisenkadaver, die dem Besucher an einer Kette entgegengleiten – alles lässt den Zuschauer glauben, dass es mit der Welt bald zu Ende ist. Und in der Tat, am Terminus steht man vor einer kaputten, in sich zusammengefallenen Darstellung der Erde, die nichts Gutes hoffen lässt.

Doch bei der Ausbeutung der Erde bleibt es nicht. Sind dort die Ressourcen ausgeschöpft, so holt man sie sich von anderswo, Space mining ist das Stichwort, genau so wie Abundancy, ein Wort, welches während der Begehung immer wieder im Ohr klingt. Und genau hier liegt wohl das eigentliche Absurde: Der Mensch scheint nichts zu lernen, nicht zu begreifen, dass verantwortungsvoll mit Ressourcen umgegangen werden muss, dass auch oder besonders Menschen nicht systematisch ausgebeutet werden können und dass die Erde überlastet ist... dies scheinen die Installatiounen einem fast entgegenzuschreien. Subtilität ist nicht unbedingt die Stärke der jungen Künstler oder, ist es vielleicht mit Subtilität nicht mehr getan, müssen sich die Menschen auflehnen, und dieser fast mechanischen Ausschlachtung entgegenstellen?

Diese Fragen wirft Terminus auf. Gleichzeitig regt der Gang unter die Erde zu weiteren Überlegungen an. Wie haben es die Minenarbeiter Tag für Tag in der stickigen Dunkelheit ausgehalten, denkt man zum Beispiel, wird man doch das Gefühl nicht los, dass alles um einen und man selbst verrottet. Wie viele unserer Tagesabläufe sind ebenso mechanisch, wie das, was die Installationen simulieren? Welche Rolle spielt das Individuum überhaupt noch in dieser kollektiven Leistungsgesellschaft?

Monatelang haben Anouk Schiltz und Meisch Feinen am Konzept gefeilt, die vergangenen Wochen wurden die Installationen unter Tage fertiggestellt. „Es war wie ein Spielplatz“, berichten sie, die Association d’histoire industrielle hatte den beiden Künstlern freie Hand gelassen. Weit weg von der sterilen Umgebung eines Museums fügen sich die Exponate gut in die Mine ein, scheinen mit den Minengeräten zu verschmelzen, die hie und da im Weg stehen. Steril oder sauber ist hier nichts, alles wirkt rostig, ungemütlich, staubig, laut, unbequem und unschön, genau wie die Erderschöpfung und die mechanische Ausbeutung. Für den Besucher jedenfalls ist es eine ungewöhnliche Begehung, die kaum etwas gemein hat mit traditionneller Kunsterfahrung – eine Inszenierung, für die sich die Fahrt in die „Pampa“ lohnt.

Terminus, eine Installation von Anouk Schiltz und Misch Feinen in der Mine von Hussigny-Godbrange (F), Produktion: Maskénada asbl, in Zusammenarbeit mit der Association d’histoire industrielle; weitere Begehungen am 12., 13., 25. Und 26. November, jeweils um 19.30 Uhr sowie am 27. November um 17 Uhr; weitere Informationen unter www.maskenada.lu oder www.mine-hussigny.fr; Mail: terminus@maskenada.lu, Telefon: 27 48 93 82.
Charlotte Wirth
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