Zweiter Weltkrieg

Neues zum „Artuso-Bericht“

d'Lëtzebuerger Land vom 04.11.2016

Als im Februar 2015 der so genannte „Artuso-Bericht“1 vorgestellt wurde, meinte Premierminister Bettel, dies sei nur der Anfang von weiteren Recherchen zum Thema Shoah und Luxemburg. Seitdem hat es einige Stellungnahmen2, aber auch weitere Dokumentenfunde3 gegeben und die Debatte ist sicher noch nicht zu Ende. Die Diskussionen, die einige Journalisten gar zum „Historikerstreit“ hochstilisierten, haben mein Interesse geweckt. Im intensiven Austausch mit meinem Kollegen Georges Büchler wurde ich auf Dokumente im Nationalarchiv in Luxemburg4 aufmerksam gemacht, die ich der Öffentlichkeit nicht vorenthalten möchte, da sie meines Erachtens dazu beitragen, gewisse Schlussfolgerungen des genannten Berichtes zu nuancieren. Bei diesen Gesprächen ist mir auch klar geworden, dass eine weitere Kontextualisierung der antisemitischen Maßnahmen der deutschen Besatzer notwendig ist, um ein möglichst vollständiges Bild der Lage in den ersten Monaten der Gauleiterherrschaft zu zeichnen und die Verantwortlichkeiten klarer zu identifizieren.

In einem Ordner des Bestandes FD0083 (Fonds divers: Consistoire)5 fiel mir ein einzelnes Dokument auf, das sowohl vom Inhalt als auch vom Datum her von großer Bedeutung bei der Frage nach der Erstellung von Listen der jüdischen Bevölkerung in Luxemburg ist. Es handelt sich bei dem Schreiben vom 20.8.1940, adressiert an das „Einsatzkommando der Sicherheitspolizei z/H. des Herrn Leutnant Scholtz6 in Luxemburg“; nicht um das Original, sondern um einen Durchschlag, es fehlen Briefkopf und Unterschriften. Als Absender lässt sich auf Grund der angegebenen Adresse „Petrussring 74“7 das Konsistorium der israelitischen Kultusgemeinde ausmachen, das in diesem Gebäude damals seinen Sitz hatte.

Inhalt des Schreibens ist die Übersendung einer „Liste der im Bereiche der Stadt Luxemburg ansässigen Juden […], wie wir sie nach mühevoller Erhebung bisher ermitteln konnten“. Die Liste selbst befindet sich nicht in der Akte. In einer anderen Akte des gleichen Bestandes finden sich jedoch Kopien von Listen von Juden, die unter dem Datum des 18.8.1940 von der luxemburgischen Polizei aufgestellt wurden8. Obschon es schwer vorstellbar ist, dass das Konsistorium Listen, die von der Polizei aufgestellt wurden, an die Gestapo übermittelte, ist es aber auch verwunderlich, dass gleichzeitig Listen der Juden in Luxemburg sowohl von der Polizei als auch vom Konsistorium aufgestellt und an die Gestapo übermittelt wurden. Dies wirft zahlreiche Fragen auf, die beim jetzigen Wissensstand nicht beantwortet werden können.

Doch kommen wir zurück zum Schreiben vom 20.8.1940. Die Verfasser des Briefes weisen darauf hin, dass sie für „die Vollständigkeit dieser Liste aus den Ihnen bekannt gegebenen Gründen keine Verantwortung übernehmen können“. Man verspricht, eine Nachtragsliste „in Kürze zu überreichen“ [...] „Letzteres gilt auch für die Landgemeinden, in denen wir Glaubensgenossen mit der Aufstellung von solchen Listen in ihren Kreisen beauftragt haben.“ Eine Ausnahme bildet jedoch das „Evakuierungsgebiet im Süden des Landes, für das wir solche Listen zusammenzustellen auf Grund der tatsächlichen Lage nicht imstande sind“.

Dieses Schreiben erschüttert meines Erachtens die bisher angenommene Chronologie dann doch stark, da aus ihm klar zu ersehen ist, dass schon Anfang August 1940 die Gestapo die Aufstellung einer Liste der jüdischen Einwohner Luxemburgs beim Konsistorium angefragt hatte. Dabei hatte das Konsistorium, auf die schwierigen Umstände im Lande hingewiesen, auf die Kommunikationsprobleme und die Evakuierung der Bevölkerung des Südens. Anfrage und Antwort scheinen mündlich erfolgt zu sein, darauf lässt die falsche Namensangabe beim Adressaten schließen. Dazu wissen wir, dass der Rabbiner täglich um sieben Uhr in der Frühe bei der Gestapo vorsprechen musste, um gegebenenfalls Anordnungen entgegen zu nehmen9.

Das Schreiben vom 20. August zeigt eindeutig, dass die Gestapo sich zu einem sehr frühen Zeitpunkt10 an das Konsistorium wandte, um eine Liste der in Luxemburg lebenden Juden zu erhalten. Das Konsistorium hat diese Listen in kürzester Zeit geliefert, so dass nun die Verantwortung für die Erstellung von Listen nicht mehr der Polizei und/oder der Luxemburger Verwaltungskommission alleine angelastet werden kann, wie Vincent Artuso geschrieben hatte.

Ein weiterer Punkt, der meines Erachtens bei Artuso etwas zu kurz kommt, ist die Darstellung der antisemitischen Politik der deutschen Besatzer selbst. Sicher ging es in seinem Bericht für den Premierminister in erster Linie darum, festzustellen, ob und in welchem Maße die luxemburgischen Behörden eine Mitverantwortung an den ersten antisemitischen Maßnahmen der Deutschen trugen. Doch ohne die antisemitische Politik, die vom Gauleiter initiiert wurde, wäre den Juden in dieser Anfangsphase der Besatzung nicht allzu viel passiert, auch wenn viele Luxemburger nicht sehr glücklich über die zahlreichen jüdischen (deutschen und osteuropäischen) Flüchtlinge waren und hofften, dass sie das Land schnell verlassen würden.

Bevor das Handeln der Verwaltungskommission oder einzelner Beamter aber beurteilt werden kann, sollte deshalb klar herausgearbeitet werden, wann und wie die Deutschen (Gauleiter, SS, Gestapo) gegen die Juden vorgingen. Dabei muss auch hervorgehoben werden, dass 1940 an eine Ermordung der Juden noch nicht gedacht wurde, sondern die „Abschiebung“ der Juden aus Deutschland und den seit 1939 besetzten Gebieten Hauptziel der deutschen antisemitischen Politik war. Auch wenn das Vorgehen der Wehrmacht in Polen als verbrecherisch zu bezeichnen ist11, war der Westfeldzug davon noch kaum gekennzeichnet. Am 10. Mai versicherte der Oberquartiermeister der Heeresgruppe A, Generalmajor Helge Auleb, dem Chef der Verwaltungskommission, Albert Wehrer, dass eine Einführung der Rassengesetze in Luxemburg nicht in Frage komme. Anfang Juni bekräftigte Generaloberst Walter von Reichenau, Befehlshaber der 6. Armee, dem Rabbiner freie Religionsausübung für die Juden in Luxemburg12.

Erst mit der Einsetzung von Gauleiter Gustav Simon als Chef der Zivilverwaltung in Luxemburg am 21. Juli 1940 zeigten sich erste Anzeichen der antisemitischen Politik. Während des Monats August wurden Überlegungen dazu angestellt und erste Entscheidungen getroffen, dies aber, wie mir scheint, ohne dass der Gauleiter sich darum kümmerte, was denn die luxemburgische Verwaltungskommission in dieser Frage dachte und tat. Anders als die Militärs der Wehrmacht suchte er nicht den Kontakt mit Wehrer.

Eine erste und wohl einzige Unterredung zwischen dem Gauleiter und den Mitgliedern der Verwaltungskommission erfolgte am 13. August 194013. Bei diesem Treffen, das erst auf Anfrage des Vorsitzenden der Verwaltungskommission Albert Wehrer und durch Vermittlung von Regierungspräsident Siekmeier14 zustande kam, wurde den Mitgliedern der Verwaltungskommission eindeutig klar gemacht, dass sie sich den Anordnungen des Gauleiters zu beugen hätten und keine Eigeninitiativen ihrerseits geduldet würden. Für Artuso gilt das Bestätigungsschreiben von Wehrer auf den Brief des Ständigen Vertreters des Chefs der Zivilverwaltung, Regierungspräsident Siekmeier15, welcher verbot, Juden16 nach Luxemburg zurückkommen zu lassen, als entscheidender Beleg für die negative Haltung der Verwaltungskommission gegenüber den Juden, ob sie nun als Ausländer, Staatenlose oder Luxemburger nach Frankreich evakuiert worden waren. Er ist überzeugt, dass die Verwaltungskommission hier entschieden hätte protestieren müssen. Wehrers Schreiben ist auf den 13. August 1940 datiert17. Man darf annehmen, dass dieses Schreiben erst nach der Unterredung mit dem Gauleiter abging, als den Mitgliedern der Verwaltungskommission klar war, dass jede Kritik, die sich aus juristischen oder technischen Fragen betreffend dieses Rückkehrverbot ergab, sinnlos war. Simon war für solche Argumente absolut unempfänglich.

Ich habe große Zweifel daran, dass sich Artusos Schlussfolgerungen und Kritik am ausgebliebenen Protest bei dieser chronologischen Einordnung der Ereignisse aufrechterhalten lassen.

Eine weitere Frage ergibt sich betreffend die praktische Durchführung des Rückkehrverbotes18. Bei der Rückführung der Evakuierten aus Frankreich scheint das Verbot nach jetzigem Wissensstand keine Folgen gehabt zu haben. Wir wissen nicht ob, und wenn ja, wie viele Juden zurückgewiesen wurden. Es sind aber Einzelfälle bekannt, wo ausländische Juden problemlos nach Luxemburg zurückkehren konnten. So zum Beispiel die Familie Schlang, polnischer Nationalität, die etwa Mitte August nach Esch/Alzette in ihre Wohnung zurückkehrte19. Sie wurde am 16. Oktober 1941 ins Ghetto Litzmannstadt deportiert. Nur der Sohn Josy überlebte und kehrte 1945 nach Esch zurück.

Ab Mitte August unternahm Gauleiter Simon erste gesetzgeberische Schritte, um in Luxemburg eine antisemitische Gesetzgebung nach deutschem Vorbild einzuführen. Dabei setzte er sich gegen die vom Reichsjustizminister und dem Reichsinnenminister gemachten Vorbehalte durch indem er beim „Führer“ die Zustimmung für sein Vorgehen einholte. Am 7. September 1940 wurden die entsprechenden Verordnungen in der Presse publiziert20. Sie traten am Tage danach in Kraft. Auch dieses Datum erscheint im Nachhinein nicht zufällig gewählt worden zu sein, war doch für den 8. September der Besuch von Reichsführer-SS Heinrich Himmler angekündigt worden. Die Veröffentlichung dieser Verordnungen ist aber auch Ausdruck einer bestimmten Politik. Simon setzte hier ein deutliches Zeichen in Bezug auf die Angleichung der rechtlichen Verhältnisse für die Juden in Luxemburg und Deutschland. Eine Gleichstellung der Luxemburger und deutschen Juden machte aber nur Sinn, wenn er davon ausging, dass die Luxemburger Juden wie ihre Glaubensbrüder in Deutschland noch einige Zeit dort leben würden.

Man geht wohl richtig in der Annahme, dass diese Publikation Himmler beeindrucken sollte. Wahrscheinlich provozierte sie aber bei ihm eher den Wunsch, die Juden aus Luxemburg bald abzuschieben, denn schon am 12. September wurde die Gestapo aktiv und verlangte vom Rabbiner, dass alle Juden innerhalb von 14 Tagen Luxemburg verlassen müssten. Eine Absprache mit dem Gauleiter ist nicht belegt21. Wäre diese Vertreibung in ihrer Radikalität durchgeführt worden, hätten Simons Verordnungen aber doch wohl lächerlich gewirkt. Immerhin adressierte auch das Konsistorium seine Denkschrift vom 16. September an Himmler22 und bot an, mitzuhelfen die Ausreise über einen längeren Zeitraum in geregelter Form durchzuführen.

Simons Politik musste bei der SS und bei Heinrich Himmler auf Ablehnung stoßen. In diesen Kreisen dachte man damals schon in anderen Kategorien. Dies zeigte sich während der Inspektionsreise, die Himmler vom 5. zum 8. September 1940 in die „neuen“ Westgebiete (Elsass-Lothringen und Luxemburg) unternahm23. Am 5. September landete er, aus Berlin kommend, in Luxeuil und fuhr dann nach Munster. In Luxeuil wurde er von SS-Gruppenführer Kurt Kaul (HSSPF24 Südwest) empfangen und hatte mit diesem eine Besprechung, bei der es in erster Linie um die Werbung für SS und Polizei im Elsass ging. Dabei wurde aber auch die Frage der Abschiebung von „Elsässern von guter Rasse, die keine politischen Schwierigkeiten verursachten“25, besprochen. Ob die Frage einer Abschiebung von Juden aus dem Elsass zur Sprache kam, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Immerhin waren kurz vorher, Ende Juli 1940, etwa 3 000 elsässische Juden nach Vichy-Frankreich abgeschoben worden und Himmler sah diese Abschiebungen in einem Zusammenhang mit jenen in den eingegliederten Gebieten im Osten26, wie aus seiner Ansprache an das Offizierskorps der Leibstandarte-SS „Adolf Hitler“27 in Metz am 7.9.1940 ersichtlich wird. Am Tage vorher hatte Himmler noch die Steinbrüche von Senones und Natzweiler besichtigt. Um 18 Uhr hatte ihn dann SS-Gruppenführer Theodor Berkelmann28 (HSSPF Saar-Lothringen) in Saverne erwartet und war mit ihm nach Lunéville gefahren. Am Vormittag des 7.9. ging die Fahrt dann nach Metz weiter.

Am Sonntag, dem 8.9.1940 kam Himmler nach Luxemburg29. Er war in Begleitung von SS-Brigadeführer Erwin Rösener30 (HSSPF Rhein) als er in Mondorf eintraf, wo er vom stellvertretenden Gauleiter Reckmann31 und von Regierungspräsident Siekmeier32 empfangen wurde. Dieser führte ihn durch die Stadt, wobei die Freiwilligenkompanie in der Kaserne auf dem Heilig-Geist-Plateau antreten musste. Himmler gefielen die angetretenen Soldaten so gut, dass er anordnete, eine Anzahl von ihnen für die Leibstandarte-SS „Adolf Hitler“ vorzumerken, was aber in der Folgezeit auf Widerstand innerhalb der Truppe stieß. Nach einem Mittagessen, bei dem er dann Gauleiter Simon im Hotel Brasseur traf, konnte Himmler auf einer Fahrt durch das Land (Diekirch, Vianden, Echternach) Luxemburg bewundern. Um 16.30 flog er von Trier nach München.

Auffallend bei dieser Inspektionsreise ist, dass Himmler kaum Kontakt mit den Chefs der Zivilverwaltung hatte. Alles war von der SS organisiert und nur die jeweiligen höheren SS- und Polizeiführer scheinen mit ihm engeren Kontakt gehabt zu haben, sieht man vom Besuch bei der Leibstandarte in Metz ab. In seinem „Taschenkalender“33 sind nur stichwortartig der Reiseverlauf und die getroffenen Personen verzeichnet. Zusammen mit dem „Reiseprogramm“ lässt sich etwas detaillierter sehen, was Himmler während dieser Reise unternommen und wen er getroffen hat. Man darf aber davon ausgehen, dass er in den drei Westgebieten wohl die gleichen Fragen angesprochen hat (Werbung für die SS und die Polizei, Volkstumsfragen, Abschiebungen, Judenfrage).

Im Rückblick fällt auf, dass weder Himmler noch der Gauleiter, die Existenz der Verwaltungskommission überhaupt zur Kenntnis genommen, geschweige denn mit den Mitgliedern über Maßnahmen gegen die Juden gesprochen haben. Dass die eine oder andere Entscheidung der Verwaltungskommission oder einzelner Beamter letztlich in die gleiche Richtung einer möglichst schnellen Ausreise der Juden aus Luxemburg ging, lässt sich nicht leugnen. Doch das war auch das Ziel, welches das Konsistorium seit Mitte September verfolgte.

Andrerseits scheint das Verhältnis zwischen den Verantwortlichen des Konsistoriums und den Mitgliedern der Verwaltungskommission eher gut gewesen zu sein. Schon am 10. Mai 1940 kam der neue Präsident des Konsistoriums, Rechtsanwalt Alex Bonn, mit Albert Wehrer zusammen und erhielt von der Verwaltungskommission Hilfsgelder und Lebensmittel für die jüdischen Flüchtlinge34. In die gleiche Richtung weisen die Bemühungen Wehrers, den auswanderungswilligen Juden35 in jeder Hinsicht behilflich zu sein. Serebrenik bescheinigte 1963 der Verwaltungskommission „farthest-going understanding for the plight of the Jews“. Irgendwelche als antijüdisch empfundene Maßnahmen der Verwaltungskommission erwähnt er nicht.

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Verwaltungskommission in der antisemitischen Politik, die ab Anfang August in Luxemburg entwickelt wurde, eigentlich keine Rolle gespielt hat. Diese Politik war dem Gauleiter beziehungsweise Himmler und der SS vorbehalten. Die Existenz der Verwaltungskommission wurde von beiden Akteuren ignoriert. Wenn sie eine Rolle gespielt hat, dann war diese auf die Weiterleitung und Ausführung von deutschen Anfragen und Befehlen beschränkt.

Sicher hätte man von hohen Beamten erwarten können, dass sie sich zumindest zurückhielten oder sogar die Maßnahmen der Besatzer behinderten. Sehr schnell verschwanden aber diejenigen, die die deutsche Politik zu behindern oder verhindern suchten, in Gefängnissen und Konzentrationslagern. Einer der ersten war Albert Wehrer, der Präsident der Verwaltungskommission.

1 Vincent Artuso : La „Question juive“ au Luxembourg (1933-1941). L’État luxembourgeois face aux persécutions antisémites nazies. Luxembourg 2015. 2 Siehe z.B. Charles Barthel: „Die ,Judenfrage’ in Luxemburg: Meilenstein oder Stolperfalle?“ In: Luxemburger Wort (LW), 10.10.2015. Paul Schmit : „Le rapport Artuso dans le miroir du droit. Les institutions luxembourgeoises et leur fonctionnement à la veille et au début de la Deuxième Guerre mondiale“. In : Hémecht 68 (2016), S.321-348. 3 Siehe z.B. Denis Scuto : « La Commission administrative et le fichier juif de la Gestapo » in : Tageblatt, 19.11.2015, jetzt auch in: Denis Scuto: Chroniques sur l’an 40. Les autorités luxembourgeoises et le sort des juifs persécutés, Luxembourg 2016, S.144-169. 4 Mein Dank geht an die Mitarbeiter des Nationalarchivs, die sich jederzeit offen zeigten, auf meine Fragen einzugehen und die entsprechenden Dokumente zur Verfügung zu stellen. 5 Archives nationales, Luxembourg (ANLux), FD 0083: dossier 38 (correspondance 1940-42). Das Dokument wurde weder von Paul Cerf noch von Vincent Artuso zitiert. 6 Bisher konnte „Leutnant Scholtz“ nicht identifiziert werden. Wahrscheinlich liegt hier eine Namensverwechslung mit Leutnant Otto Schmalz vor, der in anderen späteren Schreiben als Adressat fungiert. Otto Schmalz, Kriminalobersekretär bei der Gestapo und zuständig für „Judensachen“, wird von einigen Zeitzeugen als „korrekt“ beschrieben. Paul Cerf: L’étoile juive au Luxembourg, Luxembourg 1986, S.128. 7 An dieser Adresse befand sich eine polnische jüdische Schule, die ab September 1940 alle jüdischen Kinder aufnahm, als diese von den öffentlichen Schulen ausgeschlossen wurden. Ab dem 1.Oktober 1940 befand sich das Sekretariat in der Neypergstrasse 71. 8 ANLux: FD-0083 : dossier 88, Blatt 1219-1259. Siehe dazu Artuso, S.177-179. 9 Memorandum du Dr Robert Serebrenik du 3 novembre 1961 in: Paul Cerf, 1986, S.248-254, hier S.250, 15. Das englische Original, das Georges Büchler mir zur Verfügung stellte, ist auf den 3. November 1963 datiert. 10 Offiziell arbeitete das Einsatzkommando der Sicherheitspolizei und des SD Luxemburg erst ab dem 1. September 1940 in der „Villa Pauly“. Vorher gab es ab Ende Juli Mitarbeiter der Gestapo, die im „Arbed“-Gebäude, dem Sitz des Chefs der Zivilverwaltung, Büros belegt hatten. 11 Jochen Böhler: Auftakt zum Vernichtungskrieg. Die Wehrmacht in Polen 1939, Frankfurt a. M. 2006. 12 Memorandum Serebrenik: „He [Generaloberst Walter von Reichenau] assured me that no evil will befall the Jews and that he guarantees them freedom of religion and of the exercise of their cult”. 13 Nach intensiven Gesprächen mit meinem ehemaligen Mitarbeiter Marc Gloden, dem ich für seine Diskussionsbereitschaft herzlich danken möchte, komme ich zum Schluss, dass der 13. August wohl als Schlüsseldatum für die Ankündigung der Politik des Gauleiters anzusehen ist. An diesem Tag hielt Gauleiter Simon eine Grundsatzrede bei der Einsetzung des Oberbürgermeisters der Stadt Luxemburg (siehe LW vom 14.8.1940, S.1) und hat wohl am gleichen Tag um 17h30 die Mitglieder der Verwaltungskommission empfangen, um ihnen mitzuteilen, dass er allein in Luxemburg das Sagen hatte und er sich durch juristische (auch völkerrechtliche) Bestimmungen nicht von seiner Politik abbringen lassen würde. Cf. Artuso, S. 126. Leider geht Artuso nicht auf den ausführlichen Bericht über diese Begegnung mit Wehrer ein. Siehe: Albert Wehrer, « La mission et l’activité politiques de la commission administrative. Aide-mémoire sur les événements politiques de mai à octobre 1940 ». Luxembourg 1945, S. 23-27. Wehrer unterstreicht hier z.B., dass der Gauleiter von der Verwaltungskommission „Deutschfreundlichkeit und unbedingten Gehorsam“ verlangte und drohte, dass jeglicher Widerstand mit allen Mitteln gebrochen würde. 14 Heinrich Siekmeier (1901-1982), war zuerst Lehrer in Mettmann, dann ab 1933 Regierungsschulrat in Düsseldorf. 1934 Leiter der Schulabteilung in Koblenz, wurde er 1938 zum Regierungspräsidenten in Trier ernannt. Ab Ende Juli 1940 fungierte er als „Ständiger Vertreter“ des Chefs der Zivilverwaltung in Luxemburg, Gauleiter Gustav Simon. 15 ANLux: AE 3929: Bl. 3-4: Schreiben vom 9.8.1940 Siekmeier an Wehrer. Das Schreiben ist unterzeichnet vom Regierungspräsidenten Siekmeier und trägt einen Stempel, der den CdZ noch als unter dem Militärbefehlshaber Belgien und Nordfrankreich fungierend belegt. Artuso hingegen schreibt von einer „lettre du Gauleiter Simon“ S. 176. 16 ANLux: AE 3929: ebenda: In diesem Schreiben werden Juden entsprechend § 5 der Ersten Durchführungsverordnung zum deutschen Reichsbürgergesetz vom 14.11.1935 (RGBL. I, S.1333) definiert. Diese Definition wurde in § 8 der Verordnung vom 5. September über Maßnahmen auf dem Gebiet des Judenrechts für Luxemburg am 8. September 1940 in Kraft gesetzt. Welchen juristischen Wert hatte dieses Schreiben, wenn der Gauleiter selbst die Definition in seine Verordnung vom 5. September glaubte aufnehmen zu müssen? 17 In Artusos Text und Fußnoten wird das Datum des Schreibens von Wehrer (13.8.1940) nicht genannt. Einerseits interpretiert er selbst Semikolons, vergisst aber dem Leser die wichtige Information des Datums mitzuteilen. 18 Major Aloyse Jacoby, der die Rückführung der Evakuierten leitete, hielt sich nicht an die deutschen Anordnungen, was ihm später angekreidet wurde. Von November 1941 bis Mai 1945 war er in deutschen Gefängnissen und Konzentrationslagern als Schutzhäftling inhaftiert. 19 D’Lëtzeburger am Krich 1940-1945. Eng kleng Natioun erzielt. Luxembourg 2001, S.455-487, Joseph Schlang, hier S. 456. 20 Verordnung über Maßnahmen auf dem Gebiet des Judenrechts. Verordnung über das jüdische Vermögen in Luxemburg. In: LW, 7.9.1940. 21 Die einzige Quelle, die Gauleiter Simon als den Initiator dieser Maßnahme nennt und ihn auch als denjenigen ausweist, der dem Rabbiner diesen Befehl übermittelte, ist der Bericht von Platt Waller, dem amerikanischen Konsul in Luxemburg. Siehe W.A. Fletcher und Jean Tucker-Fletcher (Hg.): Defiant Diplomat George Platt Waller. American Consul in Nazi Occupied Luxembourg, 1939-1941. Newark (DE) 2012, S.101-102. Der Gauleiter soll einen bevorstehenden Besuch Hitlers als Grund für die Vertreibung aller Juden aus Luxemburg angegeben haben. In Serebreniks Memorandum von 1963 (s. Anm. 9) Punkt 15 schreibt er: „At about that time I was told in [sic] the Gestapo where I had to report every morning at 7:00 A.M. that Luxembourg Jewery would be deported in toto on Yom Kippour, our holiest day, to the East.” 22 Ebenda. „After heartbreaking efforts, intervention with the German Oberbefehlshaber v. Mackensen [richtig wohl von Falkenhausen] in Belgium, and the dispatch of a special memorandum to SS-Reichsführer Himmler in Berlin over the signatures of Dr. Bonn and myself the decree of ‚Gerush Luxembourg’ of the deportation of Luxembourg Jewery was cancelled.” Das „special memorandum” ist abgedruckt bei Paul Cerf: Longtemps j’aurai mémoire. Documents et témoignages sur les Juifs du Grand-Duché de Luxembourg durant la seconde guerre mondiale. Luxembourg 1974, S. 141-146. Abdruck eines Scans des Durchschlags des Originals nun in Évacuation-Déportation. Le premier transport vers l’est, 16.10.1941, Luxembourg 2016, S. 29-33. 23 Bundesarchiv, Berlin: NS 19/1792: Reiseprogramm des RF-SS mit Himmlers Paraphe abgezeichnet. 24 Höherer SS und Polizeiführer. 1938 geschaffene Funktion innerhalb der SS in jedem SS-Oberabschnitt bzw. Wehrkreis. Der HSSPF unterstand Himmler jeweils unmittelbar. 25 Richard Breitman : Heinrich Himmler. Der Architekt der „Endlösung“. (Übersetzung aus dem Amerikanischen), Zürich, 2000 (2. Auflage), S. 194. 26 Christopher Browning : Die Entfesselung der „Endlösung“. Nationalsozialistische Judenpolitik 1939-1942 (Übersetzung aus dem Amerikanischen), München 2003, . 142f. 27 Text der Rede abgedruckt in: Procès des Criminels de guerre devant le Tribunal militaire international, Band 29, Nürnberg 1948, S.98-110, Dokument PS-1918. 28 Theodor Berkelmann, (1894-1943) 1941-1943 HSSPF Rhein. Als solcher war er zuständig für die Umsiedlungen in Luxemburg ab September 1942. Im Dezember 1943 an einem Gehirntumor in Posen verstorben. 29 Zum Verlauf des Aufenthaltes in Luxemburg siehe die offizielle Berichterstattung z.B. im LW vom 9.9.1940: Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei Heinrich Himmler in Luxemburg. 30 Erwin Rösener (1902-1946) war von September bis Mitte Dezember 1940 HSSPF Rhein, danach bis Kriegsende HSSPF Alpenland. 1946 in Jugoslawien zum Tode verurteilt und gehenkt. 31 Jeder Gauleiter hatte einen Stellvertreter. Fritz Reckmann (1907-1984) war stellvertretender Gauleiter im Gau Koblenz-Trier von 1931 bis 1945. 32 Siekmeiers Präsenz dürfte darauf zurückzuführen sein, dass er als einziger beim CdZ Luxemburg im Range eines SS-Oberführers Mitglied in der SS war. 33 Markus Moors, Moritz Pfeiffer (Hg.) : Heinrich Himmlers Taschenkalender 1940. Kommentierte Edition. Paderborn 2013, S.329-333. 34 Memorandum Serebrenik (Anmerkung 9). „The new emergency Consistoire entered into contact and dealings with the Provisorische Luxembourger Verwaltungskommission (headed by Dr. Albert Wehrer) which among others supplied the community with fonds de roulement and foodstuff for the many hundreds of refugees for whom we had to care.” ANLux : FD 0083 : Dossier 30 (Correspondance 1940-42): Brief des Konsistoriums an den Direktor des Evakuationsamtes, Jérôme Anders vom 9.8.1940 : „[…] dass die Herren Albert Wehrer, Präsident der Landesverwaltungs-Kommission und Putz, Regierungsrat, sich in lobenswerter Weise bereitgefunden haben, die Lebensmittel, die wir für die Verpflegung der von uns betreuten Flüchtlinge benötigen, gratis zur Verfügung zu stellen.“ ANLux: FD 0083: Dossier 38 (Allgemeine Korrespondenz R-Z): Schreiben Wehrer an das Sekretariat der Israelitischen Kultusgemeinde vom 6.9.1940: „[…] dass die Verwaltungskommission bereit ist, vorläufig weitere Lebensmittelgutscheine zur Verfügung zu stellen.“ 35 Memorandum Serebrenik : „Immediately after the fall of France we began to organize the first transport of Jews (58) who left with the destination of Lisbon on August 8, 1940.“
Paul Dostert
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