In zweieinhalb Monaten wählen die USA einen neuen Präsidenten, und weil die USA die letzte verbliebene Supermacht sind, ist sie oder er immer auch ein wenig ungefragt der Präsident der restlichen Welt, der in deren Namen den Zinsfuß festlegen lässt und Kriege beginnt. Die spektakulärste Erscheinung dieses Wahlkampfs ist ohne Zweifel der republikanische Kandidat Donald Trump, ein egozentrischer Immobilienunternehmer, der das Aggregationsproblem auf die Weltpolitik zu übertragen verspricht: So wie CSV-Finanzminister die Staatsgelder „en bon père de famille“ zu verwalten behaupteten und die deutsche Bundeskanzlerin eine sparsame „schwäbische Hausfrau“ zum Vorbild ihrer europaweiten Austeritätspolitik erklärt, will Donald Trump die USA und die Welt aus dem Weißen Haus regieren wie seine Hotels und Kasinos aus dem obersten Stockwerk seines New-Yorker Trump Tower: rücksichtslos, willkürlich, knauserig.
Der oft als Dr. Strangelove dargestellte republikanische Kandidat Donald Trump ist wahrscheinlich nicht neurotischer als der republikanische Präsident Richard Nixon, er ist wohl nicht beschränkter als der republikanische Präsident Ronald Reagan und nicht aggressiver als der republikanische Präsident George W. Bush aka Dick Cheney. Donald Trump ist das Produkt der Reagan-Revolution und der Tea Party in seiner Partei, deren Wirtschaftsliberalismus, Sozialdarwinismus, Steuer- und Staatsfeindlichkeit. Die anderen Anwärter auf die republikanische Kandidatur, die Cruz, Kasich, Rubio und Carson, sind als Bußprediger, Kreationisten und Waffennarren nicht weniger bizarr als Trump, höchstens langweiliger frisiert. Aber Donald Trump siegte bei den Vorwahlen, weil er dank seiner Fernseherfahrung der mit Abstand bessere Showman ist. Das ist auch der Grund, weshalb die CSV bei ihrer Statutenreform auf die von einigen geforderten „Primaries“ für ihren Spitzenkandidaten verzichtete.
Laut dem wirtschaftspolitischen Programm, das Donald Trump vorige Woche vorstellte, mit den Steuerermäßigungen, der Abschaffung der Erbschaftssteuer und der Konzentration auf den Binnenmarkt, will er als Immobilienunternehmer die politische Herrschaft der Grundrente durchsetzen, nicht nur gegen die Lohnabhängigen, sondern auch gegen das am Weltmarkt interessierte Industrie- und Finanzkapital. Um dieses Ziel zu erreichen, verstand der Milliardär es während der Vorwahlen, sich mit protektionistischen, rassistischen und gegen das eigene Establishment gerichteten Sprüchen eine Wählerbasis in der weißen, vorwiegend männlichen Mittelschicht zu schaffen, die den sozialen Abstieg erlebt oder befürchtet. Zum Gaudi seines Publikums verdankt Donald Trump seinen Erfolg dabei der Einsicht jedes Boulevard-Blatts, nämlich dass inhaltliche Kohärenz und gute Manieren nur feine Schnösel interessieren. Die Skrupellosigkeit, mit der er diese Erkenntis umsetzt, lernte er von seinem Vater im New-Yorker Immobiliengeschäft, das eines der Rauesten ist. Auch wenn Donald Trump die Vorbilder gar nicht kennt, wurde seine Strategie schon mehrfach während des 20. Jahrhunderts mit vorübergehendem Erfolg erprobt.
Derzeit sieht es so als, als ob die demokratische Kandidatin Hilary Clinton gute Aussichten hat, nach dem ersten Afroamerikaner die erste Frau an der Spitze der USA zu werden. Denn sie wird am 8. November wohl ein größeres Stimmenreservoir zu ihrer Rechten als ihr Gegner zu seiner Linken mobilisieren können. Aber all jene, die es für ausgeschlossen hielten, dass Donald Trump Kandidat der republikanischen Partei würde, oder dass sich in Großbritannien einen Mehrheit für den Rückzug aus der Europäischen Union fände, sollen sich vor voreiligen Prognosen hüten. Und die Vorhersagen zu den Vorwahlen und zum Brexit zeigten, dass man sich schon gar nicht auf Meinungsumfragen verlassen soll.