Bücher müssen nicht nur geschrieben und gedruckt, sondern auch genäht und geleimt werden. Dass sie industriell gebunden oder wenigstens gelumbeckt im Buchladen stehen, ist ein vergleichsweise neuer Brauch. Jahrhunderte lang wurden viele Bücher ungebunden verkauft, der Kunde überließ sie nach dem Erwerb dem Buchbinder, um sie mit dem Einband seines Geschmacks zu versehen.
Die Zahl der selbstständigen Buchbinder hierzulande ist heute auf etwa ein halbes Dutzend gesunken. Einige wurden von großen Druckereien übernommen, die angegliederte Ateliers betreiben und auch Lehrlinge ausbilden. Selbstständige Buchbinder binden heute vor allem das Memorial für Anwaltskanzleien und Behörden, Bücher und Zeitschriften für Bibliotheken oder Festbücher für Verbände und Gemeinden. Auch wenn inzwischen die Ökonostalgie nach dem "authentischen" Handwerk wieder gepflegt wird, sind Privatpersonen, die binden lassen, seltener geworden. Buchbinden ist ein arbeits- und deshalb kostenintensives Handwerk.
Die Geschichte der Buchbinderei in Luxemburg war bis vor 14 Tagen ein unbeschriebenes Blatt. Bis Emile van der Vekene nach den Vorbildern von Ernest Roquets Les relieurs français (1500-1800) und Julien Flétys Dictionnaire des relieurs français ayant exercé de 1800 à nos jours seinen Dictionnaire illustré des relieurs ayant exercé au Grand-Duché de Luxembourg depuis le XVIIe siècle jusqu'à nos jours vorstellte. Geduldig hat der ehemalige Konservator der Nationalbibliothek und internationale Präsident der Amis de la Reliure d'Art die Archive des hauptstädtischen Einwohnermeldeamts, Adressbücher, Bibliotheken sowie die Unterlagen von Berufsvereinigungen durchforscht und schließlich auch noch eine Fragebogenaktion durchgeführt, um biographische Angaben von rund 500 Luxemburger Buchbindern zusammenzustellen.
Nach anonymen Vorfahren, die wohl schon vor mehr als einem Jahrtausend Klosterhandschriften nähten und leimten, sind die ersten namentlich bekannten Buchbinder Ursus Kemmer, von dem ein Auftrag aus dem Jahr 1605 überliefert ist, und Hubert Reulandt (ca. 1590-1661), der 1618 mit der Genehmigung für seine Druckerei auch die Erlaubnis zur Eröffnung einer Buchbinderwerkstatt beantragte. Zu den ersten Buchbinderinnen gehören die 1827 in Erpeldingen geborene Jeanne Entringer und die 1836 in Luxemburg geborene Hélène Meyer, aber erst in den letzten 30 Jahren nahm die Zahl der Frauen in diesem Handwerk deutlich zu.
Aus dem 18. Jahrhundert hebt der Autor den weitgereisten Jean Pierre Maeysz (1744-1814) hervor, dessen Leben und Reiß Beschreibung 1957 auszugsweise in der Biographie nationale veröffentlicht wurde. Jacques Rickardt (1772-1840) und Louis Stein (ca. 1805-1873) begannen im 19. Jahrhundert als erste, ihre Einbände mit kleinen Buchbinderetiketten zu signieren. Bis ins 20. Jahrhundert gab es dann einige Buchbinder-"Dynastien", wie die Dufays und Glesener. Die Fédération des maîtres-relieurs bzw. Association des patrons-relieurs schien es von den Dreißiger- bis in die Sechzigerjahre gegeben zu haben
Doch als erstes überrascht die hohe Zahl von rund 500 Luxemburger Buchbindern. Denn die Buchbinderei bediente hierzulande mangels großer Verleger, reicher Sammler und bedeutender Bibliotheken vor allem einen lokalen Markt für Gebrauchseinbände. Kunsteinbände sind nur wenige überliefert. Laut van der Vekene hing die Zahl der Buchbinder immer eng von der Zahl der Drucker und Buchhändler ab.
Arbeiteten die meisten Buchbinder in der Hauptstadt, gab es deren auch in Esch-Alzette, Echternach, Ettelbrück, Diekirch, Mersch und sogar Dörfern wie Hosingen (Pauly, Schmitz), Heffingen (Lehnerts) und Harlingen (Wagner), wo man höchstens Schulbücher, Heiligenlegenden und Hundertjährige Kalender vermutete. Statt einer Arbeitsteilung zwischen Buchbindern, Vergoldern und Verzierern als eigenständige Handwerke wie in größeren französischen Städten, blieben viele Buchbinder lange auch Buchdrucker und Buchhändler. Georges Schmitz (1823-1900) in Niederbesslingen war zugleich Buchbinder und Glaser, Emile Schaack (1871-?) in Wiltz und Henri Weis (1853-1926) in Ettelbrück waren zugleich Buchbinder und Wirte. Van der Vekene fand auch keine Spuren von Wandergesellen und bezeichnet Buchbinder, die ihr Handwerk im Ausland erlernten, selbst für das 20. Jahrhundert als Ausnahmen.
Obwohl sich manche Leser sicher eine ausführlichere Synthese aus der großen Materiallfülle gewünscht hätten, dürfte das mit Farbfotos von Buchdeckeln, Buchbinderetiketten, Anzeigen und Briefköpfen reich illustrierte Nachschlagewerk - wie van der Vekenes Bibliographien zur Druckergeschichte, zur Inquisition, zu Landkarten, zu Stadtplänen... - für Jahrzehnte das Referenzwerk auf seinem Gebiet sein.
Emile van der Vekene: Dictionnaire illustré des relieurs ayant exercé au Grand-Duché de Luxembourg depuis le XVIIe siècle jusqu'à nos jours. Éditions Saint-Paul, Luxemburg 2002, 226 S., 56 Euro.